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RA Digital - 02/2016

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78 Referendarteil:

78 Referendarteil: Zivilrecht RA 02/2016 ersetzen, welcher auf die Schädigung nach dem Unfall vom 06.04.2009 zurückzuführen ist, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Beweiserhebung als Prozessgeschichte II im Indikativ Perfekt Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Akte verwiesen. Urteilsstil: Zusammenfassung des wesentlichen Ergebnisses in einem Obersatz Entscheidung nach Beweislast Definition des Sachmangels BGH, Urteil vom 02.06.2004, VIII ZR 329/03, Palandt-Weidenkaff, BGB, § 434, Rn 59 Ständige Rechtsprechung des BGH, so BGH, Urteil vom 02.06.2004, VIII ZR 329/03. Lesenswert ist dazu auch jurisPK, BGB, § 476, Rn 13ff. Jedoch fehlt eine Auseinandersetzung, inwieweit sich die Entscheidung des EuGH zu Art. 5 III der Richtlinie 1999/44/EG auf § 476 BGB auswirkt, EuGH, C. 797/13, RA 2015, 355. Aus der EuGH – Entscheidung ergeben sich erhebliche Zweifel, ob die Auslegung des § 476 BGB durch den BGH richtlinienkonform ist. Ein Schutzhelm ist auch dann mangelhaft, wenn er die an ihn gestellten Produktsicherheitsstandards nicht erfüllt. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie Anhörung des Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2014, Bl. 223 bis 226 d. A., Bezug genommen. Hinsichtlich des Sachverständigengutachtens wird auf das schriftliche Gutachten vom 08.04.2015, Bl. 302 bis 309 d. A., und bezüglich der Anhörung des Sachverständigen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2015, Bl. 338 und 339 d. A., Bezug genommen. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz sowie die Feststellung einer Schadensersatzpflicht, weder aus §§ 437 Nr. 3, 434 BGB i.V.m. § 253 II BGB noch aus § 8 ProdHaftG. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte der insoweit mit dem Beweis belastete Kläger nicht beweisen, dass der streitgegenständliche Helm im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft oder mit einem Fehler behaftet war. Gemäß § 434 I 1 und 2 Nr. 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat oder, bei Fehlen einer Beschaffenheitsvereinbarung, sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. „[24] Macht der Käufer, wie hier der Kläger, unter Berufung auf das Vorliegen eines Sachmangels Rechte gemäß § 437 BGB geltend, nachdem er die Kaufsache entgegengenommen hat, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für die einen Sachmangel begründenden Tatsachen. Diese Beweislastregelungen wurden bei der Neufassung der Vorschriften über die Leistungsstörungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts zum 1. Januar 2002 bewusst nicht geändert (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-​Drucks. 14/6040 S. 245). Soweit § 476 BGB für den Verbrauchsgüterkauf die Beweislast zu Gunsten des Käufers umkehrt, betrifft das nicht die Frage, ob überhaupt ein Sachmangel vorliegt. Die Vorschrift setzt vielmehr einen binnen sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretenen Sachmangel voraus und enthält eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag.“ Jura Intensiv Nach dem Ergebnis der Begutachtung konnte der Kläger den Beweis eines Mangels an dem Motorradhelm zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht führen. Vertragsrechtliche Ansprüche aus dem Kaufvertrag über den Helm hängen maßgeblich davon ab, ob an dem Helm gemäß § 434 I BGB ein Mangel vorlag, der seine Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigt. Welches Maß an Sicherheit geschuldet wird, hängt grundsätzlich davon ab, welche Normen und Standards für ein Sicherheitsprodukt generell festgelegt sind und ob das konkrete Produkt diese Normen und Standards auch erfüllt hat. Der Kläger Inhaltsverzeichnis

RA 02/2016 Referendarteil: Zivilrecht 79 hätte demnach beweisen müssen, dass der konkrete Helm die entsprechenden Produktsicherheitsstandards der EU-​Norm nicht erfüllt oder sonst einen Mangel aufwies; dies ist ihm nicht gelungen. Sehr ausführliche, auf den Einzelfall bezogene Würdigung des Sachverständigengutachtens Der Sachverständige hat ausgeführt, dass sich nach den Feststellungen zum Schadensausmaß, zur Schutzpolsterung des Kinnbügels und der Helmschale, zur Helmschale an sich sowie zum Visier, keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass der Helm die sich aus der ECE-​Regelung ergebenden Anforderungen nicht erfüllt hat. „[28] Schutzziel der ECE-​Regelung 22.05 ist es, so der Sachverständige, im Falle eines Unfalls die auf den Kopf des Trägers einwirkenden Kräfte und Beschleunigungen und daraus resultierend die Schwere von zu erwartenden Verletzungen zu reduzieren. Dass ein Helm bei solchen unfallbedingten Einwirkungen nicht zerbricht, werde durch die maßgeblichen Vorschriften nicht gefordert. Bereits aus der ECE-​R 22.05 selbst ergäbe sich eindeutig, dass auch bereits bei den im Rahmen der Typenzulassung durchzuführenden Prüfungen sehr wohl Brüche an den Helmen auftreten dürfen. Diese Brüche dürften jedoch nicht „gefährlich“ sein. Das bedeute, es dürften sich beispielsweise keine scharfkantigen Bruchkanten ergeben, welche Schnittverletzungen auslösen können. Nach seinen Feststellungen, so der Sachverständige weiter, handele es sich bei den Schädigungen des konkret untersuchten Helmes lediglich um Anrisse. Daraus lasse sich der eindeutige Schluss ziehen, dass der untersuchte Helm keine Gefährlichkeit aufweise. Die durch den Unfall aufgetretenen Schädigungen seien daher eindeutig zulässig. Der Helm sei der ihm zugedachten Aufgabe gerecht geworden, einerseits das Durchdringen von spitzen oder scharfkantigen Gegenständen zum Kopf des Trägers zu verhindern und andererseits die auftretende Schlagenergie möglichst großflächig auf die darunter liegende Schutzpolsterung zu verteilen. (…) [29] Der Sachverständige hat dann weiter ausgeführt, dass weitergehende Feststellungen über einzelne Eigenschaften an dem ihm zugeleiteten Helm im Hinblick darauf, dass dieser bei dem Unfallgeschehen am 6.4.2009 bereits eine Schlageinwirkung hatte und dadurch beschädigt bzw. zerstört wurde, nicht möglich seien. Insbesondere sei daher eine nachträgliche Überprüfung der konkreten Schlagdämpfungswerte im Rahmen wiederholender Laborprüfungen an dem speziellen verunfallten Helm nicht möglich. Der Helm sei durch den Unfall für solche Untersuchungen unbrauchbar geworden. Laborprüfungen zur Feststellung einer ausreichenden Schlagdämpfung wären nur an unbeschädigten Prüfmustern im Neuzustand aussagekräftig.“ Jura Intensiv Häufig kann ein Gutachten die streitigen Tatsachen deshalb nicht beweisen, weil es an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehlt. Im Hinblick auf das konkrete Schadensereignis hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten darauf hingewiesen, dass ihm weitere Einzelheiten zum Unfallgeschehen, insbesondere zur Aufschlaggeschwindigkeit auf das vermutlich zylindrische Hindernis nicht genau bekannt seien. Die bei der Zulassung nach den ECE Regelungen erforderlichen Stoßdämpfungsprüfungen an allen Bereichen des Helmes würden mit Geschwindigkeiten von 27 km/h durchgeführt, am Kinnbereich mit 18 km/h. Bei diesen Belastungen seien - wie bereits ausgeführt - die beschriebenen Anrisse zulässig, wenn sich dabei - wie hier - keine Gefährlichkeit feststellen lasse. Ausgehend von der Fahrgeschwindigkeit, wie sie der Kläger vorgetragen hat, von 50 km/h und auch unter Berücksichtigung einer Bremswirkung durch den Anprall an den Bordstein sei eine Aufprallgeschwindigkeit von mehr als 27 km/h plausibel, so dass die beschriebene Zerstörung des konkreten Helmes bei Inhaltsverzeichnis

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