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RA Digital - 02/2017

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60 Zivilrecht

60 Zivilrecht RA 02/2017 Problem: Widerruf eines Grundstücksmaklervertrages Einordnung: Schuldrecht BGH, Urteil vom 12.12.2016 21 U 3086/15 LEITSÄTZE 1. Eine Provisionsabrede nach § 652 BGB kann auch stillschweigend durch schlüssiges Verhalten getroffen werden. Wer sich an einen Makler wendet, der mit „Angeboten“ werbend im geschäftlichen Verkehr auftritt, erklärt damit allerdings noch nicht schlüssig seine Bereitschaft zur Zahlung einer Maklerprovision für den Fall, dass ein Vertrag über das angebotene Objekt zustande kommt. Der Interessent darf nämlich, soweit ihm Gegenteiliges nicht bekannt ist, davon ausgehen, dass der Makler das Objekt von dem Verkäufer an die Hand bekommen hat und deshalb mit der angetragenen Weitergabe von Informationen eine Leistung für den Anbieter erbringen will. 2. Grundstücksmaklerverträge, die unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen wurden, sind Fernabsatzgeschäfte iSv § 312b BGB aF (in der bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung) und können daher innerhalb der gesetzlichen Frist widerrufen werden. 3. Der Verbraucher hat bei Fernabsatzverträgen über Dienstleistungen im Falle eines wirksamen Widerrufs abweichend von § 357 I BGB Wertersatz für die erbrachte Dienstleistung nach den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt nur dann zu leisten, wenn er vor der Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist und wenn er ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt. EINLEITUNG Gem. § 652 BGB verpflichtet sich der Auftraggeber beim Maklervertrag zur Zahlung einer Provision, wenn die Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit des Maklers zum Abschluss eines Hauptvertrags führt. Der folgende Fall befasst sich mit dem Widerruf des Maklervertrages. SACHVERHALT (LEICHT ABGEWANDELT) Die Klägerin (K) betreibt eine Maklerfirma. Am 24.01.2014 führt sie einen Besichtigungstermin in einem Objekt in Pullach durch, an dem auch die Beklagte (B) teilnimmt. K überreicht B ein Exposé aus dem sich ausdrücklich eine Provisionsverpflichtung des Käufers entnehmen lässt. Da B das Objekt allerdings nicht zusagt, vereinbart sie mit K, in die Kundenkartei aufgenommen zu werden. Mit E-Mail vom 05.02.2014 präzisiert B ihre Wünsche für das gesuchte Haus. Daraufhin übermittelt ihr K am 06.05.2014 per E-Mail ein Kurzexposé eines entsprechenden Objekts in der V.-Str. 16 in München. Erneut wird auf der ersten Seite ausdrücklich auf die Provisionsverpflichtung i.H.v. 3,57% des Kaufpreises hingewiesen. Um 12:51 Uhr bittet B per E-Mail um weitere Informationen, sodass K ihr um 16:09 Uhr das vollständige Exposé mit Name und Adresse des bisherigen Eigentümers (E) sowie Kaufpreis i.H.v. 2.500.000 € zusendet. B meldet sich daraufhin nicht mehr bei K wegen eines Besichtigungstermins. Mit Kaufvertrag vom 10.10.2014 erwirbt B das angebotene Objekt von E für eigene Wohnzwecke. Der Kaufpreis beträgt 2.300.000 €. Das Haus wurde ihr von einem anderen Makler vermittelt, der es zunächst ebenfalls für 2.500.000 € angeboten hatte. An ihn zahlt B die geforderte Maklerprovision. Mit Schreiben vom 27.04.2015 erklärt B der K den Widerruf des Maklervertrags. B führt aus, sie hätte zunächst an dem Objekt in der V.-Str. 16 in München aufgrund des hohen Preises kein Interesse gehabt, sich anderweitig orientiert und deshalb nicht mehr bei K gemeldet. Das Objekt sei ihr erst viele Monate später durch einen anderen Makler angeboten worden. K verlangt weiterhin Provisionszahlung. Zu Recht? Jura Intensiv Anmerkung: § 312b I BGB a.F.: Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, […] die zwischen einem Unternehmer und Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden. § 312b III Nr. 3 BGB a.F.: Die Vorschriften über Fernabsatzverträge finden keine Anwendung auf Verträge über Versicherungen sowie deren Vermittlung. § 312d I BGB a.F.: Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu. § 355 I 1 BGB a.F.: Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2017 Zivilrecht 61 PRÜFUNGSSCHEMA A. K gegen B auf Provisionszahlung gem. § 652 I 1 BGB I. Wirksamer Maklervertrag 1. Vertragsschluss am 24.01.2014 2. Vertragsschluss am 06.05.2014 II. Wirksamer Hauptvertrag III. Maklerleistung IV. Kausalzusammenhang zwischen Maklerleistung und Hauptvertrag V. Widerruf des Maklervertrags 1. Widerrufsrecht a) Persönlicher Anwendungsbereich b) Sachlicher Anwendungsbereich 2. Widerrufserklärung innerhalb der Widerspruchsfrist 3. Rechtsfolge B. Ergebnis LÖSUNG A. K gegen B auf Provisionszahlung gem. § 652 I 1 BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Provisionszahlung gem. § 652 I 1 BGB haben. I. Wirksamer Maklervertrag Dazu müsste zwischen ihnen ein wirksamer Maklervertrag i.S.d. § 652 BGB zustande gekommen sein. 1. Vertragsschluss am 24.01.2014 In Betracht kommt zunächst ein Vertragsschluss am 24.01.2014. „II.1.a) Ein Maklervertrag bezüglich des Erwerbs des Anwesens in der V.-Str. 16 in München-Solln ist nicht bereits am 24.1.2014 zustande gekommen. An diesem Tag hat die B ein erstes Objekt der Klägerin in Pullach besichtigt. Dabei wurde ihr ein Exposé überreicht, aus dem sich die Provisionsverpflichtung des Käufers ausdrücklich ergab. Bei diesem Objekt wäre daher eine Provisionsverpflichtung der B zu bejahen. Dieses Objekt hat sie aber nicht gekauft.“ Jura Intensiv 2. Vertragsschluss am 06.05. 2014 Der Vertragsschluss könnte jedoch am 06.05.2014 erfolgt sein. „II.1.c) In der Übermittlung der ersten Email der K vom 06.05.2014 liegt eine sog. invitatio ad offerendum. In dem Kurzexposé wurde auf der ersten Seite auf die Pflicht des Käufers zur Provisionszahlung hingewiesen. Die Höhe, nämlich 3,57 % des Kaufpreises, wird ausdrücklich genannt. Unklarheiten bestehen damit nicht. Die Anforderung weiterer Informationen durch die B, die ihr mit der zweiten E-Mail vom 6.5.2014 auch geliefert wurden, stellt ein Angebot der B für das Objekt in der V.-Str. 16 in München dar, das mit der Übermittlung weiterer Informationen durch die K mit E-Mail vom 06.05.2014 um 16:09 Uhr angenommen wurde.“ Kein Maklervertrag am 24.01.2014, da B das Objekt in Pullach später nicht erwarb Zunächst kam kein Maklervertrag am 24.01.2014 zustande, da B das Objekt in Pullach später nicht erwarb. Auch ein konkludenter Vertragsschluss muss verneint werden. Wer sich an einen Makler wendet, der mit Angeboten werbend an die Öffentlichkeit tritt, darf davon ausgehen, dass der Makler eine Leistung für den Anbieter erbringen will. Vertragsschluss per E-Mail am 06.05.2014 Ein Maklervertrag i.S.d. § 652 I BGB ist damit zwischen den Parteien wirksam zustande gekommen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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