70 Zivilrecht RA 02/2018 LÖSUNG A. K gegen B gem. § 765 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 100.000 € aus § 765 I BGB haben. I. Anspruch entstanden Dazu müsste der Anspruch entstanden sein. K und die A-GmbH schlossen einen wirksamen Darlehensvertrag. Die aus § 488 I 2 BGB folgende Rückzahlungsverpflichtung i.H.v. 100.000 € wurde im Sommer 2014 fällig. Grds. ist der Bürgschaftsvertrag von den Rechtsinstituten „Schuldübernahme“ sowie „Schuldbeitritt“ abzugrenzen. Die Ausführungen sind an dieser Stelle aus Platzgründen knapper ausgefallen. Lies zur Abgrenzung BGH, RA 2017, 125 ff. 1. Bestehen der Hauptforderung Zunächst muss die Hauptforderung bestehen. K gewährte der A-GmbH ein Darlehen i.H.v. 100.000 €. Der Rückzahlungsanspruch gem. § 488 I 2 BGB wurde vereinbarungsgemäß zum 30.06.2014 fällig. Es besteht somit eine fällige Hauptforderung, zu der gem. § 767 BGB akzessorisch eine Haftung des B besteht. 2. Schriftform gem. § 766 S. 1 BGB Die Bürgschaftserklärung des B entspricht auch gem. §§ 766 S. 1, 126 I BGB der Schriftform. 3. Bürgschaftsvertrag Zu prüfen ist eine Einigung über den Abschluss eines Bürgschaftsvertrags i.S.d. § 765 I BGB. In diesem verpflichtet sich der Bürge, für die Schuld des Hauptschuldners einzustehen, sofern der Hauptschuldner sie nicht erfüllt. Die Schuld des Bürgen besteht akzessorisch zur Hauptschuld, hängt also in der Entstehung und beim Erlöschen, im Umfang und bei der Durchsetzbarkeit von der Hauptschuld ab. Abzugrenzen ist die Bürgschaft insbesondere vom gesetzlich nicht geregelten Schuldbeitritt. Durch den Schuldbeitritt wird eine selbstständige Verpflichtung des Beitretenden begründet. Er verpflichtet sich folglich, für die bestehende Schuld eines anderen gegenüber dem Gläubiger gleichrangig zu haften, wohingegen der Bürge nachrangig für eine fremde Schuld haftet. Im Zweifel ist daher von einem Schuldbeitritt nur auszugehen, wenn der beitretende Schuldner ein eigenes wirtschaftliches, also nicht rein persönliches Interesse an der Erfüllung der Schuld hat. Vorliegend ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen, dass B ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Begleichung der Darlehensverbindlichkeit hat. Im Übrigen spricht auch der Wortlaut der Vereinbarung für eine Bürgschaft. K und B haben somit einen Bürgschaftsvertrag i.S.d. § 765 I BGB geschlossen. Jura Intensiv II. Anspruch erloschen Der Anspruch aus § 765 I BGB dürfte nicht erloschen sein. 1. Erfüllung gem.§ 362 I BGB B hat noch nichts an K geleistet, sodass der Anspruch nicht gem. § 362 I BGB durch Erfüllung erloschen ist. 2. Erlöschen der Hauptschuld Gem. § 767 BGB ist die Bürgschaftsschuld in ihrem Bestand von der Hauptschuld abhängig. Es sind jedoch keine Gründe ersichtlich, die zum Erlöschen der Hauptschuld geführt hätten. III. Anspruch durchsetzbar Schließlich muss der Anspruch auch durchsetzbar sein. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 02/2018 Zivilrecht 71 1. Einrede der Vorausklage gem. § 771 S. 1 BGB B könnte gegenüber K gem. § 771 S. 1 BGB die Einrede der Vorausklage zustehen. Danach muss die Bank zunächst einen Titel gegen die A-GmbH erstreiten und anschließend aus diesem einen Vollstreckungsversuch unternehmen. Allerdings wurde vorliegend gem. § 773 I Nr. 1 BGB eine selbstschuldnerische Bürgschaft vereinbart. Die Einrede der Vorausklage ist daher ausgeschlossen. § 773 I Nr. 1 BGB schließt die Einrede der Vorausklage i.S.d. § 771 BGB aus. 2. Einreden des Bürgen gem. § 768 I 1 BGB Zu prüfen ist jedoch, ob sich B als Bürge nach § 768 I 1 BGB auf die zwischen K und der A-GmbH am 13.01.2012 wirksam geschlossene unbefristete Stillhaltevereinbarung berufen kann. Danach ist die A-GmbH zur Zahlungsverweigerung berechtigt, ferner ist es K untersagt, ihre Forderung gerichtlich geltend zu machen oder einen anhängigen Prozess weiter zu betreiben. „II.2. Ob sich ein Bürge gem. § 768 I 1 BGB auf ein zwischen dem Gläubiger und dem Hauptschuldner vereinbartes Stillhalteabkommen berufen kann, wenn sich der Gläubiger eine Inanspruchnahme des Bürgen ausdrücklich vorbehalten hat, ist umstritten. II.2. a) Eine Ansicht geht davon aus, dass insbesondere im Fall einer selbstschuldnerischen Bürgschaft maßgeblich sein soll, ob nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien des Stillhalteabkommens dem Bürgen diese Einrede zustehen soll. II.2. b) Demgegenüber gesteht die überwiegende Meinung dem Bürgen im Falle eines Stillhalteabkommens stets eine Einrede nach § 768 I 1 BGB zu. II.2. c) Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend. II.2.c) aa) Nach § 768 I 1 BGB kann der Bürge die Einreden des Hauptschuldners wie eigene geltend machen. Dieses Recht steht auch dem selbstschuldnerisch haftenden Bürgen zu. Der Bürge ist dabei nicht auf Gegenrechte beschränkt, die dem Hauptschuldner gegen die verbürgte Forderung zustehen, sondern kann auch Einreden des Hauptschuldners gegen die Verwertung der Bürgschaft geltend machen. Denn die Bürgschaft soll als akzessorisches Sicherungsmittel dem Gläubiger gegen den Bürgen im Allgemeinen keine besseren Rechte gewähren als gegen den Hauptschuldner. Deshalb kann sich nach § 768 I 1 BGB der Bürge auf sämtliche Einreden des Hauptschuldners berufen, soweit der Sicherungszweck der Bürgschaft dem nicht entgegensteht. Danach kann der Bürge nach § 768 I 1 BGB auch ein – vorübergehendes oder dauerhaftes - Leistungsverweigerungsrecht des Hauptschuldners aus einem Stillhalteabkommen mit dem Gläubiger geltend machen. II.2.c) bb) Diese Einrede des Bürgen entfällt nicht dadurch, dass sich der Gläubiger in der Stillhaltevereinbarung die Inanspruchnahme des Bürgen vorbehalten hat. II.2.c) bb) (1) Eine Bürgschaft kann allerdings auch zur Sicherung von Ansprüchen übernommen werden, die der Gläubiger gegen den Hauptschuldner aus Rechtsgründen nicht durchsetzen kann. Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass nach der bei Abschluss des Bürgschaftsvertrags vereinbarten Sicherungsabrede die Insolvenzschuldnerin auch dann als Bürgin für die Hauptforderung haften sollte, wenn diese nicht oder nur eingeschränkt durchsetzbar wäre. Jura Intensiv Bislang war höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt, ob sich der (selbstschuldnerisch haftende) Bürge gem. § 768 I 1 BGB auch auf ein zwischen dem Gläubiger und dem Hauptschuldner vereinbartes Stillhalteabkommen berufen kann, wenn sich der Gläubiger die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft ausdrücklich vorbehalten hat. Der Bürge kann sich ebenfalls auf das Leistungsverweigerungsrecht berufen. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass die Bürgschaft ein akzessorisches Sicherungsmittel ist. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
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