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RA Digital - 02/2018

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78 Referendarteil:

78 Referendarteil: Zivilrecht RA 02/2018 Im Ausgangsfall beantragte die Klägerin darüber hinaus praxisüblich eine monatliche Schmerzensgeldrente von 650 €, die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 14.716,20 € sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, welcher auf den Unglücksfall zurückzuführen ist, soweit die Ansprüche nicht auf einen Dritten, insbesondere auf Sozialversicherungsträger, übergegangen sind. Diese Anträge konnten hier aus Platzgründen nicht mehr erläutert werden. BGH, Urteil vom 25.09.1952, III ZR 322/51 und vom 21.10.2004, III ZR 254/03 Ein Reisevertrag besteht gem. aus einer Gesamtheit von Reiseleistungen, z.B. Flug und Hotel oder Schiffsreise mit Palandt/Sprau, BGB § 823 Rnrn. 48, 52, 189 Palandt/(Sprau, BGB, § 823 Rn 189; Münch.Komm./Wagner, BGB, § 823 BGB, Rn 654 Bei einer angemessenen Beobachtung der Wasseroberfläche hätten Bewegungen der Boje und deren Absinken innerhalb von ein bis zwei Minuten auffallen müssen. Rettungsmaßnahmen hätten dann innerhalb von einer Minute durchgeführt werden können. Das nicht pflichtgemäße Verhalten der Beklagten zu 1) nach dem Erkennen des Absinkens der Boje habe zu einer zeitlichen Verzögerung der Rettung von mindestens drei Minuten geführt. Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld von mindestens 500.000 € zu zahlen. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin steht aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten zu 1) gegen diese aus §§ 823 I, 253 I BGB und gegen die Beklagte zu 2) aus §§ 831 I, 253 I BGB der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch zu. Dabei ist die Gesundheitsschädigung der Klägerin als Verletzung eines absoluten Rechtsguts i.S.d. § 823 I BGB unstreitig. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist auch die Ursächlichkeit der der Badeaufsicht vorgeworfenen Versäumnisse, die hinsichtlich des Tatsächlichen unstreitig sind, für die bei der Klägerin eingetretenen gesundheitlichen Schäden anzunehmen, da diese bei pflichtgemäßer Erfüllung der Aufsichts- und Rettungspflichten vermieden worden wären, wobei die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen. Es bestand eine entsprechende Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu 1), deren Verletzung durch Unterlassen eine Verletzungshandlung i.S.d. § 823 I BGB darstellt. Die Beklagte zu 1) war verkehrssicherungspflichtig, weil sie die Badeaufsicht übernommen hatte. Verpflichtet ist, wer für den Bereich einer Gefahrenquelle verantwortlich ist. Diese Pflicht entsteht beim Betreiber der Badeanstalt und geht auf diejenige Person über, welche sie vom Pflichtigen übernommen hat. Geschuldet wird, die Badegäste vor solchen Gefahren zu schützen, die über das übliche Risiko des Badebetriebs hinausgehen. Dies erfasst beim Besuch durch Kinder und Jugendliche auch unbesonnenes Verhalten. Bei einer pflichtgemäßen Aufsicht hätte innerhalb von ein bis zwei Minuten auffallen müssen, dass die Boje abgesenkt gewesen ist, und die gebotenen Rettungsmaßnahmen hätten sodann innerhalb von einer Minute durchgeführt werden können. In diesem Fall wären die dauerhaften Hirnschäden der Klägerin bei entsprechendem Handeln der Beklagten zu 1) vermieden worden. Sie wäre dann insgesamt für maximal drei Minuten unter Wasser von der Sauerstoffzufuhr abgeschnitten gewesen. Nach dem beklagtenseits nach Vorlage eines Privatgutachtens nicht mehr bestrittenen Klägervortrag traten die von ihr erlittenen Hirnschäden frühestens nach drei Minuten auf. Jura Intensiv „II.1.b) aa) Die Badeaufsicht hat zwar, wie die Vorinstanz in anderem Kontext ausgeführt hat, nicht die Verpflichtung zur lückenlosen Beobachtung eines jeden Schwimmers. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2018 Referendarteil: Zivilrecht 79 Es kann und muss im Schwimmbadbetrieb nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden, da eine Sicherheit, die jeden Gefährdungsfall ausschließt, nicht erreichbar ist. Die Schwimmaufsicht ist jedoch verpflichtet, den Badebetrieb und damit auch das Geschehen im Wasser zu beobachten und mit regelmäßigen Kontrollblicken daraufhin zu überwachen, ob Gefahrensituationen für die Badegäste auftreten. Dabei ist der Beobachtungsort so wählen, dass der gesamte Schwimm- und Sprungbereich überwacht und auch in das Wasser hineingeblickt werden kann, was gegebenenfalls häufigere Standortwechsel erfordert.“ Zu den Aufgaben der Aufsichtspersonen in einem Schwimmbad gehört es weiter, in Notfällen für rasche und wirksame Hilfeleistung zu sorgen. Insofern hätte der Umstand, dass eine der Bojen jedenfalls teilweise unter die Wasseroberfläche geraten war, die Badeaufsicht dazu veranlassen müssen, sogleich selbst die Ursache hierfür zu klären und die Klägerin zu retten. Der Aufsicht hätte gerade im Hinblick auf die vergleichsweise lockere Verbindung der Boje mit der Befestigung am Schwimmbadgrund bewusst sein müssen, dass die Absenkung der Boje auch durch einen in Not geratenen Badegast verursacht worden sein konnte. Nachdem die Auffälligkeit der Boje bemerkt worden war, hätte sich daher die Beklagte zu 1) sofort selbst in das Wasser begeben müssen und nicht zunächst schwimmende Kinder hiermit betrauen dürfen. Die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Rechtsgutsverletzung war aufgrund einer Beweislastumkehr von den Beklagten zu widerlegen. Dies haben die Beklagten trotz richterlichen Hinweises nach § 139 ZPO aufgrund Verkennung der Rechtslage nicht vorgenommen. „II.2. a) Im Arzthaftungsrecht führt ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, regelmäßig zur Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden. Diese beweisrechtlichen Konsequenzen aus einem grob fehlerhaften Behandlungsgeschehen knüpfen daran an, dass die nachträgliche Aufklärbarkeit des tatsächlichen Behandlungsgeschehens wegen des besonderen Gewichts des ärztlichen Fehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in einer Weise erschwert ist, dass der Arzt nach Treu und Glauben - also aus Billigkeitsgründen - dem Patienten den vollen Kausalitätsnachweis nicht zumuten kann. (…) Jura Intensiv Wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage gelten die vorgenannten Beweisgrundsätze entsprechend bei grober Verletzung sonstiger Berufsoder Organisationspflichten, sofern diese, ähnlich wie beim Arztberuf, dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer dienen. Wer eine besondere Berufs- oder Organisationspflicht, andere vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu bewahren, grob vernachlässigt hat, kann nach Treu und Glauben die Folgen der Ungewissheit, ob der Schaden abwendbar war, nicht dem Geschädigten aufbürden. Auch in derartigen Fällen kann die regelmäßige Beweislastverteilung dem Geschädigten nicht zugemutet werden. Der seine Pflichten grob Vernachlässigende muss daher die Nichtursächlichkeit festgestellter Fehler beweisen, die allgemein als geeignet anzusehen sind, einen Schaden nach Art des eingetretenen herbeizuführen.“ BGH, Urteil vom 21.03.2000, VI ZR 158/99 BGH, Urteil vom 02.10.1979, VI ZR 106/78; Nr. 5 der Richtlinie R 94.05 der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen e.V. zur Verkehrssicherungs- und Aufsichtspflicht in öffentlichen Bädern während des Badebetriebs in der Fassung von Februar 2008 OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.01.1993, 4 U 25/90 Die Badeaufsicht hätte die Ursache selbst klären und dann zur Rettung schreiten müssen. Umkehr der Beweislast Ständige Rspr., vgl. z.B.BGH, Urteil vom 10.05.2016, VI ZR 247/15, Rn 11 mwN; siehe auch § 630h Abs. 5 BGB Übertragung der arzthaftungsrechtlichen Grundsätze BGH, Urteil vom 11.05.2017, III ZR 92/16 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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