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RA Digital - 02/2019

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RA 02/2019 Zivilrecht 67 Problem: Mieteinnahmen als Beschaffenheitsvereinbarung eines Kaufvertrags Einordnung: Kaufrecht OLG Köln, Urteil vom 29.11.2018 3 U 24/18 EINLEITUNG Im Mittelpunkt der vorliegenden Entscheidung steht die Frage, wann vertragliche Bestimmungen zu Mieteinnahmen eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 I 1 BGB sein können. SACHVERHALT Der Kläger (K) erwirbt von der Beklagten (B) durch notariellen Kaufvertrag vom 19.07.2013 ein Mehrfamilienhaus in der T-Straße 7-9 mit 14 vermieteten Wohneinheiten. Darin wird eine von den Parteien sowie dem Notar unterschriebene „Mieterliste T-Straße“ aufgenommen. Es handelt sich dabei um eine Aufstellung, die neben den Namen der Mieter und der Lage der Wohnungen die einzelnen Warmmieten und in einem Kasten die Angabe enthält: 73.428 € Jahresbruttomiete abzgl. 12.632 € Betriebskosten = Jahresnettomiete 60.796 €. Im Zeitpunkt der Übergabe des Objekts beträgt die Jahresnettomiete allerdings nur 47.314 €. K verlangt daher von B Zahlung von 13.482 €, d.h der Differenz von tatsächlich erzielter und der im notariellen Kaufvertrag vereinbarten Jahresnettomiete. B wendet ein, dass in Ziff. V 1 des notariellen Kaufvertrages die Gewährleistung für Sachmängel ausgeschlossen wurde. Er werde daher keine nachträglichen Zahlungen leisten. Zu Recht? LÖSUNG Jura Intensiv A. K gegen B gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 13.482 € gem. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 2. Fall BGB haben. I. Wirksamer Kaufvertrag Die Parteien schlossen am 19.07.2013 einen wirksamen notariellen Kaufvertrag i.S.d. §§ 433, 311b I 1 BGB über ein Mehrfamilienhaus in der T-Straße 7-9 mit 14 vermieteten Wohneinheiten. II. Sachmangel bei Gefahrübergang Weiterhin muss bei Gefahrübergang, d.h. gem. § 446 S. 1 BGB bei Übergabe der Sache, ein Mangel i.S.d. § 434 BGB vorgelegen haben. Nach § 434 I 1 BGB liegt ein Sachmangel vor, wenn die Kaufsache nicht die vereinbarten Eigenschaften aufweist. Vorliegend haben K und B vereinbart, dass die Jahresnettomiete 60.796 € betragen soll, tatsächlich betrug sie bei Übergabe des Objekts allerdings nur 47.314 €. LEITSATZ Zu den Voraussetzungen einer Beschaffenheitsvereinbarung bei vertraglicher Bestimmung im Kaufvertrag zu Mieteinnahmen eines Mehrfamilienhauses. Beachte: Das hier aufgeworfene Thema ist sehr examensrelevant. Ein Mangel im Sinne des § 434 I 1 BGB, der auf dem Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit beruht, kann durch eine vertragliche Vereinbarung nicht ausgeschlossen werden. Dies verstößt gegen § 242 BGB. Die Haftung für andere Sachmängel wird beim Grundstückskaufvertrag routinemäßig ausgeschlossen. Deshalb kommt der Einschätzung, ob ein Sachmangel nach § 434 I 1 BGB vorliegt, eine hervorgehobene Bedeutung zu. Das Problem war Thema in der Z-II-Klausur der Examenskampagne, 1. juristische Prüfung, Februar 2018 u.a. in NRW, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz. In Grundstückskaufverträgen wird der Gefahrübergang häufig präzise datiert. Die niedrigere Jahresnettomiete kann einen Sachmangel i.S.d. § 434 I 1 BGB darstellen. „[30] Die aus der Bewirtschaftung eines bebauten, vermieteten Grundstücks erzielten Mieterträge und die aufzuwendenden Betriebskosten gehören zu den Eigenschaften, die Gegenstand einer von den Kaufvertragsparteien vereinbarten Beschaffenheit des Grundstücks nach § 434 I 1 BGB sein © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

68 Zivilrecht RA 02/2019 Anforderungen, die an eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 I 1 BGB im Hinblick auf bestimmte Mieteinnahmen zu stellen sind Die Aufführung präziser Mieteinnahmen im Vertrag spricht für eine Beschaffenheitsvereinbarung. Dem Käufer wurde keine Mieterliste ausgehändigt. Vorliegend wird die besondere Bedeutung der Mieterträge dadurch deutlich, dass sie unmittelbar in den notariellen Kaufvertrag aufgenommen wurden. Darüber hinaus wurde die Jahresnettomiete fett gedruckt. können. Jede nach früherem Recht zusicherungsfähige Eigenschaft einer Sache kann nunmehr eine Beschaffenheit i.S.d. § 434 I 1 BGB sein. [31] Vorliegend ist die Jahresnettomiete von 60.796 € in dem von den Vertragsparteien und dem Notar unterschriebenen notariellen Kaufvertrag genannt. Zwar ist ihm nicht die ausdrücklich Erklärung zu entnehmen, dass die Verkäuferin eine Jahresnettomiete i.d.H. zusichert bzw. die Verbindlichkeit dieser Angabe ausdrücklich betont wird. Dies ist aber für eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 I BGB auch nicht zwingend erforderlich. Für eine Beschaffenheitsvereinbarung in Bezug auf einen Mietertrag reicht es z.B. aus, wenn im Kaufvertrag auf einen Mietvertrag Bezug genommen wird und darin konkrete Einnahmen genannt werden. Angaben eines Mietertrages sind, auch wenn nur die Größenordnung genannt wird, ferner dann eine Beschaffenheitsvereinbarung, wenn der Käufer sie als vertraglich ansehen kann. Denn der zur Zeit des Vertragsabschlusses tatsächlich aus einem Hausgrundstück gezogene Nutzen gilt nach der Verkehrsanschauung als ein sicherer Maßstab und als eine der wichtigsten Grundlagen für die Ertragsfähigkeit und damit für die Wertschätzung des Grundstückes. Werden die tatsächlich erzielten Mieterträge in einem Grundstückskaufvertrag aufgeführt und ausdrücklich zum Gegenstand der Vereinbarungen gemacht, dann spricht dies grds. für eine vertragsmäßige Zusicherung. Eine andere Würdigung kann sich nur aus besonderen Umständen des Einzelfalles ergeben. Das heißt: Die in einem Kaufvertrag enthaltenen und ausdrücklich zum Gegenstand der Vereinbarungen gemachten Angaben über tatsächlich erzielte Mieterträge sind als Zusicherung einer Eigenschaft (bzw. Beschaffenheitsvereinbarung) zu verstehen, wenn der Käufer nicht auf Grund besonderer Umstände andere Vorstellungen über den Wert des Kaufgrundstücks hegt, als sie nach der Verkehrsanschauung bei solchen Objekten mit dem zugesicherten Mietertrag verbunden sind. [32] Vorliegend spricht für die Bedeutung der in der "Mieterliste T-Straße" enthaltenen Angaben zu den Mieterträgen als Beschaffenheitsvereinbarung, dass sie in den notariellen Kaufvertrag aufgenommen wurden. Sie sind also unmittelbarer Inhalt des Kaufvertrages geworden, und es wird nicht nur indirekt ein Verweis auf eine Unterlage außerhalb des Vertrages vorgenommen (wie dies beispielsweise bei einem Exposé oder einem Mietvertrag der Fall ist, was für eine Beschaffenheitsvereinbarung u.U. gleichwohl ausreichend sein könnte). Die Jahresnettomiete stellt sich zudem durch den Fettdruck als Essenz der in der Anlage zuvor genannten Einzelangaben der auf die jeweiligen Wohnungen entfallenden Warmmieten dar und ergibt sich schlüssig aus der Summe der Bruttomieten abzüglich der Betriebskosten. Unstreitig lagen K die Mietverträge im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vor. Die Informationslage des K zu den Mieteinnahmen beruhte daher allein auf den Angaben im notariellen Kaufvertrag, was deren Bedeutung unterstreicht. Soweit B die Aussage der Mieterliste lediglich darin sieht, dass K die Namen der Mieter und die Lage der Wohnungen hätten bekannt gegeben werden sollen, wofür auch die Überschrift "Mieterliste T-Straße" spreche, so überzeugt dies nicht. Vielmehr nehmen neben dem Namen der Mieter und der Lage der Wohnungen die einzelnen Mieten in der Anlage eine gleichwertige Stellung ein. Die Jahresnettomiete als der Betrag, der bei einer fremdvermieteten Immobilie als Renditeobjekt üblicherweise interessiert, ist zudem, wie ausgeführt, im Fettdruck hervorgehoben.“ Jura Intensiv © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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