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RA Digital - 02/2019

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RA 02/2019 Referendarteil: Zivilrecht 79 [15] Etwas anderes würde nach der Rechtsprechung des BGH nur dann gelten, wenn keinerlei eigene Energie des Hundes des Beklagten an dem Geschehen beteiligt gewesen wäre, sich seine Rolle also auf seine bloße Anwesenheit auf der Wiese als „geführter Hund“ beschränkt hätte. Dies allerdings war nach den übereinstimmenden Angaben aller Beteiligten, die eine zum fraglichen Zeitpunkt andauernde Rangelei zwischen beiden Hunden geschildert haben, nicht der Fall. [16] Irrelevant ist hier auch, welcher Hund mit der Rauferei begonnen hat; bereits die von einem Tier ausgehenden und auf ein anderes Tier einwirkenden Reize können eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen.“ Allerdings trifft die Klägerin, die in die Rangelei der Hunde eingegriffen hat, ein die Haftung des Beklagten beschränkendes Mitverschulden. Denn bei diesem Verhalten hat sie die Sorgfalt außer Acht gelassen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch gegenüber Tieren zu beobachten pflegt um sich vor Schaden zu bewahren, insbesondere sich nicht auf die allgemein bekannten Tiergefahren eingestellt und entsprechende Vorsicht walten lassen, sondern ihre rechte Hand in unvorsichtiger Weise in den Bissbereich der Hunde bewegt. Auch muss die Klägerin sich die Tiergefahr ihres eigenen Hundes, die den Schaden nach obigen Grundsätzen ebenfalls mitverursacht hat, entsprechend § 254 BGB anrechnen lassen. Die Ersatzpflicht bestimmt sich insoweit nach dem Gewicht, mit dem die Tiergefahr beider Tiere im Verhältnis zueinander wirksam geworden ist. Entgegen der Ansicht des Beklagten wiegt das Mitverschulden auf Seiten der Klägerin jedoch nicht so schwer, dass es die vom Hund des Beklagten ausgehende Tiergefahr gänzlich aufwiegen würde. Denn beide Parteien haben die Situation übereinstimmend als nicht so gefährlich eingeschätzt, dass gefahrloses Eingreifen ausgeschlossen gewesen wäre. Vielmehr hat auch der Beklagte nach eigenem Vorbringen in der informatorischen Anhörung in ähnlicher Weise und zur selben Zeit wie die Klägerin in das Geschehen eingegriffen, seinen Hund gepackt, zwischen die Beine genommen und ihn vom Hund der Klägerin weggedreht. Dass die Klägerin im Gegensatz zu ihm direkt vor die Schnauze eines der beiden Hunde gegriffen hätte, hat auch der Beklagte nicht behauptet, sondern - im Einklang mit der Klägerin, die ein Greifen zwischen die Hunde in Abrede gestellt hat - vorgetragen, die Klägerin habe ihren Hund mit der linken Hand am Halsband gepackt und mit der rechten unter den Hals des Hundes gegriffen um ihn wegziehen zu können. Jura Intensiv Keine Verwirklichung der Tiergefahr, wenn der Hund bloß „anwesend“ und nicht „beteiligt“ war Darauf, welcher Hund der eigentliche „Störer“ ist, kommt es nicht an, da auch die Beteiligung an der „Rauferei“ gefahrgeneigt ist. Mitverschulden der Klägerin, da sie unvorsichtigerweise zwischen die Hunde gegriffen hat, s. dazu Palandt/ Sprau, BGB, § 833 BGB, Rn 13. Die Quote der Ersatzpflicht bestimmt sich nach der jeweiligen Auswirkung der spezifischen Tiergefahr im Kausalverlauf. Subsumtion der konkreten Situation, insbesondere anhand der Angaben der Parteien in der informatorischen Anhörung Die informatorische Anhörung der Parteien nach § 141 ZPO ist kein Beweismittel i.e.S. Die Inhalte der Anhörungen sind als Parteivortrag zu bewerten. Das Gericht bewertet das Mitverschulden der Klägerin unter Abwägung der vorstehend geschilderten Gesamtumstände, insbesondere auch des Umstands, dass die Klägerin sich unvorsichtiger als der Beklagte verhalten hat, mit 75%. Die Klägerin hat zudem unter Würdigung der Gesamtumstände Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von € 2.500 aus §§ 833, 249, 253 BGB. Die Schmerzensgeldhöhe ist nach der st. Rsp. des BGH unter umfassender Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgeblichen Umstände festzusetzen und hat in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzung zu stehen. Dabei kommt dem Gedanken, dass für vergleichbare Verletzungen, unabhängig vom Haftungsgrund, ein annähernd gleiches Schmerzensgeld zu gewähren ist, besondere Bedeutung zu. Ausführungen zur Bemessung der Schmerzensgeldhöhe I.d.R. greift die Praxis hier auf Tabellen (in Buchform erhältlich) zurück, die Präzedenzfälle auflisten. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

80 Referendarteil: Zivilrecht RA 02/2019 Zur Berücksichtigung des Verletzungsumfangs: Palandt/Grüneberg, BGB, § 253 BGB, Rn 15 Im Streitfall war zu berücksichtigen, dass die Klägerin erheblich verletzt worden ist, fast zwei Wochen stationär behandelt und zweimal operiert wurde, dass sie stark und mehrere Monate in ihrer Lebensführung eingeschränkt war und mit der erforderlichen Hauttransplantation ein Eingriff am davor nicht betroffenen Oberschenkel vorgenommen werden musste, der zudem schlecht heilte. Ferner war zu bedenken, dass die Verletzung nach wie vor nicht ausgeheilt ist und die Klägerin durch den Vorfall auch psychisch beeinträchtigt wurde. Unter Heranziehung von Vergleichsfällen erachtet das Gericht unter Berücksichtigung des deutlichen Verursachungsbeitrags der Klägerin ein Schmerzensgeld von 2.500 € für angemessen. Auch der Klageantrag zu 2) ist zulässig und teilweise – zu einem Viertel – begründet. Bei Feststellungsanträgen ist immer das besondere Feststellungsinteresse zu prüfen, § 256 ZPO. Hier stellt sich das Problem der sog. „Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes“, nach dem mit einer Zahlung grds. alle immateriellen Schäden erfasst sind. Hier sind aber noch weitere Folgen zu erwarten. Das Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn vernünftigerweise kein Schaden mehr zu erwarten ist, BGH, Urteil vom 20.03.2001, VI ZR 325/99. Die Klägerin hat insbesondere auch ein Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden, § 256 ZPO. Zwar gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes, der eine ganzheitliche Betrachtung und Bemessung gebietet, die die künftige Entwicklung des Schadensbildes in die Bemessung des Schmerzensgeldes mit einbezieht. Lässt sich aber eine Aussage darüber, ob in der Zukunft noch Spätfolgen der Unfallverletzungen auftreten, nicht zuverlässig treffen, dann ist, solange der Eintritt derartiger Schäden nicht ausgeschlossen werden kann, die Möglichkeit von Spätschäden gegeben. Besteht die Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts, so reicht dies für das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse grundsätzlich aus. Letzteres darf nur verneint werden, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen. Von der Möglichkeit derartiger Spätfolgen des Unfalls ist angesichts der unstreitig noch vorhandenen Beeinträchtigungen der Klägerin auszugehen. Jura Intensiv Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I 1 ZPO; die ausgeurteilte Kostenquote errechnet sich unter Berücksichtigung der zugesprochenen Zahlungsbeträge und der Bewertung, dass im Rahmen des mit einem Abschlag von 20 % anzusetzenden Feststellungsantrags möglicherweise noch ein Ersatzanspruch in Höhe von insgesamt 1.250 € in Betracht kommt, von dem der Beklagte 1/4 zu ersetzen hätte. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, 2 ZPO. FAZIT Die Tiergefahr des eigenen beteiligten Tieres ist anzurechnen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

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