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RA Digital - 02/2021

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

66 Zivilrecht

66 Zivilrecht RA 02/2021 Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme Eine GbR kann bei Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter wegen Eigenbedarfs kündigen, BGH RA 2017, 113 (VIII ZR 232/15). Diese grundsätzliche Mitteilungspflicht zum Wegfall des Eigenbedarfs nach Ausspruch der Kündigung entspricht ständiger Rechtsprechung, BGH, Urteil vom 09.11.2005, VIII ZR 339/04 und vom 08.04.2009, VIII ZR 231/07, und vom 13.06.2012, VIII ZR 356/11, sowie zuletzt vom 10.06.2015, VIII ZR 99/14. Die Hinweispflicht besteht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Angemessener Ausgleich der Interessen des Vermieters und des Mieters II. Pflichtverletzung gem. § 241 II BGB B müsste mit der Kündigung eine Pflicht aus dem Mietvertrag im Sinne des § 241 II BGB verletzt haben. Gem. § 241 II BGB sind die Parteien im Rechtsverkehr zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen verpflichtet. Daraus erwachsen auch Treuepflichten. Vermieter dürfen Gestaltungsrechte nur ausüben, wenn sie zur Ausübung berechtigt sind. Wegen des Besitzrechts des Mieters kommen Hinweispflichten auf den Wegfall des Grundes, hier des Eigenbedarfes, hinzu. Fraglich ist, ob B eine vertragliche Treuepflicht verletzt hat, indem K nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31.08.2012 nicht mitgeteilt wurde, dass die Tochter des Gesellschafters der B, für die der Eigenbedarf geltend gemacht wurde, nicht einziehen werde. Grundsätzlich besteht eine Treuepflicht des Vermieters, dem Mieter den Wegfall des Eigenbedarfsgrundes mitzuteilen. Problematisch ist hier, dass der Eigenbedarfsgrund erst nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31.08.2012 aber vor dem durch den Vergleich vereinbarten Auszugsdatum weggefallen ist. Fraglich ist deshalb, ob B dies aus einer vertraglichen oder nachvertraglichen Treuepflicht gem. § 241 II BGB hätte mitteilen müssen. [14] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts besteht diese Hinweispflicht jedoch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Lediglich über einen vor diesem Zeitpunkt eingetretenen Wegfall des Eigenbedarfs - auf den sich auch die Beklagte als teilrechtsfähige (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts berufen kann (…) - hat der Vermieter den Mieter zu unterrichten. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Parteien - wie hier - in dem der Kündigung nachfolgenden Räumungsrechtsstreit einen Vergleich schließen, wonach sich der Mieter bis zu einem bestimmten Termin zum Auszug aus der Wohnung verpflichtet. [15] Der Wegfall des ursprünglich gegebenen Kündigungsgrundes des Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) löst dann eine Hinweispflicht des Vermieters aus, wenn er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eingetreten ist. Nur in einem solchen Fall ist der Vermieter mit Rücksicht auf das Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) gehindert, sich angesichts des bei Wegfall des Kündigungsgrundes noch bestehenden Mietverhältnisses auf die Kündigung zu berufen (…). Diese zeitliche Eingrenzung bringt - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise, vgl. BVerfG, NJW 2006, 2033 Rn. 5 - die berechtigten Interessen von Mieter und Vermieter in einen angemessenen Ausgleich und sorgt für Rechtssicherheit (…). Jura Intensiv Folglich bestand nach Wirksamwerden der Kündigung und der Beendigung des Vertrages keine Treuepflicht aus dem Vertrag, auf den Wegfall des Eigenbedarfs hinzuweisen. Fraglich ist, ob es diesbezüglich eine nachvertragliche Treuepflicht gibt. Keine nachvertragliche Hinweispflicht [16] Der Senat hat entschieden, dass es eine nachvertragliche Hinweispflicht des Vermieters nicht gibt, sondern eine solche nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist besteht. Dies hat er maßgebend darauf gestützt, dass eine zeitliche Ausdehnung der Hinweispflicht über das Ende des Mietverhältnisses hinaus mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und eines effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren wäre (…). Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2021 Zivilrecht 67 [19] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, das insoweit auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug nimmt, ist es nicht “sachgerecht”, deshalb auf den im Vergleich festgelegten Auszugszeitpunkt abzustellen, weil die Parteien diesen an die Stelle des Ablaufs der Kündigungsfrist gesetzt haben. Allein die Vereinbarung eines Auszugszeitpunkts hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf die mit dem Ablauf der Kündigungsfrist eingetretene Beendigung des Mietverhältnisses (§ 542 BGB). Zwar kann die durch eine wirksam erklärte Kündigung bewirkte Umgestaltung des Mietverhältnisses grundsätzlich durch ein rechtsgeschäftliches Zusammenwirken der Parteien - nicht einseitig - rückgängig gemacht werden (…). Ein solcher Wille muss sich jedoch aus dem Räumungsvergleich mit hinreichender Klarheit entnehmen lassen. [20] Dies ist vorliegend nicht der Fall. (…) Folglich hat B weder eine vertragliche noch eine nachvertragliche Treuepflicht verletzt. III. Kausaler, ersatzfähiger Schaden Als weitere Frage wurde aufgeworfen, ob die Maklerkosten hier als Kündigungsfolgeschaden ersatzfähig waren. Dies kann auch dann, wenn eine Pflichtverletzung vorgelegen hätte, nur bejaht werden, wenn zwischen dem eingetretenen Schaden, hier den aufgewendeten Maklerkosten, und der Pflichtverletzung ein adäquater Kausalzusammenhang bestanden und der Schaden aus dem Gefahrenabwehrbereich der verletzten Pflicht gestammt hätte (Schutzzweckzusammenhang). Letzteres erscheint zweifelhaft angesichts der Tatsache, dass K keine Maklerkosten zwecks Anmietung einer anderen Wohnung aufgewendet hat, sondern für den Erwerb einer Eigentumswohnung. [26] In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es anerkannt, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. (…) Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist (…). Die Schadensersatzpflicht hängt zum einen davon ab, ob die verletzte Bestimmung überhaupt den Schutz Einzelner bezweckt und der Verletzte gegebenenfalls zu dem geschützten Personenkreis gehört. Zum anderen muss geprüft werden, ob die Bestimmung das verletzte Rechtsgut schützen soll. Darüber hinaus muss die Norm den Schutz des Rechtsguts gerade gegen die vorliegende Schädigungsart bezwecken; die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung beziehungsweise - wie vorliegend - der geltend gemachte Schaden müssen also auch nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen. Der Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein “äußerlicher”, gleichsam “zufälliger” Zusammenhang genügt nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (…). Jura Intensiv Lehre vom Schutzzweck der Norm: Der Schaden muss aus dem Gefahrenabwehrbereich der verletzten Pflicht stammen. • Bezweckt die Bestimmung den Schutz Einzelner? • Gehört das Opfer zu diesem Personenkreis? • Soll die Norm (Vertragspflicht oder Gesetz) gerade diese Schäden verhüten? • Besteht ein innerer Zusammenhang zwischen der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage und dem Schaden? [27] Bei der Verletzung vertraglicher (…) ist maßgebend (…) die vertragliche Interessenlage der Parteien und der damit korrespondierende Vertragszweck. Denn in gleicher Weise, wie der Vertragszweck Entstehen, Entwicklung und Untergang der primären Pflichten festlegt, werden © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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