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RA Digital - 02/2021

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74 Referendarteil:

74 Referendarteil: Zivilrecht RA 02/2021 Urteilsstil ((…), denn (…)) Dies wird in der Originalentscheidung lediglich kurz behandelt. In einer Examensklausur sollten Sie aber sorgfältig in die Prüfung einsteigen und damit Ihrem Prüfer dieses Standardwissen souverän präsentieren. Das Mietverhältnis erlischt nicht mit dem Tod des Mieters/Vermieters, arg. ex § 580 BGB. 1. Problem: Feststellung, dass die §§ 987 ff. BGB auf das Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer (Vermieter) und Untermieter anwendbar sind. BGH, Urteil vom 14.03.2014, V ZR 218/13 BGH, Urteil vom 19.09.2003, V ZR 360/02 BGH, Urteil vom 31.01.2001, XII ZR 221/98 Zwischenfazit: EBV liegt vor. 2. Problem: Verzugsvoraussetzungen In der Originalentscheidung werden die Einwände gegen den Anspruch mehr oder weniger kontextlos „abgearbeitet“. Hier erfolgt eine rechtssystematische Einordnung mittels Obersätze zu den einzelnen Fragen. Zum grundsätzlichen Verzugseintritt erfolgen in der Originalentscheidung keine Angaben. In einer Klausur müssen Sie dies selbstverständlich darstellen. BGH, Urteil vom 29.04.1987, VIII ZR 258/86 BGH, Urteil vom 27.06.1953, VI ZR 235/52 Letzten Endes hatte B mehr als 7 qm in Besitz, da er ja zumindest in der Wohnung den Eingang nebst Flur zum Zugang „seiner“ Kammer benötigte. Er hatte also ebenfalls Mitbesitz an erforderlichen Durchgangsräumen und ggf. WC-Anlagen. Hierauf kommt es nicht an, es liest sich aber unschön, wenn das Gericht sich explizit nur auf die Kammer bezieht. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig und begründet. K steht ein Anspruch auf Ersatz des durch die Vorenthaltung der gesamten Wohnung entstandenen Schadens aus § 990 II BGB i.V.m. §§ 280 I, II, 286, 249, 252 BGB zu. Die gemäß §§ 990, 985, 986 BGB erforderliche Vindikationslage besteht, da K Eigentümer und B Besitzer ohne Recht zum Besitz ist. Ursprünglich war B Besitzer bezüglich der 7 qm großen Kammer. Sein Besitzrecht bestand aufgrund des Untermietvertrages vom (…) gemäß § 535 BGB i.V.m § 540 BGB. Das Recht zum Besitz endete mit Beendigung des Hauptmietverhältnisses, da hierdurch das Untermietverhältnis ebenfalls erlischt, arg. ex. § 540 II BGB. [6] Die Vorschriften der §§ 987 ff. BGB finden auf den Besitzer, dessen ursprüngliches Besitzrecht entfallen ist, und damit auch auf den infolge des Wegfalls des Hauptmietvertrags nicht mehr zum Besitz berechtigten Untermieter Anwendung (BGH (…)). Der zur Herausgabe verpflichtete Besitzer haftet im Fall des Verzugs gemäß § 990 Abs. 2 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB (auch) auf Ersatz des durch die Verzögerung der Herausgabe entstehenden Schadens, wenn er bei Erwerb des Besitzes bösgläubig war oder von dem Mangel im Besitzrecht später erfahren hat (BGH (…)). Die zweite Voraussetzung liegt vor. Unerheblich ist, ob die beklagtenseitig behauptete Zustimmung des K zur Untervermietung tatsächlich bestand, da das Besitzrecht mit Beendigung des Hauptmietverhältnisses erlosch. Ebenfalls kann es dahinstehen, ob gegenüber dem B separat die Räumung verlangt werden musste, da dies unstreitig mit Schreiben des K vom 29.12.2014 erfolgte und B – ebenfalls unstreitig – vom Mangel im Besitzrecht positive Kenntnis hatte. Gemäß § 990 II BGB – als Rechtsgrundverweis – müssen die weiteren Verzugsvoraussetzungen gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB vorliegen. Dies ist hier gegeben. B befindet sich im Verzug. Einer grundsätzlich gemäß §§ 280 I, II, 286 I 1 BGB erforderlichen Mahnung bedurfte es nicht, da aufgrund des Räumungsverlangens vom 29.12.2014 eine solche gemäß § 286 II Nr. 1 BGB entbehrlich ist. Jura Intensiv Hieran ändert auch die gerichtlich gewährte Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO nichts. [8] Die dem Beklagten gewährte Räumungsfrist nach § 721 ZPO ändert daran nichts, denn sie ist verfahrensrechtlicher Natur und hat - anders als kraft der Sonderregelung des § 571 Abs. 2 BGB für Wohnraum (…) - keine materielle Bedeutung (vgl. BGH, (…)). Sie beseitigte den Verzug des Beklagten mit der Herausgabe nicht (BGH (…)). Unerheblich ist ferner, dass B nur die Kammer in Besitz hatte und nicht die gesamte an den Hauptmieter vermietete Wohnung. [9] Der Beklagte ist zwar durch das gegen ihn ergangene Räumungsurteil nicht daran gehindert, einen Besitz an sämtlichen Räumen in Abrede zu stellen. Durch die Rechtskraft des Räumungsurteils steht nämlich nicht fest, in welchem Umfang er Besitz an den herauszugebenden Räumen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2014, V ZR 218/13). Darauf kommt es für den Schadensersatzanspruch nach § 990 Abs. 2 BGB - anders als bei Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2021 Referendarteil: Zivilrecht 75 der Herausgabe von Nutzungen (§§ 987, 990 Abs. 1 BGB) - aber nicht an. Gibt ein unmittelbarer Besitzer eines Raums einer Wohnung diesen nicht heraus und ist es dem Eigentümer nicht zumutbar, nur Teile der Wohnung zu vermieten, so setzt der unmittelbare Besitzer des Raums die Ursache dafür, dass die gesamte Wohnung nicht vermietet werden kann und daher ein entsprechender Mietausfallschaden entsteht (BGH (…)). So ist es auch hier, weil davon auszugehen ist, dass der Vermieter die Wohnung im Regelfall nur als Einheit weitervermieten kann und Anhaltspunkte dafür, dass es dem Erblasser ausnahmsweise möglich und zumutbar war, die Wohnung in Teilen zurückzunehmen und zum Teil weiterzuvermieten, nicht bestehen. Weder direkt noch analog ergibt sich aus § 571 II BGB eine Einschränkung des Anspruches des K. Eine direkte Anwendung scheidet aus, da § 571 II BGB zwischen Anspruchssteller und -gegner ein Mietverhältnis voraussetzt. [12] (…) Die Vorschrift des § 571 Abs. 2 BGB gilt unmittelbar aber nur im Verhältnis zwischen Eigentümer und Mieter, da sie systematisch an die Regelung des § 546a BGB anknüpft und wie diese das Bestehen eines (beendeten) Mietverhältnisses voraussetzt. (…) Dieses besteht aber zwischen den Parteien nicht. Eine analoge Anwendung scheitert an einer vergleichbaren Interessenslage. [16] Der Zweck des § 571 Abs. 2 BGB spricht allerdings für eine analoge Anwendung der Vorschrift auf den Untermieter von Wohnraum, dem eine Räumungsfrist gewährt worden ist. Er ist darin zu sehen, dass der Wohnraummieter sich nicht aus Sorge vor Schadensersatzansprüchen des Vermieters davon abhalten lassen soll, eine Räumungsfrist zu beantragen und zu nutzen (…). Daher begrenzt § 571 Abs. 2 BGB die Haftung des Mieters, dem eine Räumungsfrist gewährt worden ist, auf die vereinbarte bzw. ortsübliche Miete (vgl. § 546 Abs. 1 BGB); für weitere Schäden (vgl. § 546 Abs. 2 BGB) haftet er dagegen nicht (…). Der Untermieter von Wohnraum, dem eine Räumungsfrist nach § 721 oder § 794a ZPO gewährt worden ist, befindet sich in einer vergleichbaren Situation. Müsste er bei Ausnutzung der Räumungsfrist unbegrenzte Schadensersatzansprüche des Eigentümers wegen Verzuges (§ 990 Abs. 2 BGB) gewärtigen, hätte dies entweder zur Folge, dass er, obwohl darauf angewiesen, keinen Räumungsschutz in Anspruch nimmt, oder dass er nach Nutzung der Räumungsfrist unter Umständen erheblichen Schadensersatzansprüchen des Eigentümers ausgesetzt ist. Beides soll durch die Regelung des § 571 Abs. 2 BGB bei einem (früheren) Mieter verhindert werden. [17] Für den Vermieter wäre es jedoch unzumutbar, wenn die dem in der Wohnung verbliebenen Untermieter gewährte Räumungsfrist dazu führte, dass er trotz Vorenthaltung der gesamten Wohnung (…) eine Nutzungsentschädigung nur in Höhe des Untermietzinses bzw. der ortsüblichen Miete für die untervermieteten Teile der Wohnung erhielte. Er stünde dann schlechter als im Verhältnis zum Hauptmieter, der nach § 546a Abs. 1 BGB während der Räumungsfrist die Nutzungsentschädigung in voller Höhe schuldet. Jura Intensiv Dies ist ein wichtiger Punkt im Urteil und mittelbar für Sie die Erklärung, wieso der Anspruch sich nicht aus §§ 990 I, 989 BGB ergibt. Hierzu mehr im Fazit. BGH, Urteil vom 14.03.2014, V ZR 218/13 Lebensnah und praxisgerecht. Es kann typischerweise nicht davon ausgegangen werden, einen Mieter für teilweise vermietete Wohn(!)- Räume zu finden. 3. Problem: Anwendungsbereich des § 571 II BGB Voraussetzung für eine analoge Anwendung einer Norm: Planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenlage. Für eine analoge Anwendung spricht, dass der Untermieter ebenfalls dahingehend schutzwürdig ist, dass er nicht faktisch – aufgrund von Ansprüchen gegen ihn – gezwungen wird, auf eine Frist zur Räumung zu verzichten. Daher soll die Begrenzung von Ansprüchen seitens des Vermieters auch ihm als Untermieter gegenüber gelten. Aber für den Vermieter würde diese Ansicht zu dem Ergebnis führen, dass er – der Vermieter – gegenüber dem Hauptmieter bessergestellt wäre als gegenüber dem Untermieter. Gegenüber dem Hauptmieter könnte er die volle Kaltmiete verlangen, während er gegen den Untermieter ansonsten nur Ansprüche bzgl. eines geringen Mietanteils – abhängig von der untervermieteten Fläche – geltend machen könnte. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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