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RA Digital - 02/2021

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

80 Referendarteil:

80 Referendarteil: Zivilrecht RA 02/2021 auszugehen ist, dass die UniCredit Bank AG die Ausführung der Überweisung hinsichtlich des streitgegenständlichen Aufladungsbetrages mangels Deckung des Kontos des Beklagten verweigerte. Es ist kein Fehler, jede Quote auszurechnen. In einer Klausur bietet sich natürlich die Lösung über § 92 II Nr. 1 ZPO an. Aus Rechtsgründen spricht aber nichts gegen eine Quote von 1 % zu 99 %. Den Inhalt zu 110 ZPO können Sie einfach so hinnehmen. Wahrscheinlich wird in einer Klausur hierzu nichts von Ihnen erwartet. Der Glücksspielstaatsvertrag ist nicht unmittelbar anwendbar (sog. self-executing), vgl. § 28 Satz 1 GlüStV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 92 II Nr. 1, 709 Satz 1 und 2 ZPO. [20] Die Leistung einer Prozesskostensicherheit durch die Klägerin gemäß § 110 Abs. 1 ZPO war auf Antrag der Beklagten nicht anzuordnen, weil trotz Ausscheidens des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union am 31.1.2020 aufgrund des noch bis zum 31.12.2020 geltenden Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der europäischen Atomgemeinschaft keine veränderten Vertragsgrundlagen vorliegen. FAZIT Das Bewusstsein für eine Eigenverantwortlichkeit für Handlungen im verbindlichen Rechtsverkehr ist auch bei Erwachsenen teilweise in einem erstaunlich umfangreichen Maße nicht vorhanden. Fassen wir den Fall einmal lebensnah kurz zusammen: B möchte im Ausland Glücksspiel betreiben. B weiß, dass dies in Deutschland nicht erlaubt ist. Daher eröffnet er extra bei einer ausländischen Bank ein Konto. Nach mehreren Überweisungsvorgängen bemerkt B, dass das heimische Kreditinstitut zum Überweisen an die ausländische Bank länger braucht, als diese zum Gutschreiben des Betrages. B hat folglich ein Zeitfenster, um Geldbeträge „platzender“ Überweisungen wiederum auszugeben. Nachdem K – die ausländische Bank – nunmehr den Ausgleich von B begehrt, wird argumentiert, dass K die Überweisungen an die Glücksspielbetreiber nicht hätte ausführen dürfen, K aufsichtsrechtliche Einverständniserklärungen nicht eingeholt habe und sich organschaftlich verantwortliche Personen seitens K sogar strafbar gemacht haben. Welch eine Ironie, bedenkt man, dass das Anlegen einer „roten Akte“ sich doch eher für B anbietet. Jura Intensiv Neben diesem Statement zum Thema „Schuld haben immer die Anderen“ beachten Sie bezüglich des Falls rechtlich bitte, dass der Glücksspielstaatsvertrag ein Ländervertrag ist. Die Umsetzung solcher Verträge erfolgt durch das jeweilige Landesrecht. Existieren Verbotsnormen im Vertrag, müssen diese auch in Landesrecht umgesetzt werden. Das Amtsgericht bezieht sich hier auf § 4 des Staatsvertrages im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Es liegt nahe, dass die zutreffende Norm diejenige sein müsste, welche sich aufgrund des Transformationsaktes aus § 4 GlüStV im einschlägigen Landesrecht ergibt. Im Ergebnis dürfte dies aber nur eine Scheinproblematik und lediglich von rechtssystematischer Bedeutung sein. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2021 NEBENGEBIETE Nebengebiete 81 Gesellschaftsrecht Problem: Nachhaftung des ausgeschiedenen GbR-Gesellschafters Einordnung: § 736 II BGB, § 160 I 1 HGB BGH, Urteil vom 03.07.2020 V ZR 250/19 EINLEITUNG Die Einkleidung des Falles (WEG) soll nicht den Blick auf die sehr examensrelevanten Fragen verstellen, welche der BGH in der vorliegenden Entscheidung behandelt. Zunächst vorab: Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist rechts- und parteifähig (§ 10 VI WEG). Sie ist Gläubigerin der von den Wohnungseigentümern im Wirtschaftsplan bzw. in der Jahresabrechnung wirksam beschlossenen Vorschüsse bzw. Kostenbeiträge. Schuldner dieser Beiträge sind nach dem Verhältnis ihrer Anteile die einzelnen Wohnungseigentümer; dies kann auch eine rechtsfähige Außen-GbR sein. SACHVERHALT Die Kl. ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Eine der Miteigentümerinnen ist eine GbR. Diese bestand ursprünglich – mit dem Bekl. – aus drei Gesellschaftern. 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bekl. eröffnet, es endete 2009. Nach dem Gesellschaftsvertrag der GbR führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ein Gesellschaftervermögen zum Ausscheiden dieses Gesellschafters aus der GbR. Erst 2017 wurde in das Grundbuch eingetragen, dass der Gesellschaftsanteil des ausgeschiedenen Bekl. seinen Mitgesellschaftern in der GbR angewachsen ist. Eine entsprechende Mitteilung an die Wohnungseigentümergemeinschaft ist vor 2017 nicht erfolgt. In den Jahren 2013–2015 beschlossen die Wohnungseigentümer Hausgeldzahlungen und zu deckende Abrechnungsspitzen, wovon ca. 10.000 € auf die GbR entfielen. Die Kl. verlangt vom Bekl. die Zahlung dieser Summe. Jura Intensiv LÖSUNG Nach § 736 II BGB, § 160 I 1 HGB haftet ein Gesellschafter, der aus der Gesellschaft ausscheidet, für ihre bis dahin begründeten Verbindlichkeiten (sog. Altverbindlichkeiten), wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig und daraus Ansprüche gegen ihn in einer in § 197 I Nrn. 3–5 BGB bezeichneten Art festgestellt sind oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird. 1. Rechtsfrage: Sind die beschlossenen Leistungspflichten der GbR Gesellschafts-Altverbindlichkeiten des 2002 ausgeschiedenen bekl. Gesellschafters? Hierbei ist problematisch, dass die Beschlüsse der Wohnungseigentümer erst nach dem Ausscheiden des Bekl. aus der GbR gefasst wurden. Hierzu der BGH. [13] Ob eine Forderung eine ‚bis dahin begründete Verbindlichkeit‘ iSv § 160 I 1 HGB darstellt, hängt weder von dem Zeitpunkt ihres Entstehens LEITSATZ Die Nachhaftung des Gesellschafters einer GbR, die zum Zeitpunkt seines Ausscheidens Wohnungseigentümerin ist, erstreckt sich auf Beitragspflichten, die auf nach seinem Ausscheiden von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlüssen beruhen; auch insoweit handelt es sich um Altverbindlichkeiten i.S.v. § 160 I 1 HGB. Hätte nicht der Gesellschaftsvertrag durch eine sog. Fortsetzungsklausel das Ausscheiden des Bekl. angeordnet, so hätte dieser Vorfall die GbR nach § 728 I BGB aufgelöst, und dem persönlich haftenden Bekl. wäre vielleicht die Sonderverjährung nach § 159 HGB zu Gute gekommen. Aber auf Grund der Fortsetzungsklausel war der Bekl. nach § 736 I BGB mit der Insolvenzverfahrenseröffnung ausgeschieden. Die GbR bestand ohne den Bekl. fort und es konnte nur noch um seine „Nachhaftung“ als ausgeschiedener GbR-Gesellschafter gehen. Der BGH stellt also nicht darauf ab, dass erst die nach dem Ausscheiden des Bekl. aus der GbR erfolgten Wohnungseigentümerbeschlüsse die Klagbarkeit der Forderungen möglich gemacht haben, sondern darauf, ob der Rechtsgrund für die Beitragspflicht eines Wohnungseigentümers bereits mit dem Erwerb des Wohnungseigentums gelegt wird, denn dann ist die Verbindlichkeit i.S.v. § 160 I 1 HGB schon „begründet“. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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