64 Zivilrecht RA 02/2022 Der Besichtigungstermin erzeugte keinen Anstoß zum Vertragsschluss, denn die K kannten als Nachbarn die Wohnung. Maklerleistung zu sehen, wenn den Klägern die Wohnung vorher noch nicht bekannt war. Denn nur in diesem Fall wäre - wenn überhaupt - davon auszugehen, dass die durch die Besichtigung vermittelten Erkenntnisse über die Wohnung den Erwerb angestoßen haben. Vorliegend war den K die Wohnung aber bereits hinlänglich bekannt. Folglich bestand kein Maklerprovisionsanspruch gem. § 652 I BGB, weshalb die Zahlung an die B ohne rechtlichen Grund erfolgt ist. IV. Kein Ausschluss des Anspruchs gem. § 814 BGB Der Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB wäre gem. § 814 ausgeschlossen, wenn die K in Kenntnis der Nichtschuld geleistet hätten und die Formulierung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ keine Konsequenzen hätte. Aus anwaltlicher Sicht muss man allen Mandanten dringend raten, anstatt „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ lieber „unter Vorbehalt der Rückforderung“ zu schreiben, wenn sie die Wirkung des § 814 BGB ausschließen wollen. In seinem Urteil vom 20.09.1983, Az. 3 U 1636/82 sah das OLG Koblenz in der Formulierung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ nämlich keinen die Rückforderung rechtfertigenden Vorbehalt, weil in der Nichtanerkennung einer Forderung nicht unbedingt die Ankündigung einer möglichen Rückforderung enthalten sei. [51] Zunächst leisteten die Kläger nicht in Kenntnis der Nichtschuld. Denn diese setzt voraus, dass der Leistende im Zeitpunkt der Leistung wusste, dass er nichts schuldet; ein “Kennen müssen” genügt nicht, selbst wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. Auch bloße Zweifel am Bestehen der Nichtschuld stehen der positiven Kenntnis nicht gleich (…). Hier haben die Kläger nicht in Kenntnis der Nichtschuld gezahlt. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Schreiben der Kläger vom 16.08.2018 (…). In diesem Schreiben hatten die Kläger diverse Einwendungen gegen den geltend gemachten Provisionsanspruch erhoben und erklärt, dass aus ihrer Sicht “mehr als fraglich” sei, ob überhaupt ein Anspruch entstanden sei. Gleichzeitig boten sie der Beklagten zur Vermeidung eines Rechtsstreits und ohne Anerkennung einer entsprechenden Rechtspflicht an, die Hälfte des Rechnungsbetrages zu überweisen. Durch dieses Schreiben wird deutlich, dass die Kläger sich zwar selbst im Recht wähnten, keinem Provisionsanspruch ausgesetzt zu sein, doch selbst Zweifel daran hatten, ob dies denn tatsächlich so sei. [52] Ferner ist hier die Anwendung des § 814 BGB ausgeschlossen, da die Beklagte als Empfängerin nicht darauf vertrauen durfte, das Empfangene behalten zu dürfen. Dies gilt insbesondere, wenn eine Leistung unter Vorbehalt erbracht worden ist (…) [53] Hier haben die Kläger die Leistung unter Vorbehalt erbracht, indem sie im Verwendungszweck der Überweisung den Hinweis “ohne Anerkennung einer Rechtspflicht” aufgenommen haben (…). Diese Formulierung genügt den Anforderungen an einen Vorbehalt. Schließlich kommt dadurch - zumindest bei der Verwendung durch einen Verbraucher - hinreichend zum Ausdruck, dass die geleistete Zahlung nicht als verpflichtend angesehen wird und man sich die Rückforderung vorbehält. Jura Intensiv Folglich ist der Rückzahlungsanspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen. ERGEBNIS K kann von B die Rückzahlung der geleisteten 11.602,50 € aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB verlangen. FAZIT Die anwaltliche Vorsicht gebietet es, Mandanten zur nicht umstrittenen Formulierung „unter Vorbehalt der Rückforderung“ zu raten, wenn sie die Wirkung des § 814 BGB ausschließen wollen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 02/2022 Zivilrecht 65 Problem: Schadensersatz wegen unwirtschaftlicher Betriebsführung Einordnung: Werkvertragsrecht OLG Köln, Urteil vom 16.12.2021 7 U 12/20 EINLEITUNG Auch nachdem beinahe 20 Jahre seit der Reform des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit vergangen sind, sind noch nicht alle Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt. Das OLG Köln grenzt sich in der vorliegenden Entscheidung deutlich vom Urteil des OLG Frankfurts vom 24.05.2017, 4 U 269/15, ab. SACHVERHALT Die K nahm am 26.07.2017 schriftlich das schriftlich übersandte Angebot der B auf Abschluss eines Werkvertrages zur Abdichtung der Kellerwand des Hauses der K zu einem Preis von 8.208,62 € brutto an. B verfügte im Zeitpunkt der Werkleistung nicht über einen Meister und war nicht in die Handwerksrolle eingetragen, wovon K keine Kenntnis hatte. Vor dem Vertragsschluss hatte ein Mitarbeiter der B das Haus der K betreten und Aufmaß genommen. K leistete eine Anzahlung in Höhe von 2.000 €. Nach Durchführung der Werkleistung stellte die B ihre Leistung mit Rechnung vom 17.08.2018 zu einem Betrag von 6.000 € in Rechnung. Auch diesen Betrag bezahlte K. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass es allein einer wirtschaftlichen Auftragsführung entsprochen hätte, wenn B nur 60,7 Stunden á 35,00 € + 425,00 € (Kosten) + 515,00 € (Kosten) + 338,00 € (Teilauffüllung mit Flusskies) + 370,00 € (Entsorgung der Resterde) + 29,38 € Deponiekosten, also insgesamt 3.801,88 € netto, entsprechend 4.524,24 € brutto abgerechnet hätte, während sie tatsächlich aufgrund einer überhöhten Arbeitsstundenzahl 8.000 € berechnet hat. K ist der Meinung, der Werkvertrag sei wegen Verstoßes gegen den Meisterzwang gem. § 134 BGB nichtig. Ferner habe sie den Werkvertrag widerrufen. Wegen der Unwirtschaftlichkeit stehe ihr ein Schadensersatzanspruch zu, der sich zu einem Rückforderungsanspruch in Höhe von 3.475,76 € addiere (8.000 € abzüglich 4.524,24 €). Zu Recht? Jura Intensiv LEITSÄTZE 1. Zu den erforderlichen Darlegungen des Bestellers bei Behauptung überhöhter Stundenlohnabrechnungen durch den Unternehmer (Einwand der unwirtschaftlichen Betriebsführung). 2. Zur Wirksamkeit eines Werkvertrages (hier: Abdichtungsarbeiten), wenn dem Meisterzwang unterliegende Arbeiten ohne Vorliegen des Meistertitels vorgenommen werden bzw. ohne Eintragung in die Handwerksrolle und der Beurteilung anhand des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit. 3. Zum Widerruf eines Werkvertrages (hier: Abdichtungsarbeiten) nach § 312g BGB. Den Sachverhalt muss man sich aus der knappen Darstellung des Tatbestandes im Urteil des LG Köln vom 17.12.2019, 4 O 77/19 sowie aus den Entscheidungsgründen dieses Berufungsurteils kombinieren. Die dargelegten Zahlen entstammen den Feststellungen des OLG Köln nach Würdigung des Sachverständigengutachtens und sind als wahr zu unterstellen. LÖSUNG A. Anspruch der K gegen B auf Zahlung von Schadensersatz gem. §§ 280 I, 241 II BGB in Höhe von 3.475,76 € K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.475,76 € aus §§ 280 I, 241 II BGB haben. I. Schuldverhältnis Ein Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB erfordert ein Schuldverhältnis. Ein solches könnte der am 26.07.2017 geschlossene Werkvertrag sein. 1. Keine Nichtigkeit des Werkvertrages Fraglich ist, ob der Werkvertrag gem. § 134 BGB i.V.m. § 1 II Nr. 5 SchwarzArbG nichtig ist. Problematisch ist nämlich, dass der Handwerksbetrieb dem Meisterzwang unterliegt und kein Meister in der Handwerksrolle eingetragen ist. Das Ausgangsgericht, LG Köln, 4 O 77/19, hatte sich nur mit der Frage der Nichtigkeit des Vertrages befasst und sich mit der Frage der Unwirtschaftlichkeit nicht auseinandergesetzt. Aus diesem Grunde findet man dort nur § 812 BGB als Anspruchsgrundlage. Wir folgen hier dem gelehrten Aufbau, indem wir mit vertraglichen Ansprüchen beginnen und innerhalb des ersten vertraglichen Anspruchs die Wirksamkeit des Vertrages überprüfen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
RA 02/2022 Referendarteil: Strafrec
§ 23 Beschränkungen, Verbot, Aufl
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