74 Referendarteil: Zivilrecht RA 02/2022 B vertritt die Rechtsauffassung, K sei zur Geltendmachung der Forderung nicht berechtigt, da die Aktivlegitimation bei der WEG läge; zudem handele es sich bei den gegenständlichen Maßnahmen um zustimmungsfreie Instandhaltungsmaßnahmen. Wir möchten die BGH-Entscheidung komplett darstellen. Daher erfolgen ausnahmsweise bei einer begründeten Klage auch Ausführungen zu einem nicht erfolgreich geltend gemachten Anspruch. Hauptproblem der Entscheidung: Prüfung, ob der einzelne Wohnungseigentümer einen Beseitigungsanspruch hinsichtlich einer Beeinträchtigung seines Sondernutzungsrechts am Gemeinschaftseigentum selbst geltend machen darf oder ob dies der rechtsfähigen WEG, §§ 9a I 1, II WEG (lesen!), vorbehalten ist. Vor der Novelle des WEG bestand diese Aktivlegitimation gemäß st. Rspr., BGH, Urteil vom 18.11.2016, V ZR 49/16; BGH, Beschluss vom 26.11.2020, V ZB 151/19 Meiner Meinung nach ergibt sich aus der Formulierung nicht, ob es für die Beurteilung wichtig ist, dass das Sondernutzungsrecht im Grundbuch eingetragen ist. Dies müsste unerheblich sein. Anknüpfungspunkt für die Aktivlegitimation ist hier die Zuordnung der Rechtsbeeinträchtigung zum Rechtsinhaber. Die Eintragung im Grundbuch ändert hieran nichts, sondern wirkt aufgrund der hiermit verbundenen Publizität lediglich unmittelbar für und gegen Rechtsnachfolger. § 1004 BGB ist tatbestandlich hinsichtlich des Sondernutzungsrechts der K nicht erfüllt. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Klage ist zulässig und begründet. Der K steht ein Anspruch aus § 1004 BGB aufgrund behaupteter Verletzung ihres Sondernutzungsrechtes nicht zu. Die K ist grundsätzlich bezüglich des Anspruchs auf Beseitigung von Beeinträchtigungen des Sondernutzungsrechts, hier an dem der Stellplätze gemäß § 1004 I BGB, prozessführungsbefugt. Dem steht § 9a II Alt. 1 WEG nicht entgegen. [8] Die alleinige Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gemäß § 9 Abs. 2 WEG bezieht sich auf die Abwehr von Störungen des Gemeinschaftseigentums. Ein Wohnungseigentümer kann deshalb (…) nach der zum 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche gemäß § 1004 BGB und § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG, die auf die Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich des Sondereigentums gerichtet sind, weiterhin auch dann selbst geltend machen, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist. Gleiches gilt für Störungen, die sich nicht auf das Sondereigentumsrecht, sondern auf das Sondernutzungsrecht beziehen. Dies galt bereits vor der Reform des WEG. [10] Nach der bis zum 30. November 2020 geltenden Rechtslage konnte der Inhaber eines im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechts im Rahmen von dessen Zuweisungsgehalt (…) Störungen durch andere Wohnungseigentümer und Dritte gemäß § 1004 Abs. 1 BGB selbst abwehren (…). Jura Intensiv Die Novellierung des WEG hat diesen rechtlichen Aspekt nicht berührt. Insbesondere ergibt sich keine abweichende Beurteilung aufgrund von § 9a II WEG. Es bleibt dabei, dass Ansprüche, die ein eingetragenes Sondernutzungsrecht betreffen, keine Rechte sind, die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergeben. [11] (…) Nach der zum 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes kann ein Wohnungseigentümer Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gemäß § 1004 BGB, die auf die Abwehr von Störungen seines im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechts gerichtet sind, deshalb weiterhin selbst geltend machen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1004 BGB sind hier jedoch in Bezug auf das Sondernutzungsrecht nicht erfüllt. Das Sondernutzungsrecht der K an dem Stellplatz ist nicht beeinträchtigt. Infolge der Errichtung der Mauer- und Toranlage ist lediglich das Rangieren mit Fahrzeugen auf der vor dem Stellplatz gelegenen Fläche, nicht aber der Zugang zu dem Stellplatz selbst erschwert. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 02/2022 Referendarteil: Zivilrecht 75 Der K steht aber ein Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 BGB aufgrund der Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums gegen B zu. Die K hat die Prozessführungsbefugnis für den sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Anspruch aus § 1004 BGB mit Inkrafttreten der Neuregelung des § 9a II WEG am 01.12.2020 nicht verloren. [14] Nach § 9a Abs. 2 WEG übt zwar die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte aus. Damit ist nunmehr allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes prozessführungsbefugt. [15] Für die bereits vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht anhängigen Verfahren besteht (…) die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers, der sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte geltend macht, über diesen Zeitpunkt hinaus in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG aber fort, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wird. Beurteilungsgrundlage für das Vorliegen eines entgegenstehenden Willens der Gemeinschaft ist die - im Außenverhältnis maßgebliche - Äußerung ihres nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs. Auf die Wirksamkeit der Entscheidungsbildung der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis, insbesondere die Wirksamkeit eines dazu gefassten Beschlusses, kommt es dagegen nicht an (BGH (…)). Diese Grundsätze gelten für alle Wohnungseigentümergemeinschaften, auch für die verwalterlose Zweiergemeinschaft. K ist prozessführungsbefugt. Ein entgegenstehender Wille ist dem Gericht nicht in Form schriftlicher Äußerung durch das zuständige zur Vertretung der WEG berechtigte Organ zugegangen. Die WEG wird vertreten durch den Verwalter, § 9b I 1 WEG, oder gemeinschaftlich durch alle Wohnungseigentümer, falls kein Verwalter bestellt ist, § 9b I 2 WEG. Ein Verwalter ist nicht bestellt, die WEG als Träger von eigenen Rechten und Pflichten hat keine Erklärung abgegeben. Jura Intensiv Die Voraussetzungen des § 1004 BGB sind erfüllt. Insbesondere ist die K nicht zur Duldung verpflichtet, § 1004 II BGB. Bei der Errichtung einer Mauer samt Fundament sowie Errichtung eines Tores in der Mauer handelt es sich um eine bauliche Veränderung. 1. Instanz: AG Büdingen, Urteil vom 25.02.2020, 2 C 398/19 [22] Bauliche Veränderung (…) ist jede Umgestaltung des Gemeinschaftseigentums, die vom Aufteilungsplan oder früherem Zustand des Gebäudes nach Fertigstellung abweicht und über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgeht. Dies setzt eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums voraus, die auf Veränderung des vorhandenen Zustandes gerichtet ist und zwar dadurch, dass Gebäudeteile verändert, Einrichtungen oder Anlagen neu geschaffen oder geändert werden. [26] Darüber hinaus wird das Erscheinungsbild der neuen Gesamtanlage aus Mauer, Zaun und Tor entscheidend durch die beklagtenseits als „Fundament“ bezeichnete Mauer geprägt, die im Bereich des Tores eine Höhe Problem: Gesetzesänderung im laufenden Verfahren Feststellung des BGH, dass in der aktuellen Fassung des WEG der einzelne Wohnungseigentümer für Ansprüche hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums nicht mehr aktivlegitimiert ist. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Gesetz, § 9a II WEG. Feststellung des BGH, dass die Klägerin nicht aufgrund im Verfahren erfolgende Gesetzesänderungen ihre Aktivlegitimation (und damit dem Prozess) verliert. Dies gilt aber nicht, wenn das nach der Novelle nunmehr eigentlich zuständige Organ, hier der WEG-Verwalter oder die WEG, einen dem Wohnungseigentümer entgegenstehenden Willen dem Gericht zum Ausdruck bringt. Das nach der Novelle zuständige Organ kann den Rechtsstreit damit faktisch an sich heranziehen. BGH, Urteil vom 07.05.2021, V ZR 299/19 Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Daher ist die K weiterhin klagebefugt. Nunmehr die Prüfung, ob § 1004 BGB hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums – nicht hinsichtlich des Sondernutzungsrechtes – tatbestandlich erfüllt ist Feststellung, dass es sich bei den Maßnahmen des B um bauliche Maßnahmen im Sinne des WEG handelt © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
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