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RA Digital - 02/2022

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76 Referendarteil:

76 Referendarteil: Zivilrecht RA 02/2022 von (anhand der Bilder geschätzt) fast einem Meter erreicht. Es weicht hierdurch erheblich von dem vor längerer Zeit bestehenden Ausgangszustand mit Rankgittern wie auch von dem späteren Zustand mit Grünpflanzen und einem in Florwallsteinen eingefassten Tor (…) ab. Die Maßnahmen des Beklagten stellen eine bauliche Veränderung dar, welche nicht ohne Mitwirkung der WEG, bzw. anderer betroffener Wohnungseigentümer rechtmäßig ist. Beachte, dass erstinstanzlich streitwertunabhängig das Amtsgericht zuständig ist, § 23 Nr. 2 lit. c) GVG i. V. m. § 43 II Nr. 1 WEG. Losgelöst davon, ob Sie sich nur am Rande mit dem WEG beschäftigen oder vermehrt mit dem Gesetz konfrontiert sind, sollten Sie aufgrund der erheblich in die Systematik des WEG eingreifenden Novelle zumindest die hier relevanten Normen parallel sorgfältig mitlesen. Diese sind eigenmächtig grundsätzlich unzulässig. Diese bedürfen nach alter Rechtslage, § 22 I 1 WEG a. F., eines Beschlusses der WEG sowie ggf. der Zustimmung von betroffenen Wohnungseigentümern. Nach aktueller Rechtslage, § 20 I WEG, sind bauliche Veränderungen ebenfalls, mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Privilegierungen gemäß § 20 II WEG, beschlussbedürftig. Auf Übergangsbestimmungen kommt es folglich nicht an. Ein entsprechender Beschluss liegt nicht vor. 1. Instanz: AG Büdingen, Urteil vom 25.02.2020, 2 C 398/19 [32] (…). Ein solcher Beschluss wird auch nicht dadurch ersetzt, dass die Klägerin die Baumaßnahme bei Ausführung hingenommen hat, ohne sofort Rechtsschutz hiergegen zu suchen. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 I 1 ZPO sowie auf § 709 ZPO. FAZIT Die Reform des WEG hat wesentliche Elemente des Gesetzes verändert. Die WEG ist voll rechtsfähig, § 9a I 1 WEG, und grundsätzlich für sämtliche sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte, § 9a II Var. 1 WEG, und solchen, die einer einheitlichen Rechtsverfolgung bedürfen, § 9a II Var. 2 WEG, aktivlegitimiert. Ein „Alleingang“ des einzelnen Wohnungseigentümers ist somit nur außerhalb dieses Regelungsbereiches möglich. Vorsicht und Sorgfalt ist somit sowohl in der Urteils- als auch in der Anwaltsklausur geboten, falls der einzelne Wohnungseigentümer Rechte geltend machen will. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Differenzierung zwischen Sondereigentum und Sondernutzungsrecht, welche bereits in der Einleitung erläutert wurde. Das Sondernutzungsrecht wird wahrscheinlich in Zukunft eine geringere Rolle spielen. Grund ist, dass Sondernutzungsrechte in der Regel eingeräumt werden, wenn ein Sondereigentum nicht bestellt werden kann. Dies war vor der Novelle insbesondere für Stellplätze und Gartenflächen der Fall, da Sondereigentum nur an Räumen bestellt werden konnte, § 3 II WEG a. F. Mit der Novelle hat sich dies geändert, sodass seit dem 01.12.2020 auch Sondereigentum an Stellplätzen, § 3 I 2 WEG, und Freiflächen, § 3 II WEG, bestellt werden kann. Jura Intensiv Abschließendes Problem: Zum Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage war K aktivlegitimiert, die WEG-Novelle sieht aber nunmehr vor, dass diese Ansprüche hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums nunmehr ausschließlich durch die WEG geltend gemacht werden können. Der BGH hat aber klargestellt, dass der ursprünglich aktivlegitimierte Wohnungseigentümer die Befugnis nur dann verliert, wenn das nunmehr zuständige Organ ausdrücklich schriftlich dem Gericht einen dem Begehren des Wohnungseigentümers entgegenstehenden Willen bekundet. In Zukunft kann der einzelne Wohnungseigentümer daher nur über eine Beschlussersetzungsklage gem. § 44 I 2 WEG seine Interessen am Gemeinschaftseigentum erzwingen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2022 Referendarteil: Zivilrecht 77 Problem: § 535 II BGB – Pandemiebedingte Geschäftsschließung Einordnung: Mietrecht BGH, Urteil vom 12.01.2022 XII ZR 8/21 EINLEITUNG Bereits in den Ausgaben 11/2020 (LG Zweibrücken, Urteil vom 11.09.2020, HK O 17/20) sowie 11/2021 (OLG Frankfurt, Urteil vom 17.09.2021) haben wir über pandemiebedingte Geschäftsschließungen und deren Auswirkungen auf die Zahlungspflichten eines gewerblichen Mieters aus dem Mietvertrag berichtet. Die Gerichte verneinten einen Anspruch aus § 313 BGB maßgeblich mit dem Argument, dass die Verwendungsrisiken beim Mieter lägen. Nunmehr lag eine vergleichbare Entscheidung beim BGH vor, welche hier als erstinstanzliches Urteil dargestellt wird. TATBESTAND Die Parteien sind seit September 2013 über einen Mietvertrag über Gebäude und Parkplätze in S miteinander verbunden. Die Vermietung seitens der Klägerin (K) erfolgte „ausschließlich zu gewerblichen Zwecken zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs“. Seit dem 01.01.2019 beträgt die monatliche Bruttomiete 7.854 €. Zusätzlich trägt die Beklagte (B) als Mieterin im Vertrag näher beschriebene Nebenkosten. § 5 Nr. 3 des Mietvertrags enthält folgende Regelung: „Wenn die Gas-, Stromund Wasserversorgung oder Entwässerung durch einen nicht von dem Vermieter zu vertretenden Umstand unterbrochen wurde oder wenn Überschwemmungen oder sonstige Katastrophen eintreten, steht dem Mieter ein Recht auf Mietminderung oder Schadensersatz nicht zu.“ Aufgrund der sich verbreitenden Coronavirus-Krankheit-2019 erließ das Sächsische Staatsministerium (…) am 18.03.2020 auf der Grundlage von § 28 I IfSG die Allgemeinverfügung (…). Aufgrund der genannten Allgemeinverfügungen war das Textileinzelhandelsgeschäft der B im Mietobjekt vom 19.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 geschlossen. Die B zahlte die Miete für den Monat April 2020 nicht und erklärte die Aufrechnung gegen die Mietzahlungspflicht für die Zeit vom 20. bis 30.04.2020 mit der Miete für die Zeit vom 19. bis 31.03.2020. Die folgenden Mietzahlungen erbrachte die B vollständig. Die anwaltliche Zahlungsaufforderung blieb erfolglos. Jura Intensiv K behauptet, B habe staatliche finanzielle Hilfen erhalten und vertritt die Rechtsauffassung, das wirtschaftliche Unvermögen eines Mieters befreie diesen nicht von der Pflicht zur Zahlung des Mietzinses. Auch der Gesetzgeber habe die Fälligkeit der Mietzinszahlungen unberührt gelassen. Das Verwendungsrisiko und das Risiko mit der Mietsache Gewinne zu erwirtschaften trage die B als Mieterin. K beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.854 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; LEITSÄTZE 1. Die durch die COVID-19-Pandemie bedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts führt nicht zu einem Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 I 1 BGB. Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand auch nicht ganz oder teilweise unmöglich. 2 In diesem Fall kommt grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 I BGB in Betracht. Maßgeblich sind sämtliche Umstände des Einzelfalls. 3. Daher sind auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat. In der Originalentscheidung erfolgen hier detaillierte Ausführungen über die einzelnen sich ablösenden Allgemeinverfügungen. Relevant ist hier zivilrechtlich lediglich, dass aufgrund eines Hoheitsaktes die Öffnung der Gewerberäume für Kundenverkehr unterbleiben musste. Achtung: In der Originalentscheidung erfolgen im Tatbestand Rechtsausführungen („B rechnete (…) auf.“). Vermeiden Sie dies unbedingt in Ihrer Klausur, indem Sie die hier gewählte Formulierung verwenden. Aktuelle Anträge sind hervorzuheben. Dies erfolgt stets durch Einrücken, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 313 Rn 19. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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