82 Nebengebiete RA 02/2022 [5] Bereits an dieser Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs fehlt es vorliegend. Denn die Klägerin hat nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht den ihr obliegenden Beweis dafür erbringen können, dass dem Zeugen A für den Zeitraum der Quarantäneanordnung nicht sein vertraglich vereinbarter Verdienstanspruch zustand, weil er die von ihm vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht hat (1.). Doch selbst wenn man davon ausginge, dass der Zeuge A während der Quarantänezeit seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung ganz oder teilweise nicht erbringen konnte, hätte ihm ein Anspruch gegen die Klägerin auf Fortzahlung seines Gehaltes aus § 615 Satz 3 i.V.m. Satz 1 BGB (2.) oder aber jedenfalls aus § 616 Satz 1 BGB (3.) zugestanden. Anspruch auf Lohn gem. § 611a II BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag gegeben Kernaussage: Zwar konnte der Profifußballer nicht seine „eigentliche“ Vertragspflicht (Teilnahme am Spielbetrieb) erfüllen, jedoch wurde er vom Arbeitgeber angewiesen, sich durch einen häuslichen Trainingsplan fit zu halten. Diese Weisung hat die eigentliche Vertragspflicht modifiziert und dieser modifizierten Verpflichtung konnte der Arbeitnehmer auch trotz Quarantäne nachkommen. Die mangelnde Kontrollmöglichkeit steht dem – parallel zum Home- Office – nicht entgegen. [6] 1. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass dem Zeugen A auch für die Zeit der Quarantäneanordnung sein mit der Klägerin vertraglich vereinbarter Vergütungsanspruch zugestanden hat, weil er auch in dieser Zeit die von ihm vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht hat. [7] Zwar ist dem Landgericht darin Recht zu geben, dass der Zeuge A während der Zeit der Quarantäneanordnung sicherlich eine Vielzahl von einzelnen Arbeitstätigkeiten, die er aufgrund des mit der Klägerin geschlossenen Profifußballspielervertrages vor der Einstellung des gewöhnlichen Spiel- und Trainingsbetriebes zu erbringen hatte, während der Zeit der Quarantäneanordnung nicht erbringen konnte. Allerdings ist nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme davon auszugehen, dass die Klägerin sowohl für die Spieler außerhalb als auch innerhalb der häuslichen Quarantäne durch die Aufstellung individueller Trainingspläne in Ausübung des ihr nach §§ 611a I 2 BGB, 106 S. 1 GewO zustehenden Weisungsrechts die von Spielern für die Zeit der Aussetzung des regulären Spiel- und Trainingsbetriebes sowie der häuslichen Quarantäne zu erbringenden Arbeitsleistung dahingehend näher bestimmt hat, dass diese in der Ableistung des individuellen Trainingsplans besteht. [8] Dass es nach der Einstellung des regulären Spiel- und Trainingsbetriebes solche individuellen Trainingspläne sowohl für die Spieler innerhalb als auch außerhalb der häuslichen Quarantäne gab und den Spielern im Rahmen des Möglichen von der Klägerin auch Trainingsgeräte wie ein Spinning-Bike, Hanteln, Bänder und ein Fußball zur Verfügung gestellt wurden, wird von der Klägerin nicht in Abrede gestellt und ist zudem durch den Zeugen A bestätigt worden. Er hatte nach seiner erstinstanzlichen Aussage von der Klägerin einen Ball, Bänder und ein Spinning-Bike mit nach Hause bekommen, sein Trainingsplan sei wegen der häuslichen Quarantäne auf das Trainingsrad „abgestimmt“ gewesen; darüber hinaus hätten weitere Dinge in dem Trainingsplan gestanden wie Stabilitätseinheiten oder ähnliches. Jura Intensiv [11] Dass die tatsächliche Ausführung der Trainingsvorgaben für die Klägerin bei den Spielern in häuslicher Quarantäne nicht überprüfbar war, vermag an deren Qualifizierung als arbeitsrechtliche Weisung nichts zu ändern. Denn auch anderen Arbeitgebern ist während der Corona- Pandemie bei ihren im Home-Office arbeitenden Arbeitsnehmern eine derartige Kontrolle nicht immer möglich gewesen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 02/2022 Nebengebiete 83 [16] 2. Doch selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der Zeuge A aufgrund der gegen ihm erlassenen Absonderungsverfügung zumindest teilweise an der Erbringung der von ihm geschuldeten Arbeitsleistung gehindert gewesen ist, hätte ihm wie auch den anderen nicht in häuslicher Quarantäne befindlichen Spielern insoweit ein Vergütungsanspruch gegen die Klägerin aus § 615 Satz 3 i.V.m. Satz 1 BGB zugestanden. [17] Nach der genannten Vorschrift kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung auch dann verlangen, wenn die Arbeit ausfällt und der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt. Voraussetzung des Anspruchs ist, dass eine Pflicht zur Arbeitsleistung besteht und die Arbeit infolge eines Umstandes ausfällt, für den der Arbeitgeber das Risiko trägt (…). Dabei hat die Feststellung, in wessen Gefahrenkreis das störende Ereignis fällt, in erster Linie nach dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (…). Ist die Unmöglichkeit der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung – etwa in dem Fall, dass behördliche Anordnungen den Arbeitsausfall begründen – weder durch den Arbeitnehmer noch durch den Arbeitgeber verschuldet, muss der Arbeitgeber das Risiko der Unmöglichkeit aus im Betrieb liegenden Gründen tragen. Er bleibt grundsätzlich auch dann zur Lohnzahlung verpflichtet, wenn diese Gründe weder betriebstechnische Störungsursachen haben oder auf einem Versagen der sachlichen oder betrieblichen Mittel des Betriebes beruhen, sondern von außen auf das Unternehmen einwirken (…). [18] Ausgehend von diesen Grundsätzen hat vorliegend die Klägerin das Risiko des Arbeitsausfalls des Zeugen A zu tragen, weil die gegen ihn ergangene Absonderungsverfügung aus im Betrieb der Klägerin liegenden Gründen ergangen ist, nämlich wegen des der Absonderungsverfügung vorangegangenen Kontakts des Zeugen A im Rahmen eines gemeinsamen Spiel- oder Trainingsbetriebes zu seinem positiv auf das Corona- Virus getesteten Mitspieler C. Die Ursache war also betriebsbezogen, sie resultierte aus dem für das Unternehmen der Klägerin notwendigen, mannschaftsbezogenen Spiel- und Trainingsbetrieb und nicht aus Umständen, die der Sphäre des Zeugen A zuzurechnen wären. Dass die Klägerin an dem Auftreten der Corona-Pandemie ebenso wenig ein Verschulden traf wie den Zeugen A, ist insoweit ohne Belang. Jura Intensiv [19] Dem Anspruch steht deswegen auch nicht entgegen, dass der Zeuge A während der Quarantänezeit keine außerhäusliche Trainings- und Spielarbeit leisten durfte. Sein insoweit aus der Absonderung folgendes Unvermögen zum Erbringen dieser im Arbeitsvertrag an sich vorgesehenen Arbeitsleistung stammt gerade aus der Sphäre der Klägerin, nämlich dem ihren unternehmerischen Interessen dienenden mannschaftsbezogenen Spiel- und Trainingsbetrieb. Hätte der Zeuge A durch diesen keinen Kontakt zum infizierten Mitspieler erhalten, hätte der Grund für seine Absonderung nicht vorgelegen, die dann wiederum seine außerhäusliche Arbeitsleistung untersagte. Würde man hier aufgrund der Absonderung von einem einen Anspruch aus § 615 BGB ausschließenden Unvermögen des Zeugen A ausgehen, bürdete man ihm so – entgegen der gesetzlichen Wertung in § 615 S. 3 BGB – letztendlich das in der Sphäre der Klägerin liegende Betriebsrisiko auf, weil es keinen anderen, in seiner Person begründeten Umstand gab, der seiner außerhäuslichen Arbeit entgegenstand. (…). Hilfsweise, falls man doch davon ausgehen würde, dass der Arbeitnehmer an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert gewesen wäre: Anspruch aus § 615 S. 3 i.V.m. S. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag (sog. Betriebsrisiko) gegeben. Hier ist die Abgrenzung wichtig zu BAG, Urteil vom 13.10.2021, 5 AZR 211/21, RA 2021, 585: Der Arbeitgeber trägt nicht das Risiko eines Arbeitsausfalls, wenn zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen durch behördliche Anordnungen nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. Vielmehr ist es Sache des Staates, für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen. Für den beschriebenen Fall lehnte das BAG also eine betriebsbezogene Ursache – zutreffend – ab. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
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