§ 4 Veranstaltung einer Versammlung Die Vorschrift bestimmt den Begriff des Veranstalters, weil zahlreiche Gesetzesbestimmungen an diese Eigenschaft anknüpfen, z.B. §§ 5 I 1, 10 I 1, 22 I VersG NRW (LT-Drs. 17/12423, S. 52). Bei mehreren Personen, die sich der Pflichtenstellung als Veranstalter dadurch entziehen wollen, dass sie zur Teilnahme an der Versammlung einer anderen Person vermeintlich bloß auffordern, ohne dass diese wiederum die Versammlung angezeigt oder zu ihr eingeladen hat, wohl aber faktisch durchführt, sind alle als verantwortlich veranstaltende Personen anzusehen (LT-Drs. 17/12423, S. 52). § 5 Versammlungsleitung § 5 III VersG NRW will den (Ausnahme-)Fall einer veranstalterlosen Versammlung erfassen, etwa bei nicht organisierten Flash-Mobs. Der Gesetzgeber macht deutlich, dass auch in dieser Situation eine Versammlungsleitung vorhanden sein soll bzw. bei öffentlichen Versammlungen vorhanden sein muss. Nur das gewährleiste einen geordneten Versammlungsablauf (LT-Drs. 17/12423, S. 54). Mit § 5 IV VersG NRW trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass nichtöffentliche Versammlungen wegen ihrer oftmals geringen Größe oder öffentlichen Wirkung nicht unbedingt einer Versammlungsleitung bedürfen, die über entsprechende Befugnisse verfügt, z.B. privater, informell tagender politischer Diskussionskreis (LT-Drs. 17/12423, S. 54). § 6 Pflichten und Befugnisse der Versammlungsleitung § 6 II VersG NRW verlangt im Gegensatz zu §§ 9 I, 18 I, II, 19 I VersammlG des Bundes nicht, dass die Ordner volljährig sind und ehrenamtlich tätig werden. Ein Versammlungsausschluss nach § 6 IV VersG NRW ist kein Hoheitsakt und darf auch nicht von der Versammlungsleitung mit körperlicher Gewalt durchgesetzt werden. Es ist dann vielmehr Sache der Polizei, mit den ihr nach dem VersG NRW zur Verfügung stehenden Mitteln die Durchführung der Versammlung zu sichern (LT-Drs. 17/12423, S. 57 f.). Da ein Versammlungsausschluss ein erhebliches Konfliktpotenzial hat, darf er gem. § 6 IV 2 VersG NRW nur mit behördlicher Zustimmung erfolgen (LT-Drs. 17/12423, S. 57). § 7 Störungsverbot Störungen von Versammlungen können nicht nur von Privatpersonen ausgehen, sondern auch von staatlichen Stellen. Sie dürfen weder inhaltlich-lenkenden Einfluss auf rechtmäßige Versammlungen nehmen, etwa durch amtliche Aufrufe zur Teilnahme an Gegendemonstrationen, noch dürfen sie öffentliche Sachen instrumentalisieren, um ihnen politisch missliebige Versammlungen zu behindern (LT-Drs. 17/12423, S. 58). § 7 II Nr. 2 VersG NRW soll nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sog. Probeblockaden bzw. Blockadetrainings verbieten, deren Subsumtion unter das Störungsverbot bisher umstritten war (LT-Drs. 17/12423, S. 59 m.w.N.). § 7 III VersG NRW stellt klar, dass das Störungsverbot nicht die Kundgabe gegenläufiger Meinungen erfasst. Gegenversammlungen, die nicht auf Behinderung der Ausgangsversammlung abzielen, sind somit nicht verboten (LT-Drs. 17/15821, S. 6). Jura Intensiv § 8 Waffen- und Gewalttätigkeitsverbot Im Gegensatz zu § 2 III VersammlG des Bundes normiert § 8 I VersG NRW ein striktes Waffenverbot, das sich auch auf Personen erstreckt, die selbst nicht Teilnehmende von Versammlungen sind. Daher ist ein Einsatz bewaffneter Ordner/innen oder privater Personenschützer/innen nicht möglich. zum Herausnehmen § 9 Anwendbarkeit des Polizeirechts § 9 VersG NRW ist eine sehr examensrelevante Norm, die das Verhältnis des VersG NRW zum PolG NRW klärt. Danach haben die Bestimmungen des VersG NRW als spezielles Polizeirecht Vorrang vor dem PolG NRW (sog. Polizeifestigkeit von Versammlungen). Konkret betrifft das Maßnahmen, die sich gegen die Gesamtversammlung richten wie §§ 10, 12, 13 VersG NRW (LT-DRs. 17/12423, S. 61). Geht es hingegen um Eingriffsmaßnahmen gegenüber einzelnen Versammlungsteilnehmern ist das PolG NRW gem. § 9 I 1 VersG NRW subsidiär anwendbar. Dabei handelt es sich bei § 9 I 1 VersG NRW um einen Rechtsgrundverweis, d.h. neben der von § 9 I 1 VersG NRW verlangten unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit müssen auch alle sonstigen Anforderungen der jeweils einschlägigen Ermächtigungsgrundlage aus dem PolG NRW erfüllt sein. Die Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit beruht demnach auf § 9 I 1 VersG NRW und nicht auf den Befugnisnormen des PolG NRW. § 9 I 2 VersG NRW stellt klar, dass zeitlich früher erlassene Maßnahmen nach dem PolG NRW (z.B. ein Aufenthaltsverbot) nicht dadurch ausgehebelt werden können, dass der Adressat an einer Versammlung teilnimmt. Geht es bei der polizeilichen Maßnahme hingegen darum, die Teilnahme an der Versammlung zu verhindern, müssen gem. § 9 III VersG NRW die Voraussetzungen des § 14 bzw. des § 24 VersG NRW erfüllt sein. § 9 IV 1 VersG NRW meint mit „beendet“ eine geschlossene (vgl. § 6 I 2 VersG NRW) oder aufgelöste (vgl. §§ 13 II 1, 23 I VersG NRW) Versammlung. § 9 IV 2 VersG NRW erfasst auch ausgeschlossene Teilnehmer (vgl. §§ 14 III 1, 24 II 1 VersG NRW). Inhaltsverzeichnis
§ 10 Anzeige Zunächst ein Hinweis zur Terminologie: Versammlungen werden nicht mehr wie bisher angemeldet (vgl. § 14 I VersammlG des Bundes), sondern angezeigt. Diese Anzeigepflicht gilt gem. § 10 I 1 VersG NRW nur für öffentliche Versammlungen i.S.v. § 2 IV VersG NRW. Nach § 10 II 4 VersG NRWE muss der Einsatz von Ordner/innen nicht mehr von der zuständigen Behörde genehmigt werden (anders § 18 II VersammlG des Bundes). § 10 III, IV VersG NRW regelt ausdrücklich die Eil- und Spontanversammlung und die dabei geltenden Ausnahmen von der Anzeigepflicht. Es handelt sich lediglich um eine Kodifizierung der Rechtsprechung des BVerfG (LT-Drs. 17/12423, S. 63). zum Herausnehmen § 11 Erlaubnisfreiheit Diese Bestimmung schließt es aus, dass eine Versammlung indirekt unter einen Erlaubnisvorbehalt gestellt wird, weil sie z.B. einer straßen-, straßenverkehrsrechtlichen oder umweltrechtlichen Genehmigung bedarf. Das gilt aber nur für ein Verhalten, das unmittelbar der Durchführung einer Versammlung dient (z.B. Aufbau eines Podiums an einem öffentlichen Platz für den Abschluss eines Aufzugs). Nicht erfasst sind von § 11 VersG NRW Verhaltensweisen, die nur anlässlich einer Versammlung erfolgen wie das Aufstellen kommerzieller Werbestände an einer Aufzugsstrecke oder das Verteilen von Werbematerial in einer Versammlung (LT-Drs. 17/12423, S. 64). Ferner weist der Gesetzgeber darauf hin, dass sich widerstreitende Rechtsgüter von Verfassungsrang gegen die Versammlungsfreiheit durchsetzen und einen Erlaubnisvorbehalt begründen können, der § 11 VersG NRW verdrängt. Konkret genannt werden Versammlungsverbote und Erlaubnisvorbehalte durch die Coronaschutzverordnung NRW (LT-Drs. 17/12423, S. 64). § 13 Beschränkungen, Verbot, Auflösung Das Schutzgut der öffentlichen Ordnung wurde vom Gesetzgeber gestrichen, kann also keine Eingriffe mehr rechtfertigen. Der Verzicht auf das Merkmal der öffentlichen Ordnung ist nach Ansicht des Gesetzgebers hinnehmbar, weil es mit §§ 7, 18 VersG NRW klare und präzise Verbotsregeln gibt, die die Funktion der öffentlichen Ordnung übernehmen (vgl. LT-Drs. 17/15821, S. 8). Weiterhin hat der Gesetzgeber den in § 15 I VersammlG des Bundes verwendeten Begriff der Auflage durch den Begriff der Beschränkung ersetzt. Gem. § 13 I 3 VersG NRW sind Versammlungen auf Bundesautobahnen strikt verboten, weil der Gesetzgeber der Ansicht ist, dass es sich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt um Orte des kommunikativen Austauschs handelt und hier ein besonderes Gefahren- und Schadenspotenzial besteht (LT-Drs. 17/15821, S. 8 f.). Unumstritten ist diese Einschätzung allerdings nicht wie ein Blick auf die obergerichtliche Rechtsprechung zeigt (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 4.6.2021, 2 B 1193/21, RA 2021, 370 m.w.N.). § 13 II 4 VersG NRW normiert jetzt ausdrücklich das Verbot, anstelle einer aufgelösten Versammlung eine Ersatzveranstaltung durchzuführen. Für die Beurteilung, ob eine Ersatzversammlung vorliegt, ist maßgeblich auf den Teilnehmenden- und Organisationskreis sowie auf das Thema der Versammlung abzustellen. Der sehr prüfungsrelevante § 13 III VersG NRW regelt ausdrücklich, unter welchen Voraussetzungen eine friedliche Ausgangsversammlung beschränkt werden darf, wenn die Gefahr von Dritten verursacht wird (z.B. von gewaltbereiten Gegendemonstranten). Die Vorschrift ist lex specialis zu § 6 PolG NRW. Die in § 15 III VersammlG des Bundes normierte Möglichkeit, eine Versammlung wegen fehlender Anmeldung aufzulösen, in § 13 VersG NRW nicht zu finden. Das entspricht der Rechtsprechung des BVerfG, wonach eine fehlende Anmeldung alleine die Auflösung einer Versammlung nicht rechtfertigen kann. Jura Intensiv § 14 Gefährderansprache, Untersagung der Teilnahme oder Anwesenheit und Ausschluss von Personen § 14 I VersG NRW normiert die Gefährderansprache, mit der einem potenziellen Störer verdeutlicht werden soll, dass er bei einem Fehlverhalten mit polizeilichen Maßnahmen zu rechnen hat. Wegen der besonderen Bedeutung der Versammlungsfreiheit hält der Gesetzgeber eine ausdrückliche Normierung für geboten - anders als im allgemeinen Polizeirecht (LT-Drs. 17/12423, S. 70). Allerdings bedarf es des § 14 I VersG NRW nur, wenn mit der Gefährderansprache ein Grundrechtseingriff verbunden ist, was der Fall ist, wenn konkrete polizeiliche Maßnahmen angedroht werden (LT-Drs. 17/12423, S. 70). Zulässig ist die Gefährderansprache nur, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass gerade die betroffene Person Verstöße im Sinne des § 14 I 1 VersG NRW begehen wird (LT-Drs. 17/12423, S. 70). Wie § 14 I erfasst auch § 14 II VersG NRW den Zeitraum vor Beginn der Versammlung, wohingegen § 14 III VersG NRW den Zeitraum ab Durchführung der Versammlung regelt. Erfasst sind auch Nichtteilnehmer der Versammlung (vgl. § 14 II 1 VersG NRW „Teilnahme an oder Anwesenheit in“). Hintergrund ist, dass die zuständige Behörde in der konkreten Einsatzsituation oftmals nicht sicher zwischen Teilnehmenden einer Versammlung und Dritten unterscheiden kann. Das ist auch der Grund, warum für Maßnahmen gegen Nichtteilnehmende die gleichen Voraussetzungen gelten wie für Maßnahmen gegen Teilnehmende, obwohl Nichtteilnehmende sich gar nicht auf Art. 8 GG berufen können. Inhaltsverzeichnis
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