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RA Digital - 02/2022

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Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

92 Öffentliches Recht

92 Öffentliches Recht RA 02/2022 in der Ratssitzung vom 26. November 2015 ein hinreichender Anteil der Plätze für jedermann zur Verfügung. Außerdem war die Zusammensetzung des Publikums ganz überwiegend zufallsbestimmt. Neben den nach dem Prioritätsprinzip an interessierte Bürgerinnen und Bürger zugeteilten Plätzen wurden auch die über die Ratsfraktionen verteilten Eintrittskarten nicht gezielt an Befürworter des Straßenausbaus ausgegeben. Sie wurden den Ratsfraktionen ohne einen Verwendungszusatz überlassen und anschließend durch eine Vielzahl verschiedener Akteure verteilt. Damit waren nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen mindestens 49 der 73 Eintrittskarten, mithin rund zwei Drittel aller verfügbaren Plätze, an Zuhörer gelangt, die keiner bestimmten inhaltlichen Positionierung zugeordnet werden konnten.“ Somit führt der Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Sitzung nicht zur Nichtigkeit der Ratsbeschlüsse. FAZIT Es handelt sich um eine hoch examensrelevante Entscheidung, weil sie eine wichtige Frage zum Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit beantwortet. Die zentralen Ausführungen des BVerwG lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Es muss eine chancengleiche Zugangsmöglichkeit für jedermann bestehen. • Die bevorzugte Vergabe von Zuhörerplätzen rechtlich zulässig, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt und eine relevante Anzahl an allgemein zugänglichen Plätzen verbleibt. • Ein rechtswidriger Ausschluss der Öffentlichkeit führt regelmäßig zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse. Im Übrigen hängt die Nichtigkeit von der Schwere des Verstoßes ab. • Maßstab für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes ist, ob die demokratische Kontrollfunktion der Öffentlichkeit nicht mehr gewährleistet ist. Jura Intensiv • Eine fehlerhafte Sitzplatzvergabe führt nicht zur Nichtigkeit eines Ratsbeschlusses, wenn eine hinreiche Anzahl der allgemein zugänglichen Plätze verbleibt und die Zusammensetzung der Zuhörerschaft zufallsabhängig ist. Das Berufungsgericht hatte demgegenüber eine engere Voraussetzung für die Nichtigkeit formuliert, indem es verlangte, dass die Zuhörerschaft das Gepräge eines von den politischen Akteuren gezielt zusammengestellten Publikums haben muss. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2022 Referendarteil: Öffentliches Recht 93 Speziell für Referendare Problem: Gefahrenprognose bei versammlungsrechtlichen Auflagen Einordnung: Versammlungsrecht VG Düsseldorf, Urteil vom 16.09.2021 18 K 7536/19 EINLEITUNG Das VG Düsseldorf hatte im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungs- und Feststellungsklage über die Rechtmäßigkeit diverser versammlungsrechtliche Auflagen zu befinden. Hierbei hat es sich umfassend mit den Anforderungen an die im Rahmen des § 15 I VersG anzustellende Gefahrenprognose auseinandergesetzt und im Ergebnis einen Großteil der Auflagen wegen fehlender konkreter Verdachtsmomente für rechtswidrig erklärt. TATBESTAND „In N. veranstalteten Rechtspopulisten seit dem Jahr 2015 regelmäßig Versammlungen, zu denen regelmäßig Gegenversammlungen von Meinungsgegnern stattfanden. Auch für den 8. September 2019 meldete der Vorsitzende des Vereins „N. ... e.V.“ bei dem Polizeipräsidium N. (nachfolgend: Polizeipräsidium) einen Aufzug in der N1. Innenstadt mit etwa 500 bis 800 Teilnehmern an. Nach Einschätzung der Polizei setzte sich die geplante Versammlung überwiegend aus latent gewaltbereiten Personen zusammen. Der Kläger hatte bereits in den Jahren 2017 und 2018 mehrfach Versammlungen in N. angemeldet und geleitet. Als Gegenversammlung zu dem oben benannten Aufzug meldete er am 13. August 2019 für den Kreisverband M. O. der „T. K. E. - Die G.“ die Versammlung „Keine rechten Gewalttäter in N.“ an. Seine Kundgebung sollte am 8. September 2019 auf dem Platz der Republik in N., der an den dortigen Hauptbahnhof angrenzt, mit etwa 400 Teilnehmern stattfinden. Er selbst sollte Leiter der Versammlung sein. Am 23. August 2019 fand ein Kooperationsgespräch zwischen dem Polizeipräsidium und dem Kläger statt, zu dem dieser die Vorsitzende der K1. N. mitbrachte. Diese meldete während des Gesprächs für den 8. September 2019 ihre Versammlung „Nazis in die Suppe spucken“ an, die mit einer Kundgebung am F-platz starten und nach einem Demonstrationszug ebenfalls am Platz der Republik enden sollte. Ausweislich des Gesprächsprotokolls wurden für beide Versammlungen zusammen 400 Teilnehmer erwartet. Jura Intensiv Mit Schreiben vom 6. September 2019 bestätigte das Polizeipräsidium dem Kläger die Anmeldung der Versammlung und machte unter Verweis auf § 15 Abs. 1 VersG ausdrücklich als solche bezeichnete Auflagen zur Durchführung. Soweit vorliegend streitgegenständlich lauteten diese: Ziffer 1: „Es darf zu keiner Blockierung von (Haus-)Eingängen, (Grundstücks-)Zufahrten oder Rettungswegen kommen. Insbesondere ist darauf zu achten, dass Rettungswege frei bleiben.“ Ziffer 2 Sätze 2 bis 5: „[Die Ordner] müssen volljährig, unbewaffnet und während der gesamten Versammlung anwesend sein. Die Ordner/-innen sind bis zum Beginn der Versammlung dem polizeilichen Verbindungsbeamten vorzustellen, über ihre Aufgaben und die erlassenen Auflagen dieses Bescheids ausreichend zu belehren und anzuhalten, LEITSÄTZE (DER REDAKTION) 1. Ist eine versammlungsbehördliche Verfügung auf eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit gestützt, erfordert die von der Behörde und den befassten Gerichten angestellte Gefahrenprognose tatsächliche Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen nicht aus. 2. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Geschichtserzählung: Indikativ Imperfekt Da es hier um die Prüfung der Rechtmäßigkeit der einzelnen Auflagen geht, sind diese im Tatbestand genau wiederzugeben. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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