98 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 02/2022 Prüfung von Auflage in Ziffer 2 Satz 3: Vorstellung der Ordner OVG Münster, Beschluss vom 9.2.2001, 5 B 180/01, juris Rn 10; VGH Mannheim, Urteil vom 30.6.2011, 1 S 2901/10, juris Rn 47 m.w.N. Subsumtion: Gefahrenprognose für Auflage unzureichend Prüfung der Auflage in Ziffer 3: Beschränkung der Größe von Transparenten OVG Münster, Beschluss vom 27.8.2021, 15 B 1414/21, juris Rn 8; Beschluss vom 3.11.2017, 15 B 1371/1, juris Rn 11 m.w.N.; OVG Bautzen, Urteil vom 31.5.2018, 3 A 199/18, juris Rn 25 Subsumtion Auch hier unzureichende Gefahrenprognose Prüfung von Auflage in Ziffer 4: Alkoholverbot Mit Blick auf diese Grundsätze ist zunächst die in Ziffer 2 Satz 3 verfügte Auflage, die Ordner vor Beginn dem polizeilichen Verbindungsbeamten vorzustellen, rechtswidrig gewesen. Insoweit hat der Beklagte nicht ausreichend dargelegt, dass diese Verpflichtung zur Abwehr einer unmittelbaren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich gewesen ist. Wegen der Pflicht der eingesetzten Ordner, für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Versammlung zu sorgen, besteht zwar grundsätzlich die Möglichkeit der Versammlungsbehörde, sie auf ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen. Jedoch dürfen Auflagen, die eine nähere Überprüfung der Ordner vorsehen, nicht standardmäßig erlassen werden, sondern nur aufgrund konkreter Anhaltspunkte dafür, dass ohne sie eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung einträte. Gemessen an diesen Anforderungen hält die Gefahrenprognose des Polizeipräsidiums nicht stand. Es ist nicht dargetan, dass gerade durch den Einsatz von Ordnern, die nicht in der Lage wären, den ihnen im Laufe der Versammlung obliegenden Pflichten nachzukommen, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden hat. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger als Versammlungsleiter unzuverlässige Ordner eingesetzt hätte, die nicht in der Lage gewesen wären, den ordnungsgemäßen Ablauf der Versammlung zu gewährleisten. [...] Ist danach die Auflage in Ziffer 2 Satz 3 rechtswidrig gewesen, gilt dies auch für die Regelung in Ziffer 3. Betrifft eine Auflage die Beschränkung der Größe von Transparenten und Haltestangen, gilt, dass diese Auflagen nicht allein wegen der allgemeinen Möglichkeit des Missbrauchs dieser Gegenstände zur Verhinderung der Identifizierung von Störern angeordnet werden können. Für die Annahme einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die Größe der Transparente sind vielmehr konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich. Eine solche Prognose kann die Versammlungsbehörde etwa mit konkreten Vorfällen belegen, die sich in der Vergangenheit in ähnlichen Situationen ereignet haben. Jura Intensiv Nach diesen Maßgaben ist die Gefahrenprognose des Polizeipräsidiums nicht tragfähig. Die im Auflagenbescheid genannte Begründung geht über allgemeine Erwägungen, auf welche Art und Weise verknüpfte Transparente und größere Haltestangen für Straftaten bzw. zur Verhinderung ihrer Aufklärung genutzt werden könnten, nicht hinaus. Es werden keine konkreten Vorfälle bezeichnet, bei denen große Transparente als Sichtschutz oder Haltestangen als Waffen gegen Dritte eingesetzt worden sind. [...] Denn es ist gerade keine Prognose dahingehend getroffen worden, weshalb einer möglichen Gefahr durch diese Versammlungsteilnehmer gerade durch die Beschränkung von Transparenten - zumal für alle Teilnehmer - wirksam hätte begegnet werden können. [...] Ebenfalls erfolgreich ist die Klage, soweit sie sich gegen das in Ziffer 4 der Verfügung enthaltene Verbot des Mitführens und Konsumierens von Alkohol und anderen Rauschmitteln richtet. Denn insoweit ist eine unmittelbare Gefährdung im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG, welche den Erlass Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 02/2022 Referendarteil: Öffentliches Recht 99 einer entsprechenden Auflage rechtfertigt, nicht bereits durch den Konsum alkoholischer Getränke auf einer Versammlung gegeben, der per se nicht gegen geltendes Recht verstößt. Anders ist dies nur dann zu beurteilen, wenn spezifische versammlungsbedingte Gefahren vorliegen, die über die allgemeinen Gefahren des Alkoholeinflusses hinausgehen. Dazu müssen konkrete Umstände genannt werden, aus denen sich diese Gefahrenprognose ergibt. [...] Dies kann etwa der Fall sein, wenn aufgrund der räumlichen Gegebenheiten mit einem Zusammentreffen mit Gegendemonstranten zu rechnen ist, bei dem aufgrund alkoholbedingter Enthemmung ein gewalttätiger Verlauf droht, oder aufgrund der Art der Versammlung ein erhöhtes Risiko für Straftaten in Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum besteht. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ließ sich die Auflage nicht auf § 15 Abs. 1 VersG stützen. Es sind keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür benannt, dass gerade durch Alkoholkonsum auf der Versammlung des Klägers - auf dessen Unterbindung auch das Verbot des Mitführens ersichtlich abzielt - Gefahren für die öffentliche Sicherheit gedroht hätten. [...] Rechtswidrig war schließlich auch die Auflage in Ziffer 5, wonach das Mitführen von Behältnissen aus Glas oder Keramik sowie Metalldosen verboten gewesen ist. Auch diesbezüglich muss die Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde auf konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkten dafür beruhen, dass gerade das Mitführen dieser Behältnisse während der Versammlung eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit mit sich bringt. Dies kann beispielsweise durch das Benennen konkreter Referenzfälle auf vergangenen Versammlungen erfolgen. Nicht ausreichend ist es, lediglich auf die abstrakte Gefahr, dass diese Behältnisse als Schlagwerkzeug oder Wurfgeschoss missbrauchtwerden könnten bzw. in zerbrochener Form ein allgemeines Verletzungsrisiko darstellen, zu verweisen. Jura Intensiv Gemessen daran hat das Polizeipräsidium nicht anhand konkreter Anhaltspunkte dargelegt, dass durch das Mitführen dieser Behältnisse eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu erwarten war. Die Prognose dazu geht über allgemeine Annahmen zu den Gefahren bei einer Zweckentfremdung als Wurfgeschoss sowie der Verletzungsgefahr durch zerbrochene Flaschen nicht hinaus. [...] Hinsichtlich Ziffer 2 Satz 4 ist die Klage bereits unzulässig, da der Kläger diesbezüglich nicht gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist. Diese Maßgabe beschwert - sofern darin überhaupt eine Auflage und nicht lediglich ein gesetzeskonkretisierender Hinweis zu sehen ist - lediglich die eingesetzten Ordner. Diesen wird die Pflicht aufgegeben, den Anweisungen des Klägers als Versammlungsleiters sowie der Polizei Folge zu leisten. [...] Hinsichtlich der Bestimmungen in Ziffer 1 und in Ziffer 2 Sätze 2 und 5 ist die Klage dagegen (zumindest) unbegründet. Bezüglich der Auflage in Ziffer 1 ist die zulässige Klage unbegründet. [...] Diese Auflage ist rechtmäßig gewesen (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). [...] Sie ließ sich […] - jedenfalls - auf § 15 Abs. 1 VersG stützen. Vgl. zu alldem OVG Weimar, Beschluss vom 4.7.2019 , 3 EO 467/19, juris Rn 40; OVG Bautzen, Beschluss vom 19.4.2018, 3 B 126/18, juris Rn 15; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 5.10.2018, 5 L 1338/18.NW, juris Rn 7 Subsumtion Auch hier unzureichende Gefahrenprognose Prüfung von Auflage in Ziffer 5: Verbot des Mitführens von Behältnissen OVG Münster, Beschluss vom 27.4.2017, 15 B 491/17, juris Rn 23; VG Köln, Beschluss vom 21.9.2020, 20 L 1693/20, juris Rn 22 Subsumtion Auch hier liegt wieder keine ausreichende Gefahrenprognose vor Es folgt der erfolglose Teil der Klage Unzulässigkeit mit Blick auf die Auflage in Ziffer 2 Satz 4, da der Kläger insoweit mangels eigener Beschwer nicht klagebefugt ist. Unbegründetheit hinsichtlich der Auflagen in Ziffer 1 und Ziffer 2 Sätze 2 und 5. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
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