jiverlag
Aufrufe
vor 1 Jahr

RA Digital - 02/2022

  • Text
  • Intensiv
  • Jura
  • Versg
  • Stgb
  • Inhaltsverzeichnis
  • Anspruch
  • Versammlung
  • Urteil
  • Verlags
  • Recht
  • Digital
  • Verlagjuraintensivde
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

60 Zivilrecht

60 Zivilrecht RA 02/2022 Die Wertungen des § 906 BGB folgen bereits dem Gebot von Treu und Glauben. Sie werden bei der ergänzenden Vertragsauslegung herangezogen. Auf die Sozialadäquanz kommt es an. bei der Nutzung benachbarter Grundstücke möglicherweise auftretender Konflikt in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden soll. Diese im Bürgerlichen Gesetzbuch getroffene gesetzliche Wertung wird einbezogen, um der ergänzenden Vertragsauslegung im Verhältnis der Mietvertragsparteien noch stärkere rechtliche Konturen zu verleihen (…). [34] Damit sind letztlich Wertungsgesichtspunkte maßgebend, die gleichermaßen bei der Anwendung der Vorschrift des § 906 BGB - mit den Merkmalen der wesentlichen Beeinträchtigung, der ortsüblichen Benutzung und der Zumutbarkeit von Abhilfemaßnahmen - prägend sind. Die Frage, ob Geräuschimmissionen im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB wesentlich sind, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und danach, was ihm unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist, wobei die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Geräuschbelästigung immer nur aufgrund wertender Beurteilung festgesetzt werden kann (…). Dabei kann im Fall von Geräuschimmissionen aus dem häuslichen Bereich im Rahmen des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB gerade auch die Sozialadäquanz der störenden Tätigkeit zu berücksichtigen sein, um einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden nachbarlichen Interessen herbeizuführen (…). [35] Mithin handelt es sich bei den vom Senat im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung herangezogenen Wertungen des § 906 BGB und dem im Wohnraummietrecht bezüglich Wohnlärms anerkannten Merkmal der Sozialadäquanz nicht um grundsätzlich unterschiedliche Maßstäbe, sondern beide sind vielmehr Ausdruck dessen, was nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung von Treu und Glauben im Rahmen einer verständigen Interessenbewertung hinzunehmen ist. Dies übersieht das Berufungsgericht, wenn es darauf abstellt, dass § 906 BGB nur für das Verhältnis der benachbarten Grundstückseigentümer Geltung beanspruchen könne. Denn der Senat bringt diese Vorschrift in der vorliegenden Fallgestaltung nicht unmittelbar zur Anwendung. Vielmehr gelangt er bei von einem benachbarten Grundstück herrührenden Immissionen durch die von ihm vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung des § 906 BGB zu einem an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben orientierten, die beiderseitigen Interessen der Mietvertragsparteien angemessen berücksichtigenden Ausgleich, indem er den Mieter bei Fehlen entsprechender Abreden an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks und der aus der Nachbarschaft stammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken jedenfalls in einem Umfang teilnehmen lässt, den der an § 906 BGB gebundene Vermieter ebenfalls nicht beeinflussen kann. Jura Intensiv Folglich fehlt es sowohl an einer Beschaffenheitsvereinbarung, welche die Freiheit von Lärm und Staub durch Baustellen vorsieht, als auch an objektiven Kriterien zur Bemessung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen. Ein Mietminderungsgrund gem. § 536 I BGB besteht nicht. Folglich haben die K die Miete nicht anteilig ohne Rechtsgrund geleistet. ERGEBNIS Die K haben gegen B keinen Anspruch auf Rückzahlung der Miete aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2022 Zivilrecht 61 Problem: Bedeutung der Formulierung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ Einordnung: Maklerrecht, Bereicherungsrecht OLG Hamm, Urteil vom 09.12.2021 18 U 68/20 EINLEITUNG Ob man mit der Formulierung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ die Einwendung des § 814 BGB ausschließen kann, ist zwischen den OLG umstritten. Das OLG Hamm vertritt hierzu eine andere Auffassung als das OLG Koblenz. Aufhänger der vorliegenden Entscheidung ist das Maklerrecht, welches in jedem Bundesland Thema im Assessorexamen ist, jedoch nicht überall Thema des 1. Examens. SACHVERHALT Die K waren Mieter einer Wohnung in einem Haus mit mehreren Eigentumswohnungen. Im Sommer 2018 entschied sich die Bewohnerin Y (nachfolgend Verkäuferin), dazu, ihre im 2. Obergeschoss gelegene Eigentumswohnung zu verkaufen. Zu diesem Zweck schloss sie mit der B am 06.06.2018 einen qualifizierten Alleinauftrag bezüglich Maklerleistungen. Seit dem 03.06.2018 wussten die K, welche die Wohnung später kauften, aufgrund des nachbarschaftlichen Kontakts von der Verkaufsabsicht der Verkäuferin. Die Wohnung und ihr Zuschnitt war ihnen ebenfalls bekannt. Auf einer Eigentümerversammlung am 06.06.2018 hatten die K mit der Verkäuferin bereits über konkrete Preisvorstellungen diskutiert. Einen Tag später hatte diese den Preis von 320.000 € genannt. Wiederum einen Tag später, am 08.06.2018, erhielten die K eine Finanzierungszusage ihrer Bank. Weil die Verkäuferin den K mitteilte, die B beauftragt zu haben, die sich auch um einen Notartermin kümmern würde, nahmen die K Kontakt zur B auf und erklärten ihr Interesse an der Wohnung. Dabei deckten sie ihre Vorkenntnis bezüglich der Wohnung und der Vorverhandlungen mit der Verkäuferin am 11.06.2018 in einer E-Mail an B auf. Den angebotenen Besichtigungstermin lehnten sie zunächst ab, nahmen ihn aber später wahr. Unter dem 15.06.2018 übersandte B das von B erstellte Exposé an die K. Das Exposé enthielt einen “Courtagepassus”. Daneben übermittelte B mit gleicher E-Mail weitere Unterlagen zur Immobilie und stellte einen Besichtigungstermin in Aussicht. Mit E-Mail vom 24.06.2018 forderten die K bei B weitere Unterlagen an; diese wurden mit E-Mail vom 27.06.2018 übersandt. Am 03.07.2018 führte B dann eine Besichtigung der Wohnung mit den K durch. Der ursprünglich verlangte Kaufpreis i.H.v. 320.000 € wurde auf Wunsch der Verkäuferin, die noch mit 5.000 € an der Instandhaltungsrücklage beteiligt war, um 5.000 € erhöht. Der notarielle Kaufvertrag wurde am 13.07.2018 geschlossen. Mit Schreiben vom 16.07.2018 übersandte B eine Rechnung an die K über eine Maklergebühr i.H.v. 11.602,50 € brutto. Diese Rechnung bezahlten die K zunächst nicht und entschuldigten sich in einer E-Mail vom 31.07.2018 gegenüber der B für die Nichtzahlung. Zur Begründung führten sie an, dass die Bank das Geld noch nicht bereitgestellt habe. Mit Schreiben vom 16.08.2018 zweifelten die K die Forderung der B unter Hinweis auf die bestehende Vorkenntnis an und unterbreiteten einen Vergleichsvorschlag. Mit Schreiben vom 21.08.2018 übersandte B dann eine Mahnung mit Fristsetzung Jura Intensiv LEITSATZ: 1. Verwendet ein Verbraucher bei einer Leistung die Formulierung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“, so bringt er damit hinreichend zum Ausdruck, die Leistung nur unter Vorbehalt erbringen zu wollen. Dies führt dazu, dass der Empfänger der Leistung nicht darauf vertrauen darf, das Empfangene behalten zu dürfen, wodurch die Einwendung des § 814 BGB regelmäßig ausgeschlossen wird. 2. Ein Makler kann auch trotz Vorkenntnis seines Kunden die Maklerprovision verdienen, wenn der Makler zusätzliche Informationen liefert, die eine für den Erwerb wesentliche Maklerleistung darstellen. Um eine wesentliche Maklerleistung annehmen zu können, ist erforderlich (und ausreichend), dass der Kunde durch den Nachweis des Maklers den konkreten Anstoß bekommen hat, sich um das ihm bereits bekannte Objekt zu kümmern (vgl. BGH, Urteil vom 4. Oktober 1995 - IV ZR 163/94; BGH, Urteil vom 20. November 1997 - III ZR 57/96). Eine solche weitere wesentliche Maklerleistung kann in der Organisation und Durchführung einer Objektbesichtigung liegen. Dies kommt aber nur dann in Betracht, wenn dem Maklerkunden das Objekt nicht schon vorher gut bekannt gewesen ist. 3. Ebenso kann eine weitere wesentliche Maklerleistung u. Umständen darin liegen, dass der Makler dem Kunden Unterlagen zur Verfügung stellt, die dieser benötigt, um eine Finanzierung zum Erwerb des Objekts zu erlangen. Hat er bereits vorher eine Zusage über die Finanzierung erhalten, so liegt in der Übermittlung der Unterlagen keine weitere wesentliche Maklerleistung. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

Erfolgreich kopiert!

RA - Digital

Rspr. des Monats