Aufrufe
vor 1 Jahr

RA Digital - 02/2023

  • Text
  • Verlagjuraintensivde
  • Zivilrecht
  • Anspruch
  • Beklagten
  • Recht
  • Stgb
  • Urteil
  • Verlags
  • Inhaltsverzeichnis
  • Jura
  • Intensiv
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

80 Referendarteil:

80 Referendarteil: Zivilrecht RA 02/2023 BGH, Urteil vom 16.03.1978, VII ZR 145/76 BGH, Urteil vom 22.12.2011, VII ZR 136/11 [36] Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen eines Gesamtschuldverhältnisses nicht erfüllt. Soweit der Bauherrin einerseits gegen den Architekten ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der vertraglichen Objektbegehungspflicht zusteht und ihr andererseits Mängelansprüche gegen den Beklagten (…) wegen diesem zuzurechnender Mängel des Bauwerks zustehen, fehlt es mangels Gleichstufigkeit der Verpflichtungen an einer Tilgungsgemeinschaft. Der genannte Schadensersatzanspruch gegen den Architekten ist nicht vor Eintritt der Verjährung der gegen den Beklagten (…) gerichteten Mängelansprüche entstanden, weil der seitens der Bauherrin vom Architekten insoweit ersetzt verlangte Schaden nicht vor Eintritt der Verjährung der gegen den Beklagten (…) gerichteten Mängelansprüche eingetreten ist (vgl. BGH (…)). Eine Erfüllung der gegen den Beklagten (…) gerichteten Mängelansprüche durch diesen vor Eintritt der Verjährung dieser Ansprüche würde nicht als Erfüllung für den Architekten wirken (…), sondern dazu führen, dass der genannte Schadensersatzanspruch gegen den Architekten gar nicht erst entsteht. Ohne Erfolg vertritt K die Rechtsauffassung, dass ihr Anspruch auch dann begründet sei, wenn die Zahlung nicht auf die Gewährleistungsansprüche der Bauherrin aus der Leistungsphase 9, sondern auf die – bereits verjährten – Gewährleistungsansprüche betreffend die Leistungsphasen 1 bis 8 erfolgt wäre. [37] Der Vergleich zwischen der Bauherrin und dem Architekten ist danach nur wegen des Schadensersatzanspruchs der Bauherrin gegen den Architekten aufgrund einer Verletzung der vertraglich vereinbarten Objektbegehungspflicht geschlossen worden. Die Klägerin hat den Betrag in Höhe von 188.270,49 € auch nur hierauf an die Bauherrin gezahlt. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 709 ZPO. FAZIT Der Fall zeigt klassisch, dass ein Innenausgleich zwischen zwei Schuldnern sowohl erfordert, dass jeder Schuldner verpflichtet ist, die ganze Leistung zu bewirken und dass beide Schuldner gleichstufig den Verpflichtungen nachkommen müssen, welche ihnen aufgrund ihrer Tilgungsgemeinschaft obliegen. Diese Gleichstufigkeit ist somit gegeben, wenn beide Schuldner ein inhaltsgleiches Gläubigerinteresse zu befriedigen haben. Dies lag im vorliegenden Fall nicht vor, da die Zahlung des Architekten an die Bauherrin aufgrund einer Pflichtverletzung aus der Leistungsstufe 9 erfolgte, welche Begehung des Objektes nach Fertigstellung betraf. Damit konnte eine Gleichstufigkeit zu den Leistungen der bauausführenden Unternehmen nicht mehr angenommen werden. Jura Intensiv Ob eine andere Formulierung im Vergleich zwischen A und der Bauherrin hier zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, dürfte fraglich sein, da die anderen Ansprüche wohl offensichtlich verjährt waren und ein Einigungsinteresse diesbezüglich nicht mehr bestand. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2023 NEBENGEBIETE Nebengebiete 81 Arbeitsrecht Problem: Rentennähe bei Sozialauswahl relevant Einordnung: Betriebsbedingte Kündigung BAG, Urteil vom 08.12.2022 6 AZR 31/22 EINLEITUNG Gemäß § 1 III KSchG kann eine betriebsbedingte Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber bei Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung der einzelnen Arbeitnehmer ausreichend berücksichtigt hat (Sozialauswahl). Hierfür ist zunächst pro Kriterium die jeweilige soziale Schutzbedürftigkeit der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer festzustellen. Durch die Gewichtung der Kriterien untereinander wird sodann bestimmt, welcher der betroffenen Arbeitnehmer insgesamt am wenigsten sozial schutzbedürftig – und entsprechend zu kündigen – ist. Das Kriterium des „Lebensalters“ ist als abstrakter Maßstab für die Vermittlungschancen eines Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt zu verstehen. Es beruht auf dem Grundgedanken, dass mit steigendem Lebensalter die Vermittlungschancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt typischerweise sinken, wodurch das Risiko steigt, dass der Arbeitnehmer keine neue Beschäftigung und damit kein „Ersatzeinkommen“ zum bisherigen Arbeitslohn findet. Parallel steigt auch das Risiko, dass der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum Arbeitslosengeld beziehen muss und die Sozialversicherungssysteme entsprechend belastet werden. Vor diesem Hintergrund nimmt mit fortschreitendem Lebensalter grundsätzlich die soziale Schutzbedürftigkeit des einzelnen Arbeitnehmers zu. Jedoch entschied das BAG bereits 2017 (2 AZR 67/16), dass das Kriterium „Lebensalter“ nicht unbegrenzt zu einer höheren Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers führe. Vielmehr sinke die soziale Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers innerhalb des Kriteriums „Lebensalter“ wieder, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seines Alters bereits unmittelbar Regelaltersrente beziehen kann. Da mit Bezug der Regelaltersrente dem Arbeitnehmer ein „Ersatzeinkommen“ zur Verfügung stehe, das darüber hinaus auch dem Bezug von Arbeitslosengeld entgegenstehe, seien sowohl die Sozialversicherungssysteme als auch der Lebensunterhalt des Arbeitnehmers ausreichend geschützt. Im Vergleich zu einem jüngeren Arbeitnehmer, der noch keine Regelaltersrente beziehen kann, könne der ältere Arbeitnehmer daher weniger sozial schutzbedürftig sein. Diesen Gedanken führt das BAG in der hier vorgestellten Entscheidung fort und erweitert ihn auch auf lediglich „rentennahe“ Arbeitnehmer, also solche, die noch einen gewissen Zeitraum bis zum Renteneintritt zu überbrücken haben. Jura Intensiv LEITSATZ Bei einer betriebsbedingten Kündigung hat die Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers anhand der in § 1 III 1 KSchG bzw. § 125 I 1 Nr. 2 InsO genannten Kriterien zu erfolgen. Bei der Gewichtung des Lebensalters kann hierbei zu Lasten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, dass er bereits eine (vorgezogene) Rente wegen Alters abschlagsfrei bezieht. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer rentennah ist, weil er eine solche abschlagsfreie Rente oder die Regelaltersrente spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem in Aussicht genommenen Ende des Arbeitsverhältnisses beziehen kann. Lediglich eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen darf insoweit nicht berücksichtigt werden. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats