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RA Digital - 02/2024

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68 Zivilrecht

68 Zivilrecht RA 02/2024 Heimgesetz (HeimG) § 14 Leistungen an Träger und Beschäftigte (1) Dem Träger ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern oder den Bewerberinnen und Bewerbern um einen Heimplatz Geld- oder geldwerte Leistungen über das nach § 5 vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen. (...) (5) Der Leitung, den Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern des Heims ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern neben der vom Träger erbrachten Vergütung Geld- oder geldwerte Leistungen für die Erfüllung der Pflichten aus dem Heimvertrag versprechen oder gewähren zu lassen. Dies gilt nicht, soweit es sich um geringwertige Aufmerksamkeiten handelt. (6) Die zuständige Behörde kann in Einzelfällen Ausnahmen von den Verboten der Absätze 1 und 5 zulassen, soweit der Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner die Aufrechterhaltung der Verbote nicht erfordert und die Leistungen noch nicht versprochen oder gewährt worden sind. Im Originalfall des OLG Frankfurt ging es um eine Beschwerde im Erbscheinsverfahren. Die damit verbundenen verfahrensrechtlichen Rechtsfragen sparen wir hier aus didaktischen Gründen aus und konzentrieren uns ausschließlich auf die materiell-rechtlich relevanten Probleme, die typischerweise in einer schriftlichen Aufgabe im 1. Examen zu erwarten sind. B2 macht geltend, der körperliche und geistige Gesundheitszustand der Erblasserin sei bis März 2022 altersentsprechend gewesen und sie habe erst nach einem Krankenhausaufenthalt im April 2022 im A-Krankenhaus abgebaut. Aus der Patientenakte geht hervor, dass E als „orientiert“ eingestuft worden sei. Daraufhin sei sie in ein Altenheim zur Kurzzeitpflege gebracht worden. Nach Erholung sei sie ihrem Wunsch entsprechend in die Wohnung zurückgekehrt, wo die Tochter des B3 diese unter Einbeziehung eines Pflegedienstes betreut habe. Ende Juli 2022 sei sie im Anschluss an eine Corona Erkrankung erneut in ein Pflegeheim verbracht worden. Bei dem Termin vor der Rechtspflegerin am 12.10.2021 (amtliche Verwahrung) habe diese nach einem Gespräch keinen Zweifel an der Testierfähigkeit gehabt. B2 ist der Meinung, Miterbe aufgrund der Erbeinsetzung geworden zu sein. Zu Recht, wenn davon auszugehen ist, dass alle vor dem Testament vom 20.09.2021 von E errichteten Testamente aufgehoben worden sind? Aus der Berufsordnung für Ärzte § 30 Ärztliche Unabhängigkeit Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, in allen vertraglichen und sonstigen beruflichen Beziehungen zu Dritten ihre ärztliche Unabhängigkeit für die Behandlung der Patientinnen und Patienten zu wahren. (...) § 32 Unerlaubte Zuwendungen (1) Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten oder Anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern oder sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. Eine Beeinflussung ist dann nicht berufswidrig, wenn sie einer wirtschaftlichen Behandlungs- oder Verordnungsweise auf sozialrechtlicher Grundlage dient und der Ärztin oder dem Arzt die Möglichkeit erhalten bleibt, aus medizinischen Gründen eine andere als die mit finanziellen Anreizen verbundene Entscheidung zu treffen. (...) LÖSUNG A. Miterbenstellung des B2 B2 wäre Miterbe, wenn er erstens aufgrund des Testierwillens der E zum Miterben eingesetzt worden wäre und zweitens das Testament der E vom 20.09.2021 wirksam wäre. Jura Intensiv I. Testierwille der E E hat in einem mit Testament überschriebenen Dokument eindeutig die letztwillige Verfügung von Todes wegen getroffen, dass B2 Miterbe sein soll. II. Wirksamkeit des Testaments Zu prüfen ist, ob das Testament der E wirksam ist. 1. Testierfähigkeit Die Testierfähigkeit Volljähriger richtet sich nach § 2229 BGB. Vorliegend hat B1 die Testierfähigkeit der E gem. § 2229 IV BGB angezweifelt. [24] Von einer Testierunfähigkeit ist nach § 2229 Abs. 4 BGB auszugehen, wenn der Erblasser wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Da die Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2024 Zivilrecht 69 Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist ein Erblasser unabhängig vom Alter bis zum Beweis des Gegenteils als testierfähig anzusehen. Daher muss die Testierunfähigkeit zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (...). [25] Konkrete Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit begründen zunächst nur die Notwendigkeit von Ermittlungen von Amts wegen und gegebenenfalls zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, soweit hinreichend belastbare medizinische Erkenntnisse vorliegen (...). Für die Feststellung der Testierunfähigkeit ist auch nicht allein die Diagnose einer krankhaften Störung ausreichend, sondern es ist darüberhinausgehend erforderlich, dass aufgrund der krankhaften Störung eine Einsichtsfähigkeit nicht mehr gegeben ist. Insbesondere begründet die Diagnose einer Demenz als solcher keinen Beweis für eine Testierunfähigkeit. Regelmäßig kommt auch bei einer gesicherten Diagnose einer Demenz die Annahme einer Testierunfähigkeit erst in Betracht, wenn der Erblasser konkrete Verhaltensauffälligkeiten aufweist, die den sicheren Schluss auf eine mangelnde Einsichtsfähigkeit zulassen (...). Zwar kann aus dokumentierten Befunden und Verhaltensbeobachtungen vor und nach der Testamentserrichtung das Vorliegen einer Testierunfähigkeit bei Demenzerkrankungen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung abgeleitet werden. Erforderlich hierfür ist jedoch, dass mindestens für einen Zeitpunkt vor und mindestens einen Zeitpunkt nach der fraglichen Testamentserrichtung krankheitswertige Zustände belegt sein müssen, bei denen die Voraussetzungen für eine freie Willensbildung nicht mehr gegeben waren (...). [26] Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen vorliegend schon keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung im September 2021 unter einer die Einsichtsfähigkeit beeinträchtigenden krankhaften Störung der Geistestätigkeit i.S.d. § 2229 Abs. 4 BGB gelitten hatte. Eine entsprechende Diagnose, etwa einer dementiellen Entwicklung, ist nicht dokumentiert. (...). [27] Die Rechtspflegerin bei dem Nachlassgericht hatte anlässlich des Termins am 12.10.2021 nur 3 Wochen nach der Testamentserrichtung keinen Anlass zu Zweifeln an der Testierfähigkeit gesehen, auch wenn den Wahrnehmungen medizinischer Laien nur eine begrenzte Aussagekraft zukommt. Der Inhalt und die Ausgestaltung des Testamentes bieten ebenfalls keinen Anlass, Zweifel aufkommen zu lassen. Dieses entspricht im Kern den vorangegangenen Testamenten, mit denen jeweils einzelne Miterben sowie Erbquoten verändert wurden, ohne dass sich die Testierung insgesamt wesentlich verändert hätte. Konkrete Verhaltensauffälligkeiten der Erblasserin im September 2021 werden von dem Beteiligten zu 1) schon nicht vorgetragen. Soweit einzelne Episoden aus der Vergangenheit geschildert wurden, bei denen die Erblasserin sich bestohlen gefühlt hatte oder durch den Tod der Schwester psychisch belastet war, sind solche singulären Ereignisse nicht geeignet, eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit i.S.d. § 2229 Abs. 4 BGB im Zeitpunkt der Testamentserrichtung begründen zu können. Jura Intensiv Wichtig: Das Gericht nimmt Bezug auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 2229 BGB und leitet daraus ab, dass bis zum Beweis des Gegenteils von der Testierfähigkeit auszugehen ist. Diese Ausführungen haben eine enorme Praxisrelevanz, weil die Erblasser immer älter werden und die Demenz im 9. Lebensjahrzent nur eine Frage der Zeit ist. Die Justiz geht sehr behutsam vor, Erblasser für testierunfähig zu erklären und verlangt konkrete Anhaltspunkte, die gegen die Einsichtsfähigkeit sprechen. Solche hat B1 hier aber nicht vorgetragen. Wer Hochbetagte kennt, weiß, dass diese gute und schlechte Tage haben. Der 21. Senat des OLG Frankfurt weiß dies auch und verlangt konkrete Anhaltspunkte zeitlich vor und nach der Testamentserrichtung, die an der freien Willensbildung zweifeln lassen. Im Gegenteil geht aus der Patientenakte hervor, dass E im Krankenhaus als „orientiert“ eingestuft wurde. Das Hin- und Herspringen der E in Bezug auf die Erbeinsetzungen und die damit verbundenen Quoten kann nicht als Anhaltspunkt dienen, weil sie dieses Verhaltensmuster durchgehend zeigt. Auch die von E geäußerte Angst, bestohlen zu werden, ist nicht geeignet, an ihrem freien Willen zu zweifeln. Folglich bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die E zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments testierunfähig i.S.d. § 2229 BGB gewesen war. Testierfähigkeit lag damit vor. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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