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RA Digital - 02/2024

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72 Zivilrecht

72 Zivilrecht RA 02/2024 Wichtig: Weil keine Aufsichtsbehörde eine solche Zuwendung genehmigen darf, dürfte kein Erblasser solche Anordnungen gem. §§ 2232, 2233 BGB in einem offenen Testament treffen. [41] Würde man § 32 BO-Ä auch als gegenüber dem Testierenden wirkendes Testierverbot auslegen, dann würde diesem zudem die Möglichkeit, ein offenes Testament zu errichten, versagt werden. Eine Genehmigung der Zuwendung durch die Aufsichtsbehörde ist nicht vorgesehen. Dann wäre nur eine stille Testierung zulässig. Dies würde bereits eine unverhältnismäßige Einschränkung der Testierfreiheit begründen (...). [42] § 32 BO-Ä ist daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass dieses kein Testierverbot gegenüber der ein Testament errichtenden Person enthält und ein Verstoß des Arztes nicht zur Nichtigkeit des Testaments führt (...). Folglich liegt keine Teilnichtigkeit des Testamentes hinsichtlich der Miterbeneinsetzung des B2 gem. § 134 BGB i.V.m. § 32 BO-Ä vor. Die bloße Standeswidrigkeit genügt nicht zur Annahme der Sittenwidrigkeit. Eine Nichtigkeit gem. § 138 I BGB kann man z.B. annehmen, wenn der Erblasser auf Geheiß des seine Vertrauensstellung ausnutzenden Arztes testiert. Der Senat des OLG wertet die Vorgeschichte des Testaments und kommt zu dem Ergebnis, dass E den B2 als Vertrauten und nicht als Arzt eingesetzt hat. FAZIT Angesichts der vielen kinderlosen Hochbetagten, ist diese Entscheidung auch praktisch bedeutsam. § 32 BO-Ä ist nach Ansicht des OLG Frankfurt nicht mit § 14 HeimG vergleichbar, weshalb die Rechtsprechung des BverfG auch nicht auf § 32 BO-Ä übertragbar ist. Würde man das standeswidrige Verhalten des B2 in eine Nichtigkeitsfolge münden lassen, würde die Testierfreiheit der E in rechtlich unzulässiger Weise eingeschränkt. b) § 138 I BGB Fraglich ist, ob eine Teilnichtigkeit auf § 138 I BGB gestützt werden kann. [43] Die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2) ist auch nicht als sittenwidrig i.S.d. § 138 BGB anzusehen. Dies kann bereits nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden. Hierfür reicht ein etwaiges standeswidriges Verhalten nicht aus. Es bestehen darüber hinaus keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beteiligte zu 2) eine Zwangslage, die Unerfahrenheit oder eine Willensschwäche der Erblasserin ausgenutzt und diese zu der entsprechenden Testierung veranlasst hätte. Hiergegen spricht, dass die Erblasserin den Beteiligten zu 2) als Vertrauten angesehen hat, wie sich aus den ihm bereits seit vielen Jahren erteilten Vollmachten ergibt. Hiervon ausgehend hat die Erblasserin den Beteiligten zu 2) nicht in erster Linie in seiner Rolle als Arzt, sondern als Vertrauten zum Erben eingesetzt. Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass der Beteiligten zu 2) bereits seit dem Testament vom 30.06.2017 als Erbe eingesetzt war, ohne hiervon Kenntnis erlangt zu haben. Jura Intensiv Folglich liegt auch keine Nichtigkeit gem. § 138 I BGB vor. 5.Keine Nichtigkeit aufgrund einer Anfechtung Eine Anfechtung ist nicht ersichtlich. 6. Kein Widerruf gem. §§ 2253 ff. BGB Es liegt kein Widerruf gem. §§ 2253 ff. BGB vor. 7. Keine entgegenstehende Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments gem. §§ 2270, 2271 II BGB Das mit dem Ehegatten errichtete Testament enthielt keine wechselbezüglichen Verfügungen i.S.d. § 2270 BGB bezüglich des Längstlebenden. Folglich war E nicht i.S.d. § 2271 BGB gebunden. Also ist das Testament auch wirksam errichtet worden. B. Ergebnis B2 ist Miterbe. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2024 Referendarteil: Zivilrecht 73 Speziell für Referendare Problem: Abgrenzung Mangel – Mangelsymptom Einordnung: Schuldrecht AT und BT BGH, Urteil vom 27.10.2023 V ZR 43/23 EINLEITUNG Kaufverträge über das (neue) Eigenheim sind ein Grund zum Feiern. Es beginnt – früh oder spät – ein neuer Lebensabschnitt. Die Interessen der Parteien sind natürlich gespalten. Der Verkäufer will die Sache „wie sie ist“ verkaufen, der Käufer will keine bösen Überraschungen erleben. Aus diesem Grund wird die Mängelhaftung im Kaufvertrag ausgeschlossen. Die Grenze zeigt das Gesetz selbst auf, § 444 BGB. Dazu der folgende „Klassiker“: TATBESTAND Mit notariellem Vertrag vom 07.06.2016 erwarben die Kläger (K) von den Beklagten (B1 und B2) ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Bereits vor Abschluss des Kaufvertrags war es bei Regen wiederholt zu Wassereintritten auf die in dem Maklerexposé genannte überdachte Terrasse gekommen, und zwar sowohl in dem Bereich des von dem B2 selbst errichteten Kunststoffdachs als auch in dem von dem dachpfannengedeckten Hausdach überdachten Bereich; B2 hatte mehrere Reparaturversuche an dem Anschluss des Kunststoffterrassendachs zu dem Traufbereich des Hausdachs unternommen. Im Juni 2017 leiteten die K ein selbständiges Beweisverfahren ein. Hierbei ergaben sich zwei voneinander unabhängige Ursachen für den Wasseraustritt aus der Deckenverkleidung in dem bereits von dem Hausdach überdachten Bereich der Terrasse, nämlich einerseits eine mangelhafte Abdichtung des Kunststoffdachs zur Hauswand hin und andererseits Folienabrisse unter den Dachpfannen des Hausdachs in den Anschlussbereichen zum Traufbereich und zu den Dachfenstern. Im selbständigen Beweisverfahren wurden Schadensbeseitigungskosten in Höhe von insgesamt 32.100 € (Kunststoffterrassendach: 9.900 €; Hausdach: 22.200 €) sowie weiterer 248,97 € für eine Notreparatur im Anschlussbereich eines Dachfensters ermittelt. Die K behaupten, die Terrassenüberdachung und das Hausdach seien undicht. Die K beantragen, die B gesamtschuldnerisch zu verurteilen, eine Summe in Höhe von 32.100 € (Kunststoffterrassendach: 9.900 €; Hausdach: 22.200 €) sowie weiterer 248,97 € zu zahlen. Ferner beantragen die K festzustellen, dass die B gesamtschuldnerisch ersatzpflichtig für sämtliche künftige weitere Schäden aufgrund der Undichtigkeit des Daches sind. Die B beantragen, die Klage abzuweisen. Jura Intensiv Die B behaupten, der Wassereintritt stelle keinen Mangel als solchen, sondern allenfalls ein Symptom für einen Mangel dar. Sie vertreten ferner die Rechtsauffassung, dass Gewährleistungsansprüche aufgrund des im notariellen Kaufvertrag geregelten Ausschlusses ausgeschlossen sind. LEITSÄTZE 1. Unter einem Mangelsymptom sind äußerliche Merkmale eines Mangels zu verstehen, die auf dessen Vorhandensein schließen lassen. Von Mangelsymptomen kann also (nur) gesprochen werden, wenn die jeweiligen Umstände für sich genommen die Merkmale eines Sachmangels im Sinne von § 434 I BGB aF (noch) nicht erfüllen. 2. Abzustellen ist hierbei auf die übliche Beschaffenheit des Kaufobjektes. 3. Klärt der Verkäufer eines Hausgrundstückes den Käufer nicht über Wassereintritte durch ein Terrassendach – oder andere Mängel – auf, handelt er arglistig, auch wenn er deren Ursache(n) nicht oder nur teilweise kennt. 4. Hierbei ist allein entscheidend, ob der Verkäufer die den Mangel begründenden Umstände kennt; nicht relevant ist dagegen, ob er daraus den Schluss auf das Vorliegen eines Sachmangels zieht. 5. Ebenso wenig ist relevant, ob der Verkäufer die Mangelursache kennt. 6. Das Feststellungsinteresse hinsichtlich des Ersatzes weiterer, zukünftiger Schäden ergibt sich bei fiktiver Abrechnung bereits aus der zum jetzigen Zeitpunkt fehlenden Umsatzsteuer sowie aus Verjährungsaspekten. In der Klausur sind die Parteibezeichnungen auszuschreiben. Das Unstreitige wird im Indikativ Imperfekt dargestellt. Ausnahmen – insbesondere hier – sind Umstände, die sich auf die Gegenwart beziehen. Das selbstständige Beweisverfahren erfolgte zeitlich vor dem Prozess und ist daher nicht Prozessgeschichte. Aktuelle Anträge sind hervorzuheben. Dies erfolgt stets durch Einrücken, Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 313 Rn 19. Der streitige Parteivortrag wird im Präsens und indirekter Rede dargestellt. Trennen Sie zwischen Tatsachenbehauptungen und Rechtsansichten. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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