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RA Digital - 02/2024

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78 Referendarteil:

78 Referendarteil: Zivilrecht RA 02/2024 Der Erbfall ist also vor dem 24.11.2022 eingetreten. B1 möchte einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist. Sie nimmt damit wohl Bezug auf die testamentarische Regelung vom 26.04.2009 B2-B4, also die Kinder des vorverstorbenen Bruders der E, sind damit nicht einverstanden. Prozessgeschichte wird im Indikativ Perfekt dargestellt. Wer hier nicht stolpert, liest nicht richtig! Die Eltern der E sind vorverstorben, ebenso die Geschwister der E. B2-B4 müssten zu je 1/3 erben, §§ 1922, 1925 I, 1924 III BGB. Weitere Angaben im Sachverhalt fehlen. Wieso sollen diese nun „nur“ zu 1/2 insgesamt erben? Mutmaßlich bestand schon eine Ewigkeit lang kein Kontakt mehr zum Vater der E, F.K. und Ch. Ob dieser noch lebt, verheiratet war/ist und/oder weitere Kinder hat, wird unbekannt sein. Daher kann nur gesichert beantragt werden, dass im Erbschein der Erbteil der vorverstorbenen Mutter zugunsten B2-B4 besteht. Im Rahmen der Beschwerde wird letztendlich „nur“ geprüft, wer Erbe der verstorbenen E geworden ist. Hier bietet sich – auch im Assessorexamen – eine chronologische Prüfung an. Am 10.05.2021 erteilte E der B1 eine umfassende Vorsorgevollmacht. Mit notariellem Erbscheinsantrag vom 24.11.2022 (UR-Nr. (…) der Notarin ... in B.) beantragte die B1 nach Erbfall der E, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ausweist. Die B2-B3 sind dem entgegengetreten. Sie haben geltend gemacht, da die E im Testament vom 27.04.2016 lediglich ihre Schwester zur Alleinerbin eingesetzt und keine weiteren Verfügungen getroffen habe, habe sie keine Nach- oder Ersatzerbeneinsetzung verfügt. Das Testament sei dahingehend auszulegen, dass E von der im Testament vom 18.10.2009 verfügten Erbeinsetzung der B1 Abstand genommen habe. Anderenfalls hätte kein Anlass für die Errichtung des im Übrigen inhaltlich übereinstimmenden Testaments bestanden. Dafür spreche auch, dass E in allen Testamenten relevante Änderungen, insbesondere hinsichtlich der Ersatzerbeneinsetzung, vorgenommen habe, während die Erbeinsetzung von Ch. als Konstante in allen Testamenten vorgesehen gewesen sei. Dass E nach dem Tod von Ch. kein neues Testament errichtet habe, könne dahingehend verstanden werden, dass sie ein solches nach dem Tod der von ihr vorgesehenen Erbin nicht mehr benötigte. Es sei danach die gesetzliche Erbfolge anzuwenden. Mit Beschluss vom 07.06.2023 hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag der B1 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, E habe mit letztwilliger Verfügung vom 27.04.2016 die vorangegangenen Testamente, insbesondere dasjenige vom 18.10.2009, aufgehoben. B4 hat mit notariellem Erbscheinsantrag der Notarin (…) in It. vom 10.07.2023 (UR-Nr. 213/2023) beim Nachlassgericht Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge beantragt, der als Erben ausweist die unbekannten Erben des vorverstorbenen Vaters der Erblasserin zu ½ sowie die Beteiligten zu 2. bis zu 4. zu je 1/6. B1 wendet sich im Wege der Beschwerde gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts. Mit weiterem Beschluss vom 21.11.2023 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. II. Die gem. §§ 58 I, 59 I, 61 I, 63 I, III 1, 64 I, II FamFG zulässige Beschwerde der B1 hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag der B1 mit zutreffender Begründung zurückgewiesen. Die Erbfolge nach der E bestimmt sich nicht nach dem Testament vom 18.10.2009, sondern nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Jura Intensiv Die einzige Möglichkeit, wonach B1 Alleinerbin nach E geworden wäre, ergibt sich aus dem Testament der E vom 18.10.2009. Lediglich hier ist angeordnet, dass B1 anstelle der in erster Linie bedachten Schwester der E zur Erbfolge berufen sein soll, wenn diese – wie geschehen – vorversterben sollte. Das am 27.04.2016 errichtete Testament der E ist jedoch als Widerruf des zuvor genannten Testaments zu bewerten. Auslegung des Wortlautes des aktuellsten Testaments [21] Bereits Wortlaut und Inhalt des Testaments vom 27. April 2016 sprechen dafür, dass die Erblasserin mit der letztwilligen Verfügung ihre Erbfolge vollständig neu geregelt hat. Das Schriftstück ist mit „Mein Testament“ überschrieben und umfasst seinem Inhalt nach eine vollständige testamentarische Anordnung, nämlich die Erbeinsetzung der Schwester Ch. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2024 Referendarteil: Zivilrecht 79 Das Testament enthält an keiner Stelle auch nur den geringsten Anhalt, dass daneben noch die Ersatzerbenbestellung der Beteiligten zu 1. vom 18. Oktober 2009 Bestand haben sollte. [22] bb) Gegen den Willen zur Fortgeltung der Ersatzerbenbestimmung spricht vielmehr die Tatsache, dass die Erblasserin im Jahr 2016 ein neues Testament errichtet hat, in dem sie zwar die Erbeinsetzung ihrer Schwester wiederholt, die Benennung eines Ersatzerben aber unterlassen hat. Wäre es im April 2016 der Wille der Erblasserin gewesen, die Beteiligte zu 1. unverändert als Ersatzerbin der Schwester Ch. einzusetzen, hätte es einer neuen letztwilligen Verfügung ganz offensichtlich nicht bedurft. Die Erblasserin hätte vielmehr ihr Testament vom 18. Oktober 2009 unverändert bestehen lassen können. Dass sie dies nicht getan, sondern am 27. April 2016 eine neue testamentarische Verfügung getroffen hat, zwingt zu dem Schluss, dass die Erblasserin ihre Erbfolge abweichend von der bislang getroffenen Anordnung regeln und die Beteiligte zu 1. nicht mehr als Ersatzerbin berufen wollte. Auch stellt das Testament vom 27.04.2016 aufgrund der Ausführungen zum Haus und Zubehör nicht lediglich eine Konkretisierung hinsichtlich der Vermögensmassen dar. Einer solchen hätte es nicht bedurft. [23] (…). Die Abfassung der Testamente vom 3. April 2007, 26. April 2009, 18. Oktober 2009 und 27. April 2016 belegt im Gegenteil, dass die Erblasserin ihren letzten Willen stets vollständig und umfassend zu Papier gebracht und allenfalls mit Einschüben und Streichungen gearbeitet hat. In keinem einzigen Fall hat sie ihren letzten Willen nur unvollständig niedergelegt. (…). Weitere Umstände, die Zweifel daran aufkommen lassen, dass es sich bei dem Testament vom 27.04.2016 um eine umfassende Neuregelung des letzten Willens der E handeln könnte, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Der Annahme, dass B1 auch nach diesem Testament noch Ersatzerbin der vorverstorbenen Ch. sein soll, kann nur die Erwägung zugrunde liegen, dass das Testament vom 27.04.2016 das Testament aus Oktober 2009 ergänzt. Dem ist nicht so. Jura Intensiv [25] Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Erblasserin im Oktober 2009 die Bestimmung eines Ersatzerben grundsätzlich für sinnvoll erachtet hat und ferner unterstellt, dass sie dieser Auffassung auch noch Ende April 2016 war, rechtfertigt sich daraus nicht die Annahme, die Erblasserin habe am 27. April 2016 ihren letzten Willen nur unvollständig zu Papier gebracht und ergänzend an der Ersatzerbenbenennung der Beteiligten zu 1. vom 18. Oktober 2009 festhalten wollen. Denn die Erblasserin hatte bereits in der Vergangenheit ein Testament ohne eine Ersatzerbenbestimmung errichtet. Nachdem sie die Erbsatzerbenberufung ihres Bruders Friedrich-Karl . am 26. April 2009 gestrichen hatte, hat sie in ihrem Testament vom selben Tag zunächst nur ihre Schwester Ch. zur Alleinerbin berufen. Die Beteiligte zu 1. hat die Erblasserin erst Monate später - wahrscheinlich am 18. Oktober 2009 - als Ersatzerbin bestimmt. Nichts deutet darauf hin, dass die Erblasserin bei Abfassung ihres Testaments vom 27. April 2016 nicht in gleicher Weise verfahren ist und einstweilen von der Benennung eines Ersatzerben abgesehen hat. In diesem Fall hätte die Erblasserin ihren letzten Willen am 27. April 2016 vollständig und Keine Angaben zur Ersatzerbenstellung der B1 im aktuellsten Testament Das neue Testament, wiederum mit Erbeinsetzung der Schwester aber ohne Nennung der B1, spricht gegen die Ersatzerbenstellung der B1. Inhaltsänderung und der Umstand, dass überhaupt ein neues Testament errichtet wurde, sprechen für die Aufhebung der Ersatzerbenstellung der B1. Wichtiger Verständnispunkt: Die Ersatzerbenstellung ergibt sich hier nicht aus dem Gesetz, sondern aus einer willkürlichen Regelung der E. Sie muss also wirksam niedergeschrieben worden sein und noch Bestand haben. Ein gutes Beispiel dafür, wie das Gericht den Willen des Erblassers ermittelt. Es werden die Inhalte der Testamente, die zeitliche Abfolge und Gepflogenheiten des Erblassers berücksichtigt. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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