80 Referendarteil: Zivilrecht RA 02/2024 abschließend niedergelegt und sich - wie schon in April 2009 - nur vorbehalten, gegebenenfalls später einen Ersatzerben zu berufen. Nächster Punkt: Klärung der Frage, ob E die Ersatzerbenstellung aus dem Testament aus Oktober 2009 hätte streichen müssen E benutzte sowohl das Mittel der Streichung als auch das der Neuerrichtung. Ihr waren somit beide möglichen Vorgehensweisen bekannt. Letzter Punkt: E hat das Testament aus 2009 aufbewahrt und nicht vernichtet. Unerheblich ist ferner, dass die Ersatzerbenregelung im Testament aus Oktober 2009 nicht von der E handschriftlich gestrichen wurde. [26] (…). Zwar war - wie die Testamente vom 3. April 2007 und 26. April 2009 belegen - der Erblasserin bekannt, dass der Inhalt eines privatschriftlichen Testaments durch Einschübe und Streichungen rechtswirksam verändert werden kann. Das schließt es aber nicht aus, seinen geänderten letzten Willen alternativ durch die Errichtung eines vollständig neuen Testaments zum Ausdruck zu bringen. Es handelt sich dabei um eine ganz naheliegende Möglichkeit der Testamentsänderung, die auch einem juristischen Laien vertraut ist. Nichts deutet darauf hin, dass die Erblasserin dieses landläufige Wissen nicht besaß. Vielmehr ist die Erblasserin selbst in dieser Art und Weise verfahren, indem sie die Ersatzerbenberufung der Beteiligten zu 1. zunächst als Ergänzung ihres Testaments vom 26. April 2009 begonnen und sodann unter dem 18. Oktober 2009 durch die Errichtung eines vollständig neuen Testaments umgesetzt hat. Dass E auch alte Testamente nicht vernichtet, sondern aufgehoben hatte, ändert ebenfalls nichts daran, dass ein neues Testament ein zuvor errichtetes aufhebt. [27] (…). Die Aufbewahrung des „überholten“ Testaments vom 18. Oktober 2009 kann viele Gründe haben. Das zeigt schon die Tatsache, dass auch die früheren Testamente vom 3. April 2007 und 26. April 2009 noch vorhanden und vom Amtsgericht eröffnet worden sind. Dass dieses Testament nur Wirkung behalten sollte, weil es nicht vernichtet worden ist, ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus dem Willen der E. Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Jura Intensiv III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich. Die Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten folgt aus §§ 25 I, 22 I GNotKG. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 70 II 1 FamFG liegen nicht vor. Die Wertfestsetzung stützt sich auf §§ 40 I Nr. 2, 61 GNotKG. FAZIT B1 ist nicht Ersatzerbin der vorverstorbenen Ch., der Schwester der E, geworden. Das letzte Testament der E ist wirksam und hebt alle vorherigen letztwilligen Verfügungen auf. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 02/2024 NEBENGEBIETE Nebengebiete 81 Arbeitsrecht Problem: Rechtsweg zum Arbeitsgericht gem. § 2 III ArbGG Einordnung: Zusammenhangsklage nach § 2 III ArbGG BAG, Urteil vom 25.07.2023 9 AZR 43/22 EINLEITUNG Bei der Entscheidung über die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten kommt es entscheidend darauf an, ob ein sog. „Sic-non“-Fall vorliegt. Dies ist der Fall, wenn die Arbeitnehmerstellung des Klägers doppelrelevant ist, also nicht nur Voraussetzung für die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte, sondern zugleich Voraussetzung für den mit der Klage geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch ist. Bei einem solchen „Sic-non“-Fall lässt es die Rspr. für die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte genügen, wenn der Kläger lediglich behauptet, Arbeitnehmer zu sein. Die tatsächlichen Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses müssen nicht einmal schlüssig dargelegt werden. Damit soll eine unnötige Verweisung des Rechtsstreits an die ordentliche Gerichtsbarkeit aus Gründen der Prozessökonomie vermieden werden. Um ihren Prozess vor dem fachlich kompetenteren und vielleicht auch „arbeitnehmerfreundlicheren“ Arbeitsgericht führen zu können, argumentieren GmbH-Geschäftsführer deshalb häufig, ihr Anstellungsverhältnis sei ein Arbeitsverhältnis. Damit wird auf obige „Sic-non“-Rspr. abgezielt, die eine schlüssige Darlegung der Arbeitnehmerstellung ja nicht verlangt. Diese „sic-non“-Rspr. wirft aber Probleme auf, wenn ein Geschäftsführer klagt, der zwar nach dem nationalen Arbeitnehmerbegriff kein Arbeitnehmer ist, wohl aber nach dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff. Der nationale Arbeitnehmerbegriff kommt immer dann zur Anwendung, wenn die Unionsnorm auf den nationalen Begriff ausdrücklich oder im Wege der Auslegung verweist. Der autonome unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff gilt in auf unionsrechtlichen Rechtsnormen beruhenden Regelungsbereichen, soweit nicht auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff verwiesen oder der Arbeitnehmer nicht eigenständig definiert wird. Dies ist z.B. beim Urlaubsrecht der Fall. Da das ArbGG nicht auf Unionsrecht basiere, sei für die Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit allein der nationale Arbeitnehmerbegriff heranzuziehen. Im Bereich des Urlaubsrechts gilt aber der – weitere – unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff, weil das Urlaubsrecht auf der Umsetzung von europäischem Recht basiert. Dies führt dazu, dass klagende GmbH-Geschäftsführer urlaubsrechtliche Fragen vor den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit klären müssen, die weder mit der Rspr. des BAG noch derjenigen des EuGH zum Urlaubsrecht vertraut sind. Jura Intensiv LEITSATZ Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH kann Arbeitnehmer im Sinne des BUrlG sein. So BAG, Beschluss vom 08.02.2022, 9 AZB 40/21 Unionsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff: Der EuGH geht von dem Arbeitnehmerbegriff in Art. 45 AEUV zur Arbeitnehmerfreizügigkeit aus. in der Regel liegt ein Arbeitsverhältnis, wenn eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisungen Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH, 11.11.2020, C-232/09). Jedoch ist für den jeweils betroffenen Rechts- und Problemkreis bei der Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs der jeweilige Regelungszusammenhang von Bedeutung, so dass die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs in unterschiedlichen Regelungsbereichen auch unterschiedlich ausfallen kann. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
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