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RA Digital - 02/2024

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82 Nebengebiete

82 Nebengebiete RA 02/2024 SACHVERHALT Die Klägerin ist die ehemalige Fremdgeschäftsführerin der Beklagten. Die Beklagte hat die Klägerin vor dem Amtsgericht auf Rückzahlung von Tantieme in Anspruch genommen. Eine von der Klägerin erhobene Widerklage auf Entgeltfortzahlung ist vom Amtsgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 10. Juni 2020 abgetrennt und an das Arbeitsgericht verwiesen worden. Mit Schriftsatz vom 10. August 2020 hat die Klägerin diese Klage beim Arbeitsgericht um den – in der Revision allein relevanten – Urlaubsabgeltungsanspruch erweitert. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten im Urteil bejaht, ohne zuvor durch Beschluss über die mit Schriftsatz vom 12. November 2020 erhobene Rüge der Beklagten zu entscheiden, die Gerichte für Arbeitssachen seien für den erhobenen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht zuständig. Das Landesarbeitsgericht hat diese Verfahrensweise nicht beanstandet. Nach deutschem Recht ist gem. § 611a I 1 BGB Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. LÖSUNG [18] 2. Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Urlaubsabgeltung eröffnet ist. [19] a) Die Gerichte für Arbeitssachen sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG. [20] aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. [21] bb) Auszugehen ist dabei von dem allgemeinen nationalen und nicht von dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff (...). Die Frage des Zugangs zu den Gerichten für Arbeitssachen und der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der nationalen Gerichte fällt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Das Arbeitsgerichtsgesetz basiert nicht auf Unionsrecht und setzt dieses nicht um. § 5 ArbGG liegt keine unionsrechtliche Bestimmung zugrunde. Durch dieses Verständnis wird dem Dienstverpflichteten ein ggf. unionsrechtlich vermittelter Schutz nicht versagt. Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff ist in Bereichen, in denen Unionsrecht anzuwenden ist, das nicht auf den Arbeitnehmerbegriff des nationalen Rechts verweist, unabhängig davon zu beachten, ob der Rechtsstreit vor den Gerichten für Arbeitssachen oder den ordentlichen Gerichten geführt wird. [22] b) Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht bereits nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausgeschlossen, dem zufolge in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind, nicht als Arbeitnehmer gelten. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin ihr Amt als Geschäftsführerin im September 2019 niedergelegt und wurde zum 17. September 2019 als Geschäftsführerin aus dem Handelsregister ausgetragen. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2024 Nebengebiete 83 [23] c) Die Frage, ob die Klägerin als Geschäftsführerin ausnahmsweise als Arbeitnehmerin der Beklagten zu qualifizieren war (...), bedarf bezogen auf den Rechtsweg keiner abschließenden Entscheidung. Selbst wenn die Klägerin keine Arbeitnehmerin der Beklagten gewesen wäre, ergäbe sich die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen aus § 2 Abs. 3 ArbGG. [24] aa) Nach § 2 Abs. 3 ArbGG können vor die Gerichte für Arbeitssachen auch nicht unter § 2 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für die Geltendmachung des Anspruchs nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist. [25] bb) Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 ArbGG findet keine Anwendung, wenn die Zuständigkeit für die Zusammenhangsklage allein aus der Verbindung mit einem „Sic-non-Antrag“ folgen kann. Werden zusätzlich zu einem solchen Antrag weitere Anträge gestellt, muss für diese die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 ArbGG gesondert festgestellt werden. Anderenfalls könnten im Zusammenhang mit einer Sic-non-Klage, die nur erhoben wird, um den Rechtsstreit vor die Arbeitsgerichte zu bringen, Streitgegenstände vor die Gerichte für Arbeitssachen gelangen, für die andere Gerichte sachlich zuständig sind. Das wäre mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar, wonach der erkennende Richter normativ bestimmt sein muss (...). [26] cc) Vorliegend sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 ArbGG erfüllt. Die von der Klägerin verfolgten Entgeltfortzahlungsansprüche standen in rechtlichem Zusammenhang mit der im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Urlaubsabgeltung. [27] (1) Dem durch § 2 Abs. 3 ArbGG eröffneten Wahlrecht der Klägerin steht nicht bereits entgegen, dass das Amtsgericht in seinem Verweisungsbeschluss den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall als Sicnon-Fall qualifiziert und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat, ohne zu prüfen, ob es sich bei dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handelte. Durch den bindenden Verweisungsbeschluss ist zuvor die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für die Hauptklage auf Zahlung von Entgeltfortzahlung festgelegt worden. Damit ist die Besorgnis einer Manipulation bei der Auswahl des zuständigen Gerichts durch die Klägerin nicht gegeben. Die Klägerin hat die Hauptklage nicht etwa erhoben, um gleichzeitig oder anschließend auch einen Antrag auf Urlaubsabgeltung vor die Arbeitsgerichte zu bringen, sondern die Klage – prozessökonomisch nachvollziehbar – um diesen Anspruch erst erweitert, nachdem bereits aufgrund der Verweisung durch das Amtsgericht rechtskräftig feststand, dass die Hauptklage vor dem Arbeitsgericht verhandelt werden würde. [28] (2) Zwischen Haupt- und Zusammenhangsklage besteht auch ein rechtlicher Zusammenhang iSv. § 2 Abs. 3 ArbGG. Ein solcher liegt vor, wenn ein Zusammenhang zu den vorgebrachten Verteidigungsmitteln des Beklagten nach § 33 ZPO besteht (...). Dies ist hier gegeben. Die Beklagte hat zur Abwehr beider erhobener Ansprüche einheitlich eingewandt, dass das Geschäftsführeranstellungsverhältnis kein Arbeitsverhältnis darstelle. Jura Intensiv Zum rechtlichen Charakter eines Anstellungsverhältnisses eines GmbH- Geschäftsführers vgl. BAG 8. Februar 2022, 9 AZB 40/21, Rn 22. Das BAG stellt klar, dass man sich den Weg zu den Arbeitsgerichten nicht dadurch eröffnen kann, dass man einfach in Klagehäufung noch irgendeinen „Sic-non-Antrag“ stellt. Vielmehr gilt: Für jeden geltend gemachten Anspruch ist separat zu prüfen, ob er ein „Sic-non-Antrag“ ist oder nicht. U.U. kann es am Ende zu einer Trennung der Verfahren kommen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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