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RA Digital - 02/2024

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Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

92 Öffentliches Recht

92 Öffentliches Recht RA 02/2024 Legitimes Ziel Relevanz der Risikobewertungen des RKI Geeignetheit Erforderlichkeit Angemessenheit Vgl. dazu Drossel/Weber, NVwZ 2022, 365 ff.; Lange; JURA 2023, 1040 ff., jeweils m.w.N. NRW, 1. Examen, Termin Januar 2022, 2. Klausur Die umstrittenen Anordnungen dienten der Aufrechterhaltung des parlamentarischen Betriebs und damit einem legitimen Ziel. „Die Antragsgegnerin […] durfte sich […] an den fortlaufend aktualisierten Lageberichten des RKI orientieren, dem der Bundesgesetzgeber auch schon in der damaligen Fassung des § 4 des Infektionsschutzgesetzes eine zentrale Rolle bei der Erfassung und Auswertung des wissenschaftlichen Erkenntnisstands zugewiesen hatte, sodass dessen Einschätzung im Bereich des Infektionsschutzes ein besonderes Gewicht beizumessen war. […] Dass in Fachkreisen mitunter abweichende Einschätzungen zu den Risikoannahmen des RKI geäußert wurden, stellte deren Verwertbarkeit als maßgebliche Informationsquelle nicht in Frage.“ Die in den Anordnungen Nr. 2-4a vorgesehenen Schutzvorkehrungen waren zu Zielerreichung geeignet, indem sie erkrankten oder potenziell erkrankten Personen den Zutritt zum Parlament verwehrten (Anordnung Nr. 2) und die Ansteckungsgefahr durch Aerosol-Partikel reduzierten (Anordnungen Nr. 3 und 4a). Weiterhin waren sie unter Berücksichtigung des Einschätzungsspielraums der Landtagspräsidentin auch erforderlich, mildere gleich effektive Mittel sind hier nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Angemessenheit der Maßnahmen ist zu beachten, dass Treffen mit Besuchern außerhalb des Parlamentsgebäudes möglich blieben, sodass die Anordnung Nr. 2 nur eine geringe Belastungswirkung hatte. Die Anordnungen Nr. 3 und 4a behinderten die effektive Mitwirkung an der Parlamentsarbeit ebenfalls nur geringfügig. Demgegenüber bestand die Gefahr, dass die Teilnahme eines einzigen infizierten Parlamentariers an einer Plenarsitzung zur Quarantäne vieler Parlamentarier hätte führen können, wodurch die Repräsentationsfähigkeit und eventuell sogar die Beschlussfähigkeit des Landtags in Frage gestellt gewesen wäre. Daher ist von der Angemessenheit der Anordnungen auszugehen. Folglich ist der Eingriff in die Organrechte der Antragsteller gerechtfertigt, sodass ihr Antrag unbegründet und damit erfolglos ist. Jura Intensiv FAZIT Die Entscheidung arbeitet etliche Rechtsprobleme ab, woraus sich ihre Examensrelevanz ergibt. In der Zulässigkeit muss ganz genau zwischen den einzelnen Anordnungen und ihrem Adressatenkreis differenziert werden. Hinzu tritt das Problem der Erledigung. In der Begründetheit setzt sich die genannte Differenzierung bei der Prüfung des Eingriffs in das freie Mandat fort. Den examensrelevanten Schwerpunkt stellen allerdings die Rechtsfragen rund um den Bereich Hausrecht / Polizeigewalt / Geschäftsordnungsautonomie / Sitzungsleitung dar, verbunden mit der Frage nach dem Erfordernis einer parlamentsgesetzlichen Regelung und dem Problem der Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Die aufgeworfenen Fragestellungen halten im Übrigen auch die Justizprüfungsämter für prüfungstauglich, wie ein Blick in die Examensauswertungen zeigt. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 02/2024 Öffentliches Recht 93 Problem: Rücknahme Kleiner Waffenschein wegen Mitgliedschaft in „Junge Alternative“ Einordnung: Waffenrecht VGH München, Beschluss vom 23.11.2023 24 CS 23.1695 EINLEITUNG Dem Beschluss des VGH München liegt die hoch aktuelle Frage zugrunde, ob die Mitgliedschaft in der AfD oder ihrer Jugendorganisation Junge Alternative der Grund dafür sein kann, eine waffenrechtliche Erlaubnis zu versagen bzw. eine erteilte Erlaubnis aufzuheben. SACHVERHALT A erhielt auf seinen Antrag am 21.03.2022 die Erlaubnis zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen (Kleiner Waffenschein). Im Nachgang zu dieser Entscheidung wurde die Erlassbehörde durch ihre Aufsichtsbehörde darauf hingewiesen, dass A bis mindestens Juli 2020 erster Vorsitzender des Bezirksverbands Bayern der Junge Alternative (JA) Bayern gewesen ist. Die JA Bayern ist seit 2019 Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV). Daraufhin nahm die Erlassbehörde den Kleinen Waffenschein mit der Begründung zurück, A sei unzuverlässig i.S.d. WaffG, da Tatsachen vorlägen, die die Annahme rechtfertigten, dass er in den letzten fünf Jahren Mitglied einer Vereinigung gewesen sei, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge und dass er diese unterstützt habe. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgingen, genüge das Vorliegen eines tatsachenbegründeten Verdachts, dass die Vereinigung verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge; ein Nachweis der Verfolgung solcher sicherheitsgefährdenden Bestrebungen sei nicht erforderlich. Ist die Rücknahme des Kleinen Waffenscheins rechtmäßig? Jura Intensiv [Anm.: Es ist zu unterstellen, dass die Rücknahme formell rechtmäßig ist.] LÖSUNG Die Rücknahme des Kleinen Waffenscheins ist rechtmäßig, wenn sie auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruht, die formell und materiell rechtmäßig angewendet wurde. I. Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme ist § 45 I WaffG. LEITSÄTZE 1. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b) bzw. c) WaffG besitzt eine Person die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, wenn - erstens - Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Mitglied in einer Vereinigung gewesen ist bzw. eine solche unterstützt hat, die - zweitens - ihrerseits während der Mitgliedschaft bzw. zum Zeitpunkt der Unterstützung nachweislich eine der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) WaffG genannten Bestrebungen verfolgt hat. 2. Das Verfolgen von verfassungsfeindlichen Bestrebungen durch diese Vereinigung muss für die zuständige Behörde demnach feststehen; es genügt nicht, dass Tatsachen die Annahme der Verfolgung einer solchen Bestrebung nur rechtfertigen. Obersatz Spezialvorschrift zu § 48 VwVfG II. Formelle Rechtmäßigkeit der Rücknahme Die Rücknahme ist formell rechtmäßig. III. Materielle Rechtmäßigkeit der Rücknahme Die Rücknahme ist materiell rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen des § 45 I WaffG erfüllt sind. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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