98 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 02/2024 Streitiges des Antragsgegners: Konjunktiv Präsens. Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, dass zunächst darauf hinzuweisen sei, dass selbst wenn der Antrag Erfolg habe, die Antragstellerin den Lehrauftrag nicht wahrnehmen könne. Eine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit dürfe nur ausgeübt werden, wenn eine Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt werde. Zudem sei die Erstellung des Lehrplans für die Vorlesungszeit ab September bereits abgeschlossen. Der Kurs „Interkulturelle Kompetenz“ sei bereits abschließend mit Lehrkräften besetzt. Der Widerrufsbescheid sei auch offensichtlich rechtmäßig. [Wiederholung des Vorbringens aus dem Ausgangsbescheid].“ II. Urteilsstil: Ergebnis voranstellen Obersatz fehlt (vgl. dazu RA 6/2023, 318, 321). Prüfung des § 80 III VwGO ist zu kurz (vgl. dazu RA 3/2023, 149, 150). Obersatz bei einem Antrag nach § 80 V 1 2. Fall VwGO. Zentrale Begriffe: • Interessenabwägung • Erfolgsaussichten in der Hauptsache • Besonderes Vollzugsinteresse Obersatz gehört allerdings vor die Prüfung der Anordnung der sofortigen Vollziehung und muss die Prüfung ihrer formellen Rechtmäßigkeit umfassen. Überleitung zur Subsumtion. Andere typische Formulierungen: „Gemessen hieran“, „Nach diesem rechtlichen Maßstab“. Ermächtigungsgrundlage Formelle Rechtmäßigkeit Materielle Rechtmäßigkeit FHGöD = Fachholschulgesetz öffentlicher Dienst NRW „Der zulässige Antrag der Antragstellerin, […] ist begründet. […] Die […] Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in formeller Hinsicht fehlerfrei zustande gekommen, wobei auch das besondere öffentliche Interesse hieran gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in ausreichendem Maße schriftlich begründet worden ist. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung eines Hauptsacherechtsbehelfs aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise wiederherstellen. Für die Entscheidung ist maßgeblich, ob das (private) Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs oder das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Hierbei kommt es insbesondere auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache an. In der Regel überwiegt das Interesse […] einer Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dann, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Umgekehrt überwiegt das öffentliche Interesse, wenn sich der angefochtene Bescheid nach der allein gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig erweist und der Antragsgegner ein besonderes Interesse an der Vollziehung darlegen kann, das über das eigentliche Interesse am Erlass des Verwaltungsakts hinausgeht. Jura Intensiv Nach diesen Grundsätzen überwiegt hier das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, da der angefochtene Bescheid vom 28. Juli 2023 zumindest bei der hier allein gebotenen summarischen Prüfung rechtswidrig ist. Ermächtigungsgrundlage für den […] Widerruf des der Antragstellerin erteilten Lehrauftrags […] ist § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG NRW. […] Der Widerruf begegnet zunächst keinen formellen Bedenken. Insbesondere hat der Antragsgegner die Antragstellerin mit Schreiben vom 23. Juni 2023 zu dem beabsichtigten Widerruf ihres Lehrauftrages angehört, § 28 Abs. 1 VwVfG NRW. Der Widerruf ist jedoch materiell rechtswidrig. […] Nach § 21 FHGöD kann mit der Wahrnehmung von Lehraufgaben betraut werden, wer nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung den Anforderungen der Fachhochschule entspricht. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 02/2024 Referendarteil: Öffentliches Recht 99 Der Antragsgegner ist danach berechtigt, geeigneten Lehrkräften Lehraufträge zu erteilen und dementsprechend grundsätzlich auch, den sich aufgrund nachträglich eintretender Umstände nicht als geeignet erweisenden Lehrbeauftragten diesen Lehrauftrag wieder zu entziehen. Ebenso wie die - positive - Eignungsfeststellung eine umfassende Würdigung der Gesamtpersönlichkeit […] der Bewerberin verlangt, setzt jedoch auch die - negative - Feststellung der Nichteignung als Lehrbeauftragte eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Eignung der Lehrkraft sprechenden, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorliegenden Umstände voraus. Die Annahme, eine Lehrbeauftragte sei ungeeignet für ihre Aufgabe, muss mithin Ergebnis einer Würdigung sein, nach der unter Berücksichtigung der ihr anzulastenden Umstände sowie deren Häufigkeits- und Schweregrades und der von ihr bislang gezeigten Leistungen und Befähigungen anzunehmen ist, dass sie als Lehrbeauftragte nicht geeignet ist. Da sich die Anforderungen, die an […] eine Bewerberin um ein öffentliches Amt zu stellen sind, nach den wahrzunehmenden Aufgaben bestimmen, folgt hieraus: An die Eignung von […] Bewerberinnen für Lehraufträge ist der Maßstab der funktionsbezogenen Treuepflicht anzulegen […]. […] Die Inhaberin eines öffentlichen Amtes, […] die keinen Beamtenstatus hat, schuldet […] diejenige politische Loyalität, die für eine funktionsgemäße Amtsausübung unverzichtbar ist. […] Nach Maßgabe dessen spricht einiges dafür, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Tweets vom 20. Mai 2023 („ganzer brauner Dreck“) Anlass für Zweifel an ihrer Eignung für den Lehrauftrag in dem Fach „Interkulturelle Kompetenz“ an der I. gegeben hat. Aus dem Verständnis eines unvoreingenommenen Dritten ist die Äußerung der Antragstellerin jedenfalls mehrdeutig zu verstehen, so dass es nicht gänzlich abwegig ist, die Äußerung „ganzer brauner Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden“ als Diskreditierung großer Teile der Angehörigen des Polizeidienstes zu verstehen. Wer Personen eine nationalsozialistische Gesinnung zuschreibt, impliziert damit, dass diese Personen dieses Gedankengut hegen und entsprechend handeln. Die Antragstellerin selbst hat mit ihrer E-Mail vom 22. Mai 2023 an den Antragsgegner klargestellt, dass sie mit der Bezeichnung „brauner Dreck“ weder alle Polizisten und Polizistinnen, noch die Sicherheitsbehörden oder Polizeischüler und Polizeischülerinnen gemeint habe, sondern ausschließlich die „Gesinnung von Beamten und Beamtinnen, die menschenverachtend und rassistisch unterwegs“ seien. Soweit die Antragstellerin weiter meint, sie habe mit dieser Äußerung auf strukturelle Probleme in Bezug auf rassistische Polizeikontrollen und Polizeigewalt hinweisen wollen, lässt ihre gewählte Ausdrucksweise „ganzer brauner Dreck“ allerdings einen sachlichen Diskurs zu diesem Thema […] vermissen. […] Jura Intensiv Ob der Antragstellerin aufgrund vorstehender Erwägungen die erforderliche Eignung für den Lehrauftrag in dem Fach „Interkulturelle Kompetenz“ abzusprechen ist, kann allerdings im Ergebnis offenbleiben. Da jedenfalls der Schluss auf eine Nichteignung nicht zwingend ist, hatte der Antragsgegner eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller wesentlichen tatsächlichen und persönlichen oder anderer für die Eignung Prüfungsmaßstab Problematisches Merkmal: Eignung der Antragstellerin Entscheidend: Gesamtwürdigung / Gesamtabwägung Ausmaß der Treuepflicht hängt ab von der konkret ausgeübten Funktion. Subsumtion: Eignung zweifelhaft Auslegung des Tweets Keine zulässige Formulierung in einer Klausur, dort muss die aufgeworfene Frage abschließend beantwortet werden. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
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