Aufrufe
vor 7 Jahren

RA Digital - 03/2016

  • Text
  • Jura
  • Intensiv
  • Inhaltsverzeichnis
  • Stgb
  • Anspruch
  • Recht
  • Strafrecht
  • Urteil
  • Zivilrecht
  • Antragsgegnerin
Die monatliche Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

116 Zivilrecht

116 Zivilrecht RA 03/2016 Widersprüchliches Verhalten des Auftraggebers soll nicht zu einem Ersatz des Mangelschadens führen Der Schadensersatzanspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 I 1 BGB verlangt einen durchsetzbaren Anspruch auf Nacherfüllung, jedoch ging dieser durch die rügelose Abnahme des Werkes verloren. Die Fristsetzung ist vorliegend auch nicht ausnahmsweise nach § 281 II, 636 BGB entbehrlich. Das Gericht stellt in Rn 52 u. 53 der Entscheidung klar, dass Ansprüche aus §§ 634 Nr. 4, 280 I BGB wegen Ersatz des Mangelfolgeschadens durch die rügelose Abnahme nicht erfasst sind. § 640 II BGB schließt alle Ansprüche auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten aus, nach Auffassung des OLG Schleswig aber nicht Mangelfolgeschäden. Diese könnten nach Auffassung des Gerichts z.B. entstehen, wenn künftige Mieter aufgrund der fehlenden Rolladenkästen im OG die Miete mindern würden. Damit sieht das OLG in Mangelfolgeschäden nicht nur Schäden, die aufgrund eines Mangels an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit oder sonstigem Eigentum entstehen, sondern auch Vermögensschäden durch entgangene Nutzungen. Ansprüche aus § 634 Nr. 4 BGB nicht und differenziert so nicht zwischen diesen beiden Schadensarten. Es erscheint jedoch kaum interessengerecht, dass dem Besteller auch der Anspruch auf Ersatz des Mangelschadens erhalten bleiben soll. Er verhält sich nämlich widersprüchlich, wenn er zwar einerseits das Werk trotz des ihm bekannten Mangels als vertragsgerecht annimmt, andererseits jedoch später die Mittel ersetzt haben möchte, um den Mangel zu beseitigen. [40] Dabei ist die Differenzierung zwischen verschuldensabhängigen und verschuldensunabhängigen Ansprüchen wenig überzeugend. Angesichts des Umstandes, dass der Werkunternehmer jeden Verstoß gegen die Regeln der Technik zu vertreten hat, wird man ohnehin im Regelfall von einem Verschulden ausgehen müssen, so dass auch die Ansprüche nach § 634 Nr. 1 bis 3 danach nicht entfallen müssten. [41] Vor allem jedoch lassen sich die Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs nicht mehr erreichen. Denn er setzt nach § 281 Abs. 1 BGB voraus, dass der Besteller dem Werkunternehmer fruchtlos eine Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt hat. Das setzt wiederum einen durchsetzbaren Anspruch auf Nacherfüllung voraus, den der Besteller durch die rügelose Abnahme gerade verloren hat. Nicht umsonst stellte der BGH in seiner Entscheidung heraus, dass nach Wegfall der anderen Mangelgewährleistungsansprüche der Schadenersatzanspruch erhalten bleibe, wenn dessen Voraussetzungen vorlägen. Im entschiedenen Fall sollten die Voraussetzungen deswegen vorliegen, weil der Unternehmer die Mangelbeseitigung verweigert hatte. Darin liegt jedoch ein logischer Bruch, weil der Werkunternehmer die Nachbesserung nach der rügelosen Abnahme verweigern darf. Der Anspruch auf Nacherfüllung nach § 634 Nr. 1 BGB (§ 633 BGB a. F.) soll dem Besteller gerade nicht mehr zustehen. [42] Anders wäre es nur, wenn man davon ausginge, dass in der Abnahme in Kenntnis eines Mangels ein Grund liegen könnte, um nach §§ 281 Abs. 2, 636 BGB ohne Fristsetzung sofort Schadenersatz verlangen zu können. Das scheint angesichts des einseitigen, gegen eigene Interessen verstoßenden Verhaltens des Bestellers als nicht überzeugend. [43] Damit fehlt die doppelte Vertragsuntreue des Werkunternehmers, die zur Begründung der scharfen Sanktion des Schadenersatzanspruches herangezogen wird. Einerseits ist das Werk vom Besteller als vertragsgerecht anerkannt worden, andererseits darf der Werkunternehmer die Nachbesserung verweigern. Faktisch wäre er dazu allerdings gezwungen, um dem Schadenersatzanspruch zu entgehen. Im Ergebnis müsste der Besteller trotz der rügelosen Abnahme und entgegen der Regelung des § 640 Abs. 2 BGB kaum eine Einschränkung seiner Rechte hinnehmen. Jura Intensiv Ein möglicher Schadensersatzanspruch des K auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten ist damit ebenfalls gem. § 640 II BGB ausgeschlossen. C. Ergebnis K kann von B keine Zahlung i.H.v. 30.000 € wegen fehlender Rollläden im Obergeschoss gem. §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 I 1 BGB verlangen. FAZIT Nach Auffassung des OLG Schleswig schließt § 640 II BGB auch Ansprüche auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten gem. §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 I 1 BGB aus, nicht aber Mangelfolgeschäden. Inhaltsverzeichnis

RA 03/2016 Zivilrecht 117 Problem: Videoüberwachung in der Nachbarschaft Einordnung: Unterlassungsanspruch und APR AG Brandenburg, Urteil vom 22.01.2016 31 C 138/14 EINLEITUNG Wer Bildnisse von Personen herstellt, wer diese insbesondere mit der Videokamera filmt, kann sehr schnell in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreifen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kommt es zur Beantwortung der Frage, ob dieser Eingriff auch rechtswidrig ist, auf eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls an. Bei der hierzu vorzunehmenden Güter- und Interessensabwägung werden die verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten berücksichtigt. Wie man dies fachgerecht macht, zeigt die Entscheidung des AG Brandenburg sehr anschaulich. SACHVERHALT (LEICHT ABGEWANDELT) Kläger (K) und Beklagter (B) sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in der X-Straße. Aufgrund einer eingetragenen Grunddienstbarkeit ist K berechtigt, über den Hof des Grundstücks des B und durch eine Tür zwischen den beiden Nachbargrundstücken auf sein eigenes Grundstück zu gelangen. Dieses Recht nehmen K und seine Familie täglich wahr. Im März 2014 bringt B an der Wand seines Hinterhauses eine Videokamera an. Diese hat zwar ein leichtgängiges Kugelgelenk, besitzt jedoch keinen (Elektro-) Motor, so dass ihr Aufzeichnungsfeld nur unter Zuhilfenahme einer Leiter oder mit Hilfe eines Stocks per Hand veränderbar ist. Eine derartige Veränderung kann allerdings jederzeit ohne Schwierigkeiten erfolgen. K ist über die derzeitige Ausrichtung der Kamera sehr verärgert, da sie direkt auf die Toreinfahrt gerichtet und so den gesamten Bereich der Toreinfahrt, den er als Zuwegung nutzt, überwacht. K ist der Ansicht, B greife mit der Anfertigung der Videoaufzeichnungen in sein Persönlichkeitsrecht ein. Es ist für ihn nicht nachvollziehbar, warum B die Kameras nicht an der Hofseite des Vorderhauses angebracht hat. Hier wäre es wesentlich einfacher, den vom Wegerecht erfassten Grundstücksteil von einer Beobachtung auszunehmen. K verlangt von B, eine weitere Überwachung auf den Grundstücksteilen zu unterlassen, welche von ihm als Zugangsweg zu seinem Grundstück genutzt werden. Zu Recht? Jura Intensiv LEITSÄTZE Grenzen und Zulässigkeit der Videoüberwachung im Nachbarrecht (Art. 1, 2 und 14 GG, § 823 und § 1004 BGB, § 6 und § 6b BDSG, § 286 ZPO). LÖSUNG A. Anspruch des K gegen B auf Neuausrichtung der Kamera analog § 1004 I 1 BGB i.V.m. § 823 I BGB, Art. 2 I, 1 I GG K könnte gegen B einen Anspruch auf Neuausrichtung der Kamera analog § 1004 I 1 BGB i.V.m. § 823 I BGB, Art. 2 I, 1 I GG haben. I. Persönlichkeitsrechtsverletzung Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 I, 1 I GG (im Folgenden: APR) schützt das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner personalen und sozialen Identität. Es umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen. Es schützt jedermann vor Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. Art. 2 I, 1 I GG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats