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RA Digital - 03/2017

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126 Zivilrecht

126 Zivilrecht RA 03/2017 LÖSUNG K gegen B aus § 488 I 2 BGB I. Abschluss eines Darlehensvertrages K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens i.H.v. 200.000 € gem. § 488 I 2 BGB haben. Dazu müsste zwischen ihnen ein Darlehensvertrag geschlossen worden sein. Der Darlehensvertrag wurde zunächst am 17.01.1995 zwischen E und K geschlossen. Allerdings unterzeichnete auch B nach Auszahlung der ersten Darlehensrate am 10.04.1995 den Vertrag. Fraglich ist, ob sie dies zur echten Mitdarlehensnehmerin, zur bloßen Mithafterin oder zur Bürgin macht. Voraussetzungen, um einen Ehepartner als echten Mitdarlehensnehmer einstufen zu können Um echter Mitdarlehensnehmer zu sein, ist ein erkennbar eigenes sachliches bzw. persönliches Interesse an der Kreditaufnahme sowie Gleichberechtigung bei Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta erforderlich. BGH, Urteile vom 25.01.2005, XI ZR 325/03 und vom 16.06.2009, XI ZR 539/07 „II.1.a) Nach der st. Rspr. hängt die rechtliche Qualifizierung der von dem Ehepartner oder Angehörigen des Darlehensnehmers übernommenen Verpflichtung als eigene Darlehensschuld oder als reine Mithaftung davon ab, ob der Ehepartner oder Angehörige nach dem maßgeblichen Willen der Beteiligten als gleichberechtigter Vertragspartner neben dem Darlehensnehmer einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta haben und im Gegenzug gleichgründig zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sein oder aber ob er ausschließlich zu Sicherungszwecken mithaften und damit eine ihn einseitig belastende Verpflichtung übernehmen sollte. Zu den bei der Ermittlung des wirklichen Parteiwillens zu beachtenden Auslegungsgrundsätzen gehören insbesondere die Maßgeblichkeit des Vertragswortlauts als Ausgangspunkt jeder Auslegung und die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner.“ „II.1b) Der Wortlaut des vorformulierten Darlehensvertrages spricht zwar dafür, dass [B] echte Mitdarlehensnehmerin ist. Die Bezeichnung als „Darlehensnehmerin“ deutet für sich genommen darauf hin, dass der Darlehensvertrag mit ihr und ihrem verstorbenen Ehemann gemeinsam geschlossen wurde. Dem Wortlaut ist aber angesichts der Stärke der Verhandlungsposition der kreditgewährenden Bank und der allgemein üblichen Verwendung von Vertragsformularen grds. weniger Bedeutung beizumessen als sonst. Nach der gefestigten Rspr. des erkennenden Senats ist als Mitdarlehensnehmer daher ungeachtet der konkreten Vertragsbezeichnung in aller Regel nur derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes sachliches und/ oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hat sowie im Wesentlichen gleichberechtigt über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta bzw. bestimmter Teile davon mitentscheiden darf.“ „II.1. b) Ein solches Interesse an der Kreditaufnahme hatte [B] nicht. Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsschließenden diente das Darlehen über 560.300 DM ausschließlich zur Finanzierung des Bauvorhabens auf dem im Alleineigentum des E stehenden Grundstück in Gardelegen und ist ausschließlich dazu verwandt worden. Dass [B] gleichwohl über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta oder Teilen davon als im Wesentlichen gleichberechtigte Vertragspartei mitbestimmen durfte und von einem solchen Recht ganz oder teilweise Gebrauch gemacht hat, ist nicht ersichtlich. Der Verwendungszweck, d.h. die Finanzierung des Bauvorhabens des E, war bereits im Darlehensvertrag festgelegt. Zwar mag die Errichtung des Mehrfamilienhauses in Gardelegen Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2017 Zivilrecht 127 auch der Erzielung von Mieteinkünften und steuerlichen Vorteilen sowie der privaten Altersvorsorge gedient haben. Dies spricht aber nicht für eine gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerschaft, sondern allenfalls für einen mittelbaren Vorteil der K aus der Kreditaufnahme.“ Mithin ist der B aufgrund des Vertrages mit K keine echte Darlehensnehmerin. Fraglich ist, ob sich der Anspruch auf Zahlung der K gegen B i.H.v. 200.000 € wegen Schuldbeitritts der B aus §§ 311 I, 241 I, 488 I 2 BGB ergibt, oder ob B als Bürgin gem. § 765 I BGB haftet. In beiden Fällen wird dem Gläubiger als zusätzliche Sicherheit ein Anspruch gegen einen Mithaftenden gewährt. Dogmatisch unterscheiden sich die Bürgschaft und der Schuldbeitritt jedoch. Die Bürgschaft ist nach ihrem klaren Leitbild in § 767 I BGB streng akzessorisch, der Schuldbeitritt begründet eine Gesamtschuld und damit eine eigene Verbindlichkeit. Hier spricht schon der klare Wortlaut gegen eine Bürgschaft. Ferner ergibt sich aus der Interessenlage nichts Abweichendes. Die Stellung als Gesamtschuldner hat, wie § 425 II BGB zeigt, auch Vorteile. Bei der einseitig verpflichtenden Mithaftungserklärung kommt es anders als bei der echten Darlehensmitübernahme auch nicht auf ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erfüllung der Hauptverbindlichkeit oder ein sachliches oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme an. Folglich ist hier von einer einseitig verpflichtenden Mithaftungserklärung auszugehen und mithin ein Anspruch aus §§ 311 I, 241 I BGB i.V.m. § 488 I 2 BGB entstanden. II. Sittenwidrigkeit gem. § 138 I BGB Dieser könnte jedoch gem. § 138 I BGB nichtig sein. Dies setzt eine Sittenwidrigkeit des Vertrags voraus. „II.3.a) Nach der st. Rspr. des Senats ist bei Vorliegen einer krassen finanziellen Überforderung des Mitverpflichteten ohne Hinzutreten weiterer Umstände im Wege einer tatsächlichen Vermutung von der Sittenwidrigkeit der Mithaftungserklärung auszugehen, wenn der Hauptschuldner dem Mithaftenden persönlich besonders nahe steht, wie dies im Verhältnis zwischen Ehegatten und damit auch hier der Fall ist. Dann kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass der Mithaftende die ihn vielleicht bis an das Lebensende übermäßig finanziell belastende Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gestellt und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat. Es handelt sich hierbei um eine tatsächliche Vermutung, die der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Gläubiger zu widerlegen hat.“ „II.3.b) bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durfte [K] im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse der [B] nicht ohne Weiteres darauf vertrauen, dass diese über die in dem Schreiben ihres Ehemanns vom 30.03.1995 angegebenen Vermögenswerte verfügte. Für eine solche Annahme fehlt es - wie die Revision zu Recht rügt - an entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts.“ II.3.b) bb) Nach der Rspr. des Senats wird die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Gläubigers nicht ohne weiteres dadurch widerlegt, dass Wertangaben des Bürgen oder Mithaftenden in einer in zeitlichem Zusammenhang mit dem Abschluss des Jura Intensiv Wer mit den Tiefen des Bankrechts nicht so vertraut ist, würde hier eine Bürgschaft gem. § 765 BGB annehmen. Dies wäre zumindest in der 1. juristischen Prüfung, in der nicht auf den Palandt zurückgegriffen werden darf, mit entsprechender Begründung auch sehr gut vertretbar. Im Assessorexamen kann das Verkennen der hier vorliegenden „einseitig verpflichtenden Mithaftungserklärung“ zu Punktabzügen führen. Der BGH ordnet die Mithaftungserklärung Jahren als Form des Schuldbeitritts ein (BGH, Urteil vom 25.01.2005, XI ZR 325/03 und Urteil vom 16.06.2009, XI ZR 539/07). Krass überforderte Mithafter sollen genau wie Bürgen den vollen Schutz durch die Nichtigkeitsfolge gem. § 138 I BGB genießen (Palandt/Ellenberger, BGB, § 138 Rn 38a; Madaus, WM 2003, 1705 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, Überblick vor § 414 Rn 4). Voraussetzungen der Rspr. an die Sittenwidrigkeit von Verträgen bei krasser finanzieller Überforderung des Ehegatten K hätte die Vermögensverhältnisse der B vor Vertragsschluss überprüfen müssen. Nicht ausreichend ist, dass die Wertangaben des Bürgen in einem zeitlichen Zusammenhang zum Bürgschaftsvertrag stehen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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