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RA Digital - 03/2017

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

128 Zivilrecht

128 Zivilrecht RA 03/2017 Widerlegung der Vermutung der verwerflichen Gesinnung, wenn dem finanziell überforderte Ehegatte eigene unmittelbare Vorteile gewinnt Treffen Mithafter oder Bürgen nur so genannte „Ausfallhaftungen“, kann die Sittenwidrigkeit entfallen, weil ausnahmsweise keine krasse sittenwidrige Überforderung vorliegt. Bürgschaftsvertrags bzw. der Mithaftungserklärung erteilten Selbstauskunft seine objektiv krasse finanzielle Überforderung nicht erkennen lassen. Den (subjektiven) Vorwurf der Sittenwidrigkeit räumen sie nur aus, wenn sie einer sorgfältigen Überprüfung des Gläubigers standhalten. Für Angaben durch einen Dritten gilt dies erst recht.“ „II.3.b) bb) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass [K] die Angaben des E der gebotenen sorgfältigen Überprüfung unterzogen hat.“ „II.3.b) cc) [Zudem kann] nach der Rspr. des Senats zwar ein auf einen freien Willensentschluss hindeutendes und ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit widerlegendes Eigeninteresse des finanziell krass überforderten Ehepartners an der Darlehensgewährung grds. zu bejahen sein, wenn er zusammen mit dem Ehepartner ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hat oder ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile erwachsen. In einem solchen Fall ist dann auch die tatsächliche Vermutung widerlegt.“ „II.3.b) cc) Ein solcher unmittelbarer Vorteil, wie insbesondere das Miteigentum an dem finanzierten Objekt, liegt hier aber bei [B] nicht vor. Nur mittelbare Vorteile, wie etwa eine Verbesserung des Lebensstandards oder der Wohnverhältnisse oder die Aussicht auf eine spätere Mitarbeit im Betrieb, ändern an der Sittenwidrigkeit nichts. Ihnen kommt daher auch für die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung keine Bedeutung zu.“ Der Vertrag wäre nicht sittenwidrig, wenn B aufgrund anderer Sicherheiten nur eine „Ausfallhaftung“ träfe. Dies wäre der Fall, wenn K sie erst nach ordnungsgemäßer Verwertung der Grundschuld in Anspruch nehmen darf. Laut Vertrag wurde die Grundschuld hier aber nicht nur zur Sicherung des Darlehens, sondern zur Sicherung aller künftigen und gegenwärtigen Ansprüche der K gegen E und B bestellt. Folglich besteht keine reine Ausfallhaftung und beseitigt die Existenz der Grundschuld nicht die krasse finanzielle Überforderung der Mithafterin. Mithin kann K die Vermutung der Sittenwidrigkeit gem. § 138 I BGB nicht widerlegen. Der Vertrag ist damit als nichtig anzusehen. Jura Intensiv III. Ergebnis K steht gegen B kein Anspruch auf Zahlung von 200.000 € aus §§ 311 I, 241 I BGB i.V.m. § 488 I 2 BGB zu. FAZIT Nach st. Rpsr. ist die Mithaftungsübernahme eines Ehegatten ebenso wie eine Bürgschaft als sittenwidrig anzusehen, wenn ein Partner durch die Darlehensschuld finanziell krass überfordert wird und die Haftung allein aufgrund seiner emotionalen Verbundenheit mit dem anderen Partner übernimmt. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2017 Referendarteil: Zivilrecht 129 Speziell für Referendare Problem: Teilweise Anfechtung eines zu günstigen Geschäfts Einordnung: Vollstreckungsanfechtung BGH, Urteil vom 15.12.2016 IX ZR 113/15 EINLEITUNG Für die Redaktion der RA gehören die äußerst seltenen, aber stets examensrelevanten Urteile zur Gläubigeranfechtung zu den erfreulichsten Momenten. Im unten stehenden Urteil befasst sich der BGH mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen auch eine teilweise unentgeltliche Rechtshandlung des Schuldners durch den Gläubiger angefochten werden kann. TATBESTAND Der Kläger nimmt die Beklagte nach den Vorschriften des Anfechtungsgesetzes auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die im Antrag näher bezeichneten Eigentumswohnungen in Anspruch. Im Jahr 2008 kaufte der Kläger von der P. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) eine Wohnung zum Preis von 87.575,70 €. Im Jahr 2010 erhob der Kläger ebenso wie drei weitere Käufer gegen die Schuldnerin Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages. Einige Monate später verkaufte die Schuldnerin 80 Wohnungen an die Beklagte. Mit Urteil vom 30.5.2011 wurde die Schuldnerin verurteilt, an den Kläger 100.482,27 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Urteil wurde rechtskräftig. Der Kläger behauptet, die Schuldnerin habe die Wohnungen deutlich unter Wert verkauft, nämlich für weniger als 50 % ihres Marktwerts. Der Kaufpreis sei nicht bezahlt worden. In einem der Parallelverfahren sei die Zwangsvollstreckung erfolglos geblieben. Die Beklagte habe von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und deren Gläubigerbenachteiligungsabsicht gewusst. Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum in der …, -stadt, Flur.-/Nr.,, WE Nr. … zu dulden, hilfsweise, die Beklagte zur Zahlung von 109.878 € nebst Zinsen sowie weiterer 2.924,07 € zu verurteilen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Jura Intensiv LEITSÄTZE 1. Der Anfechtungsgläubiger hat gegen den Empfänger einer teils entgeltlichen, teils unentgeltlichen Leistung des Schuldners einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den zugewandten Gegenstand. 2. Der gutgläubige Empfänger einer teils entgeltlichen, teils unentgeltlichen Leistung, der eine Gegenleistung erbracht hat, kann bevorzugte Befriedigung seines Anspruchs auf Rückgewähr der Gegenleistung aus dem Verwertungserlös verlangen. Der Klageantrag muss bei der Anfechtungsklage den Gegenstand, in den die Zwangsvollstreckung zu dulden ist, so genau wie möglich bezeichnen, Grundstücke mit exakten Grundbuchangaben inklusive Nummer des Flurstücks. Bei Eigentumswohnungen ist außerdem noch die WE-Nummer zu nennen. Sie meint, soweit der Kläger eine teilweise unentgeltliche Leistung behaupte, komme nur ein Ausgleich in Höhe des bei der Preisbildung nicht ausgeglichenen Wertteils in Betracht. Die Duldung der Zwangsvollstreckung könne hingegen nicht verlangt werden. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere ist die Beklagte als Empfängerin der weggegebenen Gegenstände die richtige Anfechtungsgegnerin, § 1 AnfG. Der Kläger ist auch möglicher Anfechtungsberechtigter nach § 2 AnfG, da er einen fälligen Hauptanspruch gegen den Vollstreckungsschuldner hat, dessen Vollstreckung erfolglos geblieben ist. Stellen Sie die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungsklage kurz dar! Die Anfechtungsberechtigung nach § 2 AnfG ist Bestandteil der Zulässigkeitsprüfung. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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