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RA Digital - 03/2017

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

132 Referendarteil:

132 Referendarteil: Zivilrecht RA 03/2017 Verschlechterte prozessuale Situation bei Anspruchskonkurrenz: Es müssten zwei verschiedene Anträge gestellt werden Zwischen den Parteien war unstreitig, dass die Wohnungen zu einem unter 50 % des Marktwertes liegenden Preis übertragen wurden. Fassen Sie sich bei unproblematischen Nebenentscheidungen unbedingt kurz. zur Duldung der Zwangsvollstreckung Zug um Zug gegen Zahlung des entsprechenden Betrages antragen. Stellt der Anfechtungsgläubiger keinen Zug-​um-​Zug-​Antrag, ist der Anfechtungsgegner unbedingt zur Duldung der Zwangsvollstreckung in den anfechtbar übertragenen Gegenstand zu verurteilen. (…) „II.2.c) dd) Die Beschränkung der Anfechtung einer teils entgeltlichen, teils unentgeltlichen Leistung auf Wertersatz würde die prozessuale Lage des Anfechtungsgläubigers demgegenüber insbesondere dann erheblich verschlechtern, wenn die Leistung auch nach anderen Tatbeständen als demjenigen des § 4 AnfG, etwa auch nach § 3 AnfG anfechtbar wäre. Der Anfechtungsgläubiger könnte dann nämlich nicht einheitlich auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den anfechtbar übertragenen Gegenstand antragen, sondern müsste zwei gesonderte Anträge auf Ausgleich der Wertdifferenz einerseits, auf Duldung der Zwangsvollstreckung andererseits stellen. Hinreichend bestimmt (vgl. § 253 II Nr. 2 ZPO) wäre die Klage dann nur, wenn die Reihenfolge mitgeteilt würde, in welcher die Anträge gestellt werden sollen. Es müsste ein Haupt- und Hilfsverhältnis gebildet werden.“ „II.2.c) dd) Warum die Verfolgung eines etwa auf § 3 AnfG gestützten Anspruchs erschwert werden sollte, wenn außerdem eine Anfechtbarkeit nach § 4 AnfG in Betracht kommt, ist jedoch nicht ersichtlich. Die den Empfänger einer unentgeltlichen Leistung betreffende Schutzvorschrift des § 11 II AnfG gilt ausschließlich für eine Anfechtung nach § 4 AnfG. Sie ist nicht anwendbar, wenn und soweit die Leistung auch nach anderen Vorschriften als § 4 AnfG anfechtbar ist. Ist der Empfänger einer nur teilweise unentgeltlichen Leistung, welche den Tatbestand des § 4 AnfG erfüllt, wegen seiner Gegenleistung auf den Entreicherungseinwand nach § 11 II AnfG beschränkt, braucht der Anfechtungskläger insgesamt nur einen Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung zu stellen. (…) Die Klage ist begründet, wenn die Voraussetzungen auch nur eines der in Betracht kommenden Anfechtungstatbestände erfüllt sind.“ Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte zur Duldung der Zwangsvollstreckung verpflichtet, weil eine teilweise unentgeltliche Leistung vorliegt. Denn es steht fest, dass die Wohnungen dem Beklagten zu einem weniger als 50 % des Marktwerts liegenden Preis übertragen worden sind. Jura Intensiv Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 709 S. 1 ZPO. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2017 Referendarteil: Zivilrecht 133 Problem: Haftung aus einem Vertrag über „Vollberitt“ Einordnung: Schuldrecht; Beweisrecht BGH, Urteil vom 12.1.2017 III ZR 4/16 EINLEITUNG Obwohl es sich beim Reitsport nicht um Breitensport handelt, überrascht die Häufigkeit von Urteilen zu Rechtsfragen „rund ums Pferd“. Anders als die sonstigen Rechtsfragen des BGB zu landwirtschaftlichen Themen, z.B. wilde Tiere, Fruchtziehung durch Pächter und Nießbraucher, Verfolgung eines Bienenschwarms usw., sind diese ebenfalls bereits bei Erlass des BGB vorhandenen Probleme nicht detailliert geregelt worden. Der hohe Wert der edlen Pferde und ihre berühmte Sensibilität dürften dazu beitragen, dass Gerichte in jeder Hinsicht zu dogmatischen Abgrenzungen herausgefordert werden. Die vorliegende Entscheidung bietet in dieser Hinsicht gleich Antworten auf zwei Probleme: Die rechtliche Einordnung des typengemischten „Vollberitt- Vertrages“ sowie Fragen der Beweislastverteilung Verletzung dieses Vertrages. TATBESTAND Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen der Verletzung ihres Reitpferds auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin ist seit Juni 2010 Eigentümerin eines seinerzeit vierjährigen Wallachs. Im Juli 2010 gab sie das Pferd bei dem Reitstall des Beklagten in den Vollberitt. Dieser umfasste neben der Unterstellung, Fütterung und Pflege auch den Beritt, die Dressurausbildung und die Gewähr einer artgerechten Bewegung des Pferdes sowie die Ausbildung der Reiterin. In diesem Rahmen erhielt der Wallach regelmäßig und mehrmals wöchentlich in der Reithalle des Beklagten unter Aufsicht freien Auslauf. Am 02.12.2010 wurde das Pferd morgens durch die seit dem 01.10.2010 bei dem Beklagten tätige Praktikantin K. in der Reithalle frei laufen gelassen, ohne zuvor geritten oder longiert worden zu sein. Beim Freilauf stieß das Tier mit dem Kopf gegen eine der Stahlstützen des Hallendachs und zog sich hierdurch eine Verletzung zu, die tierärztlich - durch Nähen der Wunde - versorgt wurde. Jura Intensiv Die Klägerin behauptet, der Wallach habe infolge des Unfalls Veränderungen im Gehirnparenchym erlitten, die mit zunehmenden Gleichgewichtsproblemen verbunden seien, so dass das Pferd mittlerweile nicht mehr geritten werden könne. Die Unfallverletzung des Tieres sei auf Pflichtverletzungen des Beklagten zurückzuführen. Ihren Schaden berechnet sie, was zwischenzeitlich zwischen den Parteien unstreitig ist, auf insgesamt 40.396,10 €. LEITZSÄTZE 1. Zur Einordnung eines Vertrags über den „Vollberitt“ eines Pferdes als Dienstvertrag. 2. Ist die Schadensursache aus dem Gefahren- und Verantwortungsbereich des Anspruchsgegners hervorgegangen und rechtfertigt die Sachlage den Schluss, dass dieser die ihm obliegende Sorgfalt verletzt hat, so muss er sich vom Vorwurf der Vertragsverletzung entlasten; er hat hierfür darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, dass ihn kein Pflichtverstoß trifft (Anschluss an BGH, Urteile vom 20. Juni 1990, VIII ZR 182/89, NJW RR 1990, 1422, 1423 und vom 5. Oktober 2016, XII ZR 50/14, BeckRS 2016, 19979 Rn. 31). 3. Eine solche Beweislastumkehr kommt in Betracht, wenn ein vom Beklagten zu betreuendes Pferd bei einem Freilauf in der Reithalle in ungewöhnlicher Weise erhebliche Verletzungen erleidet und der Beklagte die mit dem Freilauf zusammenhängende Betreuung des Pferdes nicht geschultem Fachpersonal, sondern allein einer Praktikantin anvertraut hat, die am Unfalltag erst seit zwei Monaten in seinem Reitstall tätig war. Klägerisches Vorbringen im Konjunktiv Präsens: Stellen Sie hier alle Tatsachen dar, für welche die Klägerin beweisbelastet ist. Nicht immer ist dies einfach zu beurteilen. Hier ist es hinsichtlich der Frage der Pflichtverletzung problematisch. Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 40.396,10 € zu zahlen nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem … sowie den Kosten vorgerichtlicher anwaltlicher Vertretung in Höhe von … €. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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