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RA Digital - 03/2017

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

144 Öffentliches Recht

144 Öffentliches Recht RA 03/2017 BVerwG, Urteil vom 2.2.2012, 4 C 14/10, juris Rn 18; OVG Hamburg, NVwZ-RR 2013, 990, 992 Wohnnutzung in einem Gewerbegebiet generell unzulässig Flüchtlingsunterkünfte wohl ebenfalls generell unzulässig (vgl. BT-Drs. 18/2752, S. 12 mit Verweis auf OVG Hamburg, Beschluss vom 17.6.2013, 2 Bs 151/13; VGH Mannheim, Beschluss vom 14.3.2013, 8 S 2504/12). § 31 II BauGB evident (-), da „Grundzüge der Planung“ berührt, wie sich aus den Ausführungen zum Erfordernis der Gebietsverträglichkeit ergibt. Mobilität i.S.v. § 246 XII 1 Nr. 1 BauGB nicht drittschützend, weil sie keine nachbarlichen Interessen berührt. Mittelbar drittschützend ist höchstens die Befristung in § 246 XII 1 BauGB. D.h. der Nachbar kann evtl. eine Befristung der Baugenehmigung verlangen („OB“), nicht aber, wie diese erfolgt („WIE“). Nachbarschützende Wirkung des § 246 XII 1 BauGB jedenfalls nur im Baugebiet, nicht gebietsübergreifend (vgl. VGH Mannheim, VBlBW 2016, 471, 473; Battis u.a., NVwZ 2015, 1633, 1636f.). Gewerbegebiete dienen gem. § 8 I BauNVO vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Nach dem Leitbild der BauNVO ist ein Gewerbegebiet den produzierenden und artverwandten Nutzungen vorbehalten. Es steht Gewerbebetrieben aller Art und damit verschiedenartigsten betrieblichen Betätigungen offen, die vom kleinen Handwerksbetrieb über Handels- und Dienstleistungsunternehmen bis zu industriellen Großbetrieben reichen können, sofern es sich nicht um erheblich belästigende Gewerbebetriebe handelt. Wohnnutzung und solche gewerblichen Betriebe, die über das in Mischgebieten zulässige Maß hinaus stören, sollen in einem Gewerbegebiet nicht aufeinander prallen, damit Gewerbebetriebe die Möglichkeit haben, sich in einem Gewerbegebiet ohne Rücksicht auf unmittelbar benachbarte Wohnbebauung zu entwickeln. In Gewerbegebieten soll nicht gewohnt werden, wie sich im Umkehrschluss auch aus § 8 III Nr. 1 BauNVO herleiten lässt, der nur ganz bestimmte Wohnungen zulässt. Da auch bei wohnähnlichen Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge unüberwindbare Konflikte mit den gewerblich genutzten Bauwerken (insbesondere aufgrund ihrer Lärm- und Geruchsimmissionen) zu befürchten sind, kann auch bei diesen von einem Verstoß gegen das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit ausgegangen werden. Folglich kann das umstrittene Bauvorhaben nur im Wege der Befreiung von den Vorgaben des B-Plans genehmigt worden sein. Als Befreiungsvorschrift kommt allein § 246 XII 1 Nr. 1 BauGB in Betracht. Auf eine Verletzung dieser Norm kann sich N jedoch nur berufen, wenn sie auch ihn schützt. „[…] Frage, ob das Tatbestandsmerkmal der Mobilität in § 246 Abs. 12 BauGB nachbarschützenden Charakter hat, nach Überzeugung des Senats zu verneinen ist. Die Frage, ob und in welcher Form die mit der Beschwerde ausführlichst erörterte Frage der Zerlegbarkeit der errichteten Schwedenhäuser Auswirkungen auf die nachbarlichen Interessen haben soll, erschließt sich nicht und wird vom Antragsteller letztlich auch nicht weiter behandelt. Allenfalls mag zu erwägen sein, ob die in § 246 Abs. 12 BauGB vorgesehene Befristung der Baugenehmigung in ihrer Funktion als Nutzungsfreigabe auf maximal 3 Jahre zumindest mittelbar über das Tatbestandsmerkmal der Würdigung nachbarlicher Interessen auch dem Schutz von Nachbarn dienen sollte. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, ist aber nicht ersichtlich, warum die Nachbarn dann einen Anspruch darauf hätten, in welcher Form diese Verpflichtung seitens des Bauherrn eingehalten wird. Insofern reicht es aus, dass eine Baugenehmigung - wie hier - eine solche Befristung enthält; […]. Jura Intensiv Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass ein etwaiger Nachbaranspruch auf Einhaltung der zeitlichen Befristung nach der Systematik des § 246 Abs. 12 BauGB allenfalls für Grundstücke anzuerkennen wäre, die im selben Plangebiet liegen und damit jedenfalls nicht über einen Gebietsgewährleistungsanspruch hinausginge. […] Dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 246 Abs. 12 BauGB einen weitergehenden Anspruch auf Wahrung des Gebietscharakters auch für planexterne Grundstücke begründen wollte, ist nicht zu erkennen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2017 Öffentliches Recht 145 Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin ihre rechtlichen Verpflichtungen nicht einhalten will und wird, liegen nicht vor. […] Insbesondere ist im Hinblick auf die Einhaltung der Voraussetzung des § 246 Abs. 12 BauGB und die Frage, ob diese nur zum Schein erfolgte, unerheblich, wie sich die politischen Gremien der Antragsgegnerin hierzu verhalten bzw. ob ihnen diese rechtlichen Zusammenhänge bekannt waren. Die Erteilung einer Baugenehmigung und die Bauüberwachung obliegen nicht den politischen Gremien der Antragsgegnerin, sondern ihrer Verwaltung im übertragenen Wirkungskreis. Da vorliegend allein die Baugenehmigung vom 26. April 2016 zur Überprüfung steht, ist hier auch nicht von Relevanz, ob in Folge der neuen planerischen Vorgaben in der 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. ... vom 16. September 2016 die derzeit angeordnete Befristung aufgehoben werden wird. Aus dieser durch die Planänderung geschaffenen Option lässt sich auch nicht schließen, die nach früherem Planungsrecht erteilte Baugenehmigung sei nicht ernst gemeint gewesen. Einer Gemeinde ist es nicht verwehrt, auch nach Erteilung einer Baugenehmigung planerisch tätig zu werden und dadurch neue bzw. weitergehende Genehmigungsmöglichkeiten zu schaffen. Auch insoweit haben Nachbarn keinen Anspruch darauf, dass planerische Festsetzungen für die Zukunft unverändert bleiben.“ Demnach ist § 246 XII 1 Nr. 1 BauGB, soweit er überhaupt drittschützende Wirkung entfaltet, nicht verletzt. Mithin wird der Rechtsbehelf des N im Hauptsacheverfahren keinen Erfolg haben, sodass das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit und des B Vorrang hat vor dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Der Eilantrag des N ist daher unbegründet und somit erfolglos. FAZIT Die Entscheidung des OVG Münster spricht unheimlich viele baurechtliche Probleme an und ist daher äußerst examensrelevant. Stichpunktartig seien in Erinnerung gerufen: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit bzw. eines Anspruchs auf Erteilung einer Baugenehmigung; grenzüberschreitender Nutzungskonflikt; kein Milieuschutz im Baurecht; Erfordernis der Gebietsverträglichkeit. „Brandneu“ sind die Ausführungen des Gerichts zur drittschützenden Wirkung des § 246 XII 1 BauGB. Dabei dürfte die vom Gericht nicht endgültig beantwortete Frage der drittschützenden Wirkung der Befristung wohl nur zu bejahen sein, wenn dadurch nachbarliche Interessen geschützt werden sollen. Jura Intensiv Nachträgliche Änderung des B-Plans, die zur dauerhaften Zulässigkeit der Flüchtlingsunterkünfte führt, ist rechtmäßig. Ändert an Befristung der Baugenehmigung nichts, weil diese von der Baugenehmigungsbehörde verfügt wurde, wohingegen für die Änderung des B-Plans das Gemeindeparlament zuständig ist. Vgl. BT-Drs. 18/6185, S. 54; Battis/ Krautzberger/Löhr, BauGB, § 246 Rn 33; Gohde, ZfBR 2016, 647 Flüchtlingsunterkünfte waren erst jüngst z.B. in Bad.-Württ. Gegenstand einer Examensklausur (1. Examen, Termin 2016 II, 2. Klausur). © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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