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RA Digital - 03/2017

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

160 Strafrecht

160 Strafrecht RA 03/2017 BGH, Urteil vom 28.01.2014, 1 StR 494/13, NJW 2014, 1618 § 13 Abs. 1 StGB Garant für das bedrohte Rechtsgut ist, trifft dann im Rahmen des tatsächlich Möglichen und ihr rechtlich Zumutbaren die Pflicht, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs abzuwenden. [26] (3) Dies zugrunde gelegt, bestand für den Angeklagten eine Garantenpflicht, der er nicht nachgekommen ist, weil er um bzw. kurz nach 2 Uhr, als die Möglichkeit der Abwendung der (weiteren) lebensgefährlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Nebenklägerin bestand, auf das Herbeirufen medizinischer Hilfe verzichtet hat. [27] (3.1.) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen war die Nebenklägerin um bzw. kurz nach 2 Uhr nicht (mehr) zu einer hinreichenden Risikobeurteilung und -abwägung in der Lage. Dies hatte zur Folge, dass der Angeklagte mangels Eigenverantwortlichkeit der sich bis dahin (allenfalls) selbst gefährdenden Nebenklägerin die Tat- bzw. Handlungsherrschaft über das Geschehen erlangte. [27] (3.2.) Aus den vom Landgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich ferner, dass der Gewichtsverlust der Nebenklägerin nicht von einem (ernsthaften) Selbsttötungswillen getragen war.“ Eine Garantenpflicht des A zum Herbeirufen medizinischer Hilfe bestand also jedenfalls ab kurz nach 2 Uhr. f) Entsprechungsklausel, § 13 I StGB a.E. Bei einem reinen Erfolgsdelikt wie § 223 I StGB ist die Entsprechung von aktivem Tun und garantenpflichtwidrigem Unterlassen gem. § 13 I StGB a.E. stets gegeben. 2. Qualifikation: § 224 I Nr. 5 StGB N ist durch das Unterlassen des Herbeirufens medizinischer Hilfe in konkrete Lebensgefahr geraten, sodass nach allen Meinungen § 224 I Nr. 5 StGB verwirklicht ist. Auch bei dieser Qualifikation ist die Entsprechung von Tun und Unterlassen gegeben. Jura Intensiv 3. Vorsatz Vorsatz des A ist gegeben. II. Rechtswidrigkeit „[31] Die Nebenklägerin hat in ihre (weitere) Gesundheitsschädigung auch nicht wirksam eingewilligt (§ 228 StGB). BGH, Beschluss vom 10.11.2010, 2 StR 320/10, JE 2011, 316, 317 [32] Denn dies setzt […]voraus, dass sie einen entsprechenden Willen frei bilden und entsprechend handeln konnte. Hieran fehlte es indes – wie oben ausgeführt – jedenfalls für den hier maßgeblichen Zeitpunkt am 3. Mai 2013 um bzw. kurz nach 2 Uhr.“ Das Verhalten des A war also rechtswidrig. III. Schuld Das Verhalten des A war auch schuldhaft. IV. Ergebnis A ist strafbar gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 5, 13 StGB. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2017 Strafrecht 161 Problem: Voraussetzungen des Bandenbetrugs Einordnung: StrafR BT I/Betrug BGH, Beschluss vom 29.11.2016 3 StR 291/16 EINLEITUNG In der vorliegenden Entscheidung betont der BGH, dass nicht jede Straftat, die ein Mitglied einer kriminellen Bande begeht, auch immer einer Bandentat darstellt. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Tat Ausfluss der Bandenabrede sei. SACHVERHALT Die Angeklagten U, L und Y fassten im September 2012 den Entschluss, unter dem Namen „B-Reisen“ ein fiktives Reisebüro zu betreiben. Sie beabsichtigten, durch Werbeanzeigen in Zeitungen Reiseleistungen anzubieten und die dadurch gewonnenen Kunden nach der Buchung zur Zahlung des Reisepreises auf ein zu diesem Zweck eingerichtetes Geschäftskonto zu veranlassen. Sie hatten von vornherein vor, weder die verkauften Reiseleistungen zu erbringen noch die für die Veröffentlichung der Werbeanzeigen anfallenden Kosten zu begleichen. Auf diese Weise wollten sie sich eine fortlaufende Einnahmequelle zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts verschaffen. Nach dem gemeinsamen Tatplan sollte U als „Kopf“ der Gruppe das Projekt leiten und die wesentlichen Entscheidungen treffen. L sollte als Stellvertreter von U fungieren. Beide sollten im Wesentlichen organisatorische Beiträge leisten, während die Ausführung der konkreten Tathandlungen Y obliegen sollte. Er hatte insbesondere die Aufgabe, Werbeanzeigen aufzugeben sowie interessierten Kunden Reisen zu verkaufen. In Umsetzung des Vorhabens nahm Y Kontakt zu M, einem Mitarbeiter des Zeitungsverlages Z auf und bewirkte die Veröffentlichung einer Werbeanzeigen zum Preis von insgesamt 3.900 €, wobei er nicht vorhatte, den Preis zu entrichten. Es gelang ihm ferner, den Reiseinteressenten R, der sich aufgrund der Werbeanzeige telefonisch mit ihm in Verbindung gesetzt und eine Reise gebucht hatte, dazu zu veranlassen, den Reisepreis zu zahlen, und zwar insgesamt in Höhe von 3.400 €. Dabei gab Y abweichend von der mit U und L getroffenen Absprache nicht das Geschäftskonto von „B-Reisen“, sondern sein eigenes Konto an. Hat Y sich wegen der Begehung von Verbrechen strafbar gemacht? Jura Intensiv LEITSATZ (DER REDAKTION) Die Annahme eines Bandenbetrugs setzt neben einer Bandenabrede zwischen mindestens drei Personen voraus, dass der Täter den Betrug gerade als Mitglied der Bande begeht; die einzelne Tat muss Ausfluss der Bandenabrede sein und darf nicht losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse der jeweils unmittelbar Beteiligten ausgeführt werden. PRÜFUNGSSCHEMA: GEWERBSMÄSSIGER BANDENBETRUG, § 263 I, V StGB A. Tatbestand I. Grunddelikt: § 263 I StGB 1. Täuschung über Tatsachen 2. Täuschungsbedingter Irrtum 3. Irrtumsbedingte Vermögensverfügung 4. Verfügungsbedingter Vermögensschaden 5. Vorsatz bzgl. 1. – 4. 6. Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung II. Qualifikation: § 263 V StGB 1. Bandenbetrug 2. Gewerbsmäßigkeit B. Rechtswidrigkeit und Schuld © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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