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RA Digital - 03/2017

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

114 Zivilrecht

114 Zivilrecht RA 03/2017 Mögliche Verletzung des Hinweis auf die Möglichkeit des Widerspruchs ist bloße Obliegenheit, § 574b II 2 BGB Kündigungsfrist von neun Monaten gem. § 573c I BGB wurde gewahrt Das Mietverhältnis wurde zwar schon 1985 geschlossen, jedoch regelt hier § 573 II Nr. 2 BGB in der derzeit gültigen Fassung die Eigenbedarfskündigung, weil gem. Art. 229, § 3 II EGBGB die Übergangsvorschrift wegen Zeitablaufs außer Kraft ist. Der Wortlaut spricht dafür, dass nur natürliche Personen von der Eigenbedarfskündigung gem. § 573 II Nr. 2 BGB Gebrauch machen können. Eine Außen-GbR ist keine juristische Person. § 14 II BGB 1. Kündigungserklärung Mit Schreiben vom 30.09.2013 hat die K-GbR, gem. §§ 164 I, 714, 709 BGB vertreten durch ihre Gesellschafter, dem B die Kündigung erklärt. Mangels gegenteiliger Angaben haben die Gesellschafter den Brief auch eigenhändig unterschrieben, sodass die gem. § 568 I BGB erforderliche Schriftform nach § 126 I BGB gewahrt ist. Der ggf. fehlende Hinweis auf die Möglichkeit des Widerspruchs führt nicht zur Nichtigkeit der Kündigung, sondern gem. § 574b II 2 BGB nur dazu, dass er auch noch später erhoben werden kann. 2. Kündigungsfrist gem. § 573c I BGB Zudem muss die Kündigungsfrist eingehalten worden sein. Gem. § 573c I 1 BGB ist die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Nach § 573c I 2 BGB verlängert sich die Kündigungsfrist für den Vermieter nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate und beträgt damit vorliegend neun Monate. B ist die Kündigungserklärung am 30.09.2013 zugegangen, sodass die Frist am 01.10.2014 um 0:00 Uhr (§ 187 I BGB) begann und am 30.06.2014 um 24:00 Uhr endete (§ 188 II BGB). Mithin ist die Kündigung zum 01.07.2014 fristgerecht. 3. Kündigungsgrund gem. § 573 II Nr. 2 BGB Weiterhin muss der K-GbR auch ein Kündigungsgrund zustehen. Gem. § 573 I BGB kann der Vermieter nur dann ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein solches liegt nach § 573 II Nr. 2 BGB insbesondere dann vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt (sog. Eigenbedarfskündigung). Vorliegend macht die K-GbR geltend, die Tochter eines ihrer Gesellschafter benötige die Wohnung für sich und ihre Familie. Ausschlaggebend für die Einbeziehung als Angehörige ist grds. die persönliche Verbundenheit zum Vermieter. Davon kann bei den eigenen Kindern ohne substantiierte Darlegung seitens des Vermieters ausgegangen werden. Problematisch ist vorliegend jedoch, dass es sich bei der K-GbR um eine Personengesellschaft handelt. Fraglich ist, ob auch sie sich als Vermieter der Wohnung auf § 573 II Nr. 2 BGB berufen kann. Jura Intensiv „II.1. Der Kündigungstatbestand des § 573 II Nr. 2 BGB ist nach seinem Wortlaut auf natürliche Personen zugeschnitten. Um eine solche handelt es sich bei einer (Außen-) GbR nicht, so dass die Regelung des § 573 II Nr. 2 BGB nicht direkt anwendbar ist.“ „II.2. Entgegen einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung ist dieser Kündigungstatbestand jedoch in den Fällen entsprechend anzuwenden, in denen als Vermieterin eine (Außen-) GbR auftritt.“ II.2.a) Zwar kann sich eine juristische Person nicht darauf berufen, eine von ihr vermietete Wohnung für sich selbst oder für Familien- oder Haushaltsangehörige zu benötigen (st. Rspr). Eine (Außen-) GbR ist aber nicht als juristische Person zu qualifizieren, sondern stellt (lediglich) eine teilrechtsfähige Personengesellschaft dar (vgl. auch § 14 II BGB).“ „II.2.a) aa) Ihr kommt nach gefestigter höchstrichterlicher Rspr. eine nach außen hin bestehende beschränkte Rechtsfähigkeit zu, so dass bei einer Teilnahme im Rechtsverkehr nicht mehr die gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter, sondern die Gesamthand selbst als ein von den Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt Träger der die Gesellschaft betreffenden Rechte und Pflichten ist (st. Rspr.).“ Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2017 Zivilrecht 115 „II.2.a) bb) Diese Teilrechtsfähigkeit einer (Außen-) GbR macht sie, anders als dies bei juristischen Personen der Fall ist, aber nicht zu einem gegenüber ihren Gesellschaftern völlig verselbständigten Rechtssubjekt. Diesem grundlegenden Unterschied messen diejenigen Stimmen in der Literatur, die aus der Teilrechtsfähigkeit einer (Außen-) GbR eine Gleichstellung mit einer juristischen Person ableiten wollen, nicht die ihm zukommende Bedeutung zu. Denn der Umstand, dass die Gesellschaft selbst nun Teilrechtsfähigkeit besitzt, zwingt im Hinblick darauf, dass hierdurch - anders als bei einer juristischen Person - eine vollständige Abkopplung von ihren Mitgliedern nicht vollzogen worden ist, nicht zu dem Schluss, die Interessen der Personenmehrheit, die diese Gesellschaft bildet, seien im Rahmen einer Eigenbedarfskündigung des Mietverhältnisses rechtlich völlig unbeachtlich.“ „II.2.c) Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 573 II Nr. 2 BGB sind erfüllt.“ „II.2.c) aa) Eine Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke aufweist und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist (st. Rspr.).“ „II.2.c) bb) So liegen die Dinge bei genauer Betrachtung im Falle des Eigenbedarfs eines Mitglieds einer (Außen-) GbR oder seiner Angehörigen.“ „II.2.c) bb) (1) Infolge der durch die höchstrichterliche Rspr. im Jahr 2001 vollzogenen Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der (Außen-) GbR ist eine bislang nicht vorhandene Regelungslücke entstanden. Denn bis zu diesem Zeitpunkt waren sämtliche Mitglieder einer solchen Gesellschaft als natürliche Personen Vermieter, sodass die zu diesem Zeitpunkt noch maßgebliche Vorschrift des § 546b II Nr. 2 1 BGB a.F. direkt Anwendung fand. Mit der Nachfolgeregelung in § 573 II Nr. 2 BGB sollte ausweislich der Begründung zum Mietrechtsreformgesetz keine inhaltliche Änderung verbunden sein (BT-Drucks. 14/4553, S. 65). Da die rechtlichen Entwicklungen bezüglich der Teilrechtsfähigkeit der (Außen-) GbR im Verlauf des auf die Reform des Mietrechts fokussierten Gesetzgebungsverfahrens außer Betracht geblieben sind, ist unbemerkt eine Regelungslücke entstanden.“ „II.2.c) bb) (3) Die aufgetretene Lücke widerspricht auch dem Regelungsplan des Gesetzgebers.“ „II.2.c) bb) (3) (a) Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass eine Einschränkung der Reichweite der bisher in § 564b II Nr. 2 S. 1 BGB a.F. geregelten Eigenbedarfskündigung nicht beabsichtigt war. Vielmehr klingt dort sogar die Besorgnis an, dass die Rspr. teilweise zu strenge Maßstäbe an das Vorliegen der typisierten Kündigungstatbestände stelle. So heißt es in der Gesetzesbegründung ausdrücklich: „Abs. 2 zählt wie bisher einzelne Kündigungsgründe beispielhaft auf. Die Aufzählung entspricht mit geringen sprachlichen Änderungen inhaltlich dem § 546b III Nr. 1 bis 3 BGB. Wenngleich die Rspr. zuweilen im Einzelfall überhöhte Anforderungen an das Vorliegen eines berechtigten Interesses stellt, so besteht an der gesetzlichen Regelung selbst jedoch zum Schutz des Mieters im Grundsatz kein Änderungsbedarf“ (BT-Drucks. 14/4553, S. 65). Auch im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde ein Bedürfnis zur Beschneidung des Kündigungsrechts im Falle des Eigenbedarfs eines Vermieters oder einer Vermietermehrheit nicht gesehen. Ausweislich der veröffentlichten Gesetzesmaterialien erfolgte bei keiner der Plenar- oder Ausschusserörterungen eine entsprechende Anregung. Jura Intensiv GbR ist als teilrechtsfähige Personengesellschaft nicht mit einer juristischen Person vergleichbar. Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 573 II Nr. 2 BGB Die Regelungslücke ist sowohl durch die „Weißes-Ross-Entscheidung“ des BGH, II ZR 331/00 als auch durch die Mietrechtsreform vom 01.09.2001 entstanden, weil nach alter Auffassung zur GbR die Mitglieder der Gesellschaft als natürliche Personen Vermieter waren. Keine Anhaltspunkte im Gesetzgebungsverfahren, dass die Eigenbedarfskündigung im Vergleich zu § 564b II Nr. 2 S. 1 BGB a.F. eingeschränkt werden soll. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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