Aufrufe
vor 6 Jahren

RA Digital - 03/2018

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

128 Zivilrecht

128 Zivilrecht RA 03/2018 Abgrenzung zu solchen technischen Einrichtungen erforderlich, die ein Rechtsanwalt zur Bewältigung des Betriebs in einer Kanzlei benötigt Entscheidend: Es ist für die Annahme eines Fernabsatzvertrages unschädlich, ob der Rechtsanwalt zugleich eine Kanzlei betreibt, die Mandanten aufsuchen können. Der Rechtsanwalt muss nicht das gesamte Geschäft per Fernabsatz organisieren. Mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung war die Erklärung des Widerrufs auch noch fristgerecht. organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem bejaht werden, wenn dieser lediglich die technischen Möglichkeiten zum Abschluss eines Anwaltsvertrags im Fernabsatz, etwa einen Briefkasten, elektronische Postfächer und/oder Telefon- und Faxanschlüsse vorhält, die auch sonst zur Bewältigung des Betriebs einer Anwaltskanzlei erforderlich sind. II.2.a)cc) (2) (b) Ob und ggf. welche weiteren (Mindest-) Anforderungen an ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem zu stellen sind, kann im Streitfall dahinstehen. Denn im Streitfall ist es möglich, dass sich K der G-GmbH bewusst bedient hat, um eine Vielzahl von Mandaten in Kapitalanlagefällen ohne persönlichen Kontakt und unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zu gewinnen. Ein solcher Strukturvertrieb oder ein diesem zumindest vergleichbares Vertriebssystem erfüllt die Voraussetzungen für ein auf den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem. Die Voraussetzungen des [§ 312c BGB] sind auch erfüllt, wenn der Unternehmer ein fremdes Organisations- und Dienstleistungserbringungssystem nutzt. II.2.a)cc) (2) (c) Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob das Vorhalten einer Kanzlei, die der Mandant aufsuchen kann, das Vorliegen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems in Frage zu stellen vermag. Ob und wie eine Kanzlei neben einer möglichen Bewältigung von Fernabsatzgeschäften auch andere Möglichkeiten zum Abschluss von Anwaltsverträgen nutzt, ist zur Beurteilung des konkreten Vertrages unerheblich; nicht erforderlich ist, dass der Unternehmer sein gesamtes Geschäft über Fernkommunikationsmittel abwickelt. Auch spätere persönliche Kontaktaufnahmen nach Vertragsschluss, selbst wenn diese von Anfang an geplant und gewünscht waren, könnten die mit einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag verbundenen Gefahren nicht beseitigen; eine hiervon abweichende Betrachtungsweise liefe dem Schutzzweck des Fernabsatzrechts zuwider.“ Das Widerrufsrecht ist auch nicht nach § 312g II oder III BGB ausgeschlossen. B steht es gem. §§ 355, 312g I Alt. 2, 312c BGB zu. Jura Intensiv 2. Fristgerechte Widerrufserklärung Der Widerruf wurde am 30.06.2016 ausdrücklich erklärt. Zu diesem Zeitpunkt war der Widerruf noch möglich. Die gesetzliche Frist von 14 Tagen (§ 355 II 1 BGB) hatte noch nicht begonnen, weil K entgegen § 356 III 1 BGB von B nicht über sein Widerrufsrecht informiert worden war. Auch die Ausschlussfrist gem. § 356 III 2 BGB von zwölf Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss war noch nicht verstrichen. Eine fristgerechte Widerrufserklärung liegt damit vor. B. Ergebnis K hat gegen B keinen Anspruch auf Zahlung einer 1,3 Geschäftsgebühr für ihr außergerichtliches Tätigwerden gem. §§ 675 I, 611 BGB. FAZIT Rechtsanwälte müssen sich moderner Vertriebsformen wie dem Internet bedienen, um nicht aus dem Markt verdrängt zu werden. Dort geschlossene Anwaltsverträge sind aber eventuell widerruflich. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2018 Referendarteil: Zivilrecht 129 Speziell für Referendare Problem: Eilbedüftigkeit im einstw. Verfügungsverfahren Einordnung: ZPO I, MietR LG Fulda, Beschluss vom 05.01.2018 5 Z 200/17 EINLEITUNG Arrest und einstweilige Verfügung gehören zum Pflichtstoff des Assessorexamens. Auch die Beschwerde gegen einen ablehnenden Beschluss gehört dazu, wenn auch die Entscheidung über den Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung gem. §§ 936, 924, 925 ZPO häufiger geprüft wird. Die vorliegende Entscheidung des LG Fulda betrifft im Kern einen typischen Konflikt des Wohnraummietrechts. Die Mieterin verlangt von ihrem Vermieter im Hochsommer die sofortige Versorgung mit Heizung und Warmwasser und beantragt nach dessen Untätigkeit die einstweilige Verfügung. Dann erklären die Parteien übereinstimmend die Erledigung. Gegen den ihr die Kosten auferlegenden Beschluss wehrt sie sich mit der sofortigen Beschwerde. GRÜNDE I. Die Antragstellerinnen haben mit für erledigt erklärtem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Wiederherstellung der Versorgung mit Warmwasser und Heizung begehrt. Die Antragstellerin zu 1) bewohnt als Mieterin mit ihren von ihr vertretenen, als Antragstellerinnen zu 2) und 3) auftretenden, minderjährigen Töchtern (im Folgenden wird zur Vereinfachung lediglich „die Antragstellerin“ genannt) die von der Antragsgegnerin vermietete Wohnung. Am 30.06.2017 stellte die Antragstellerin fest, dass weder Heizung noch Warmwasser funktionieren. Daraufhin versuchte sie erfolglos, der Antragsgegnerin dies per Telefon und SMS mitzuteilen. Am 04.07.2017 versuchte sie durch anwaltliches Schreiben, die Antragsgegnerin zur Wiederherstellung der Versorgung mit Heizung und Warmwasser zu bewegen. Jura Intensiv Die Antragstellerin hat behauptet, die Antragsgegnerin habe auch darauf nicht reagiert. Mit Schriftsatz vom 13.07.2017, eingegangen am 20.07.2017, hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin mit dem Ziel, dass die Wohnung wieder mit Warmwasser versorgt und beheizt wird, beantragt. Das AG hat den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 28.07.2017 anberaumt. Mit Schriftsatz vom 28.07.2017 haben die Antragstellerinnen ihren Antrag für erledigt erklärt, da die Antragsgegnerin nach Einreichung des Antrags die Warmwasserversorgung wieder aufgenommen habe. Die Antragsgegnerin hat sich dem angeschlossen. Sie hat behauptet, sie habe nach der Mitteilung der Antragstellerinnen, dass die Heizung ausgefallen sei, sofort Heizöl bestellt und dies der Antragstellerin mitgeteilt. LEITSATZ 1. Der Vermieter von Wohnraum ist auch bei warmen Außentemperaturen verpflichtet, die Versorgung der Wohnung mit Warmwasser sicherzustellen. 2. Der Ausfall der Warmwasserversorgung rechtfertigt auch im Hochsommer einen Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO. Hier liegt eine übereinstimmende Erledigungserklärung vor. Das sachliche Begehren hat sich erledigt und ist damit als Prozessgeschichte I im Indikativ Perfekt zu beschreiben. Der unstreitige Sachverhalt wird auch im Falle einer übereinstimmenden Erledigung im Indikativ Imperfekt dargestellt. Streitiger Parteivortrag bleibt im Konjunktiv, wird aber mit „hat behauptet“ eingeleitet statt mit „behauptet“. Antragseingang und dessen Inhalt sind hier ebenso wie die Erledigungserklärung im nächsten Absatz Prozessgeschichte I. Hätte sich die Antragsgegnerin der Erledigungserklärung nicht ausdrücklich angeschlossen, hätte hier die Zustellung der Erledigungserklärung mit der Aufklärung über die Folgen eines Schweigens genannt werden müssen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats