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RA Digital - 03/2018

Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

132 Referendarteil:

132 Referendarteil: Zivilrecht RA 03/2018 mit der notwendigen Dringlichkeit und Konsequenz betreibt, nicht erwarten darf, dass die Gerichte dann, wenn sich die Sachlage vorhersehbar zuspitzt, die Situation als unaufschiebbaren Eilfall behandeln und der Vorrang vor allen anderen Geschäftsvorgängen hat. Für die noch hinzunehmende Zeitspanne (in der Regel vier Wochen im Wettbewerbsrecht, ansonsten bis zu drei Monaten) sind die Besonderheiten des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Schwierigkeit tatsächlicher und rechtlicher Art maßgeblich. Die Antragstellerin hat hier nicht zu lange gewartet: • Sofortige erfolgloser Versuch der Kontaktaufnahme • Anwaltsschreiben nach 5 Tagen • 2 Wochen zwischen Fristablauf und Antragsstellung Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren über die Kostenentscheidung Bei der Beschwerde ist auch über die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu entscheiden. Auch wenn Schweigen grds. Nichtzulassung bedeutet, sollten Sie in der Klausur hierzu einen Satz schreiben, der auch ausführlicher sein kann als der des LG Fulda. Gemessen daran hat die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nicht zu lange zugewartet. Unstreitig sind Heizung und Warmwasser bereits am 30.06.2017 ausgefallen. Die Antragstellerin hat sich dann zunächst, wie sie glaubhaft gemacht hat, ohne Erfolg telefonisch und per SMS an die Antragsgegnerin gewandt. Unter dem 04.07.2017 wandte sie sich dann bereits per Anwaltsschreiben an diese. Als dies nichts fruchtete, beantragte sie, eingehend am 20.07.2017, den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Vom Ablauf der zur Wiederherstellung der Warmwasserversorgung gesetzten Frist bis zum Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vergingen weniger als zwei Wochen. Nach derart kurzer Zeit kann noch nicht von einer Selbstwiderlegung der Eilbedürftigkeit gesprochen werden. Die Eilbedürftigkeit der Sache ist vielmehr der Antragsgegnerin anzulasten, denn hätte sie rechtzeitig den Öltank auf seine Befüllung überprüft und nicht erst abgewartet, bis der Öltank völlig leergelaufen ist, so hätte durch frühzeitige Ölbestellung eine Unterbrechung der Warmwasserversorgung von vornherein verhindert werden können. In diesem Fall hätte die Antragsgegnerin auch rechtzeitig einen Bekannten organisieren können, der ihr bei der Bedienung der Heizung behilflich ist. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I 1 ZPO. Hiernach hat die Antragsgegnerin als unterlegene Beschwerdegegnerin die Kosten zu tragen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO lagen nicht vor. Diese Entscheidung ist daher unanfechtbar. Jura Intensiv FAZIT Das Problem der Selbstwiderlegung durch zu langes Zuwarten ist ein Klassiker der Zivilgerichtsbarkeit. Die Kombination aus einstweiligem Verfügungsverfahren und übereinstimmender Erledigungserklärung machen den Fall für das Assessorexamen attraktiv. Das eigentliche Problem der unterbrochenen Warmwasserversorgung im Hochsommer kann auch der mit gesundem Menschenverstand lösen, der noch nie Kleinkinder gepflegt hat. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2018 Referendarteil: Zivilrecht 133 Problem: Verjährung des Freistellungsanspruchs Einordnung: BGB AT, SchuldR AT, GesellschaftsR BGH, Urteil vom 07.12.2017 III ZR 206/17 EINLEITUNG Lassen Sie sich in der vorliegenden Entscheidung des BGH nicht von Begriffen wie „Treuhandkommanditistin“ und „Einlagenrückgewähr“ entmutigen! Im Kern geht es im Fall nämlich um grundlegende zivilrechtliche Fragestellungen: Wann und wie verjährt ein Freistellungsanspruch, der durch Abtretung in einen Zahlungsanspruch übergegangen ist? TATBESTAND Die Klägerin nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht der B AG (im Folgenden: B.) auf Zahlung von 11.400 € in Anspruch. Die B. ist Treuhandkommanditistin der N. & Co. KG (Fondsgesellschaft; im Folgenden: N.). Am 14.06.2005 erklärte der Beklagte gegenüber der B. seinen Beitritt zur N. als mittelbarer (Treugeber-)Kommanditist mit einer Einlage von 30.000 €. Auf Grundlage des Treuhandvertrags vom 31.03.2004 fungierte die B. als Treuhänderin für den Beklagten. Aus frei verfügbarer Liquidität der N. erhielt der Beklagte in den Jahren 2005 bis 2008 gewinnunabhängige Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 11.400 €. Die N. erwarb 166 Containerchassis und vermietete diese an das veräußernde Unternehmen zurück. Der Erwerb wurde durch ein Darlehen der Klägerin (im Folgenden nur: Klägerin) finanziert. Nachdem die Mieterin der Chassis im Juni 2009 einen Insolvenzantrag gestellt hatte, erzielte die N. keine Einnahmen mehr und geriet auf diese Weise in finanzielle Schwierigkeiten. Mit Schreiben vom 12.11.2010 bat die Klägerin die N. aufgrund derer Finanzlage, die Kommanditisten zur „vollständigen Wiedereinlage“ der geleisteten Auszahlungen aufzufordern. Hierauf verlangte die B. mit Datum vom 10.12.2010 von dem Beklagten (sowie den anderen Treugebern) unter Hinweis auf ihren Freistellungsanspruch aus dem Treuhandvertrag mit Fristsetzung zum 20.12.2010 die Rückzahlung der Ausschüttungen. Dieses Schreiben lautet auszugsweise wie folgt: Jura Intensiv LEITSÄTZE (DER REDAKTION) 1. Der Freistellungsanspruch beginnt grundsätzlich dann zu verjähren, wenn die Verbindlichkeit, von der freizustellen ist, entsteht. 2. Für langlaufende Verbindlichkeiten ist hiervon allerdings eine Ausnahme zu machen und die Verjährung des Freistellungsanspruchs beginnt erst mit Fälligkeit des Anspruchs, von dem freizustellen ist. 3. Der Freistellungsanspruch geht in einen Zahlungsanspruch über, wenn die Inanspruchnahme des Freistellungsgläubigers durch den Gläubiger des Hauptanspruchs mit Sicherheit zu erwarten ist und feststeht, dass für die Erfüllung der Rückgriff erforderlich ist. Diese Art der Treuhandbeteiligung ist in der Praxis weit verbreitet: Der Anleger wird nicht formell Kommanditist. Er steht nicht im Handelsregister. Er ist nur Treugeber eines Treunehmers. Letzterer wird als Kommanditist kostenpflichtig im Handelsregister eingetragen. Wirtschaftlich wird der Treugeber aufgrund der Vereinbarungen des Treuhandverhältnisses wie ein Kommanditist behandelt. „Wie Sie wissen, hat sich die Fondsgesellschaft teilweise durch Darlehen finanziert. Der Kapitaldienst für diese Darlehen konnte nach Ausfall der Mietzahlungen nicht mehr geleistet werden. Die Auszahlungen der Fondsgesellschaft an die Anleger in den Jahren 2005 bis 2008 stellen sich als Rückzahlung der Hafteinlagen dar. Die B. haftet als Treuhandkommanditistin den Gläubigern der Gesellschaft im Umfang der zurückgezahlten Hafteinlagen. Die W. Bank hat die B. in Anspruch genommen. Der B. steht Ihnen als Treugeber gegenüber aus dem Treuhandvertrag in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag ein Freistellungsanspruch zu. Da die Ansprüche der W. Bank gegenüber der Treuhandkommanditistin definitiv bestehen, bleibt uns leider keine andere Wahl, als unseren Freistellungsanspruch aus dem Treuhandvertrag in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag Ihnen gegenüber geltend zu machen.“ © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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