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RA Digital - 03/2019

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126 Zivilrecht

126 Zivilrecht RA 03/2019 LÖSUNG Die Vorschriften zum schuldrechtlichen Vorkaufsrecht sind im Schuldrecht in den §§ 463 ff. BGB normiert. Sie sind dispositiv. Wird das Vorkaufsrecht gem. § 1094 BGB in das Grundbuch eingetragen, werden die §§ 463 bis 473 BGB durch den Verweis in § 1098 I BGB zwingendes Recht. Dies meint das Gericht mit „Verdinglichung“. Die gesetzliche Frist zur Ausübung beträgt bei Grundstücken gem. § 469 II 1 BGB grds. zwei Monate. Sie wurde hier vertraglich auf drei Monate verlängert und durch Eintragung in das Grundbuch unter Bezug auf die Eintragungsbewilligung „verdinglicht“. A. K gegen B gem. § 433 I S. 1 BGB i.V.m. §§ 1098 I, 463, 464 II BGB K könnte gegen B einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks gem. § 433 I S. 1 BGB i.V.m. §§ 1098 I, 463, 464 II BGB haben. Ein Kaufvertrag könnte im vorliegenden Fall durch die Ausübung des im Grundbuch eingetragenen dinglichen Vorkaufsrechts gem. §§ 1098 I, 464 II BGB zustande gekommen sein. Dabei stellt sich vorliegend die Frage, ob die maßgebliche Frist zur Ausübung des klägerischen Vorkaufsrecht eingehalten wurde. „[16] Die maßgebliche Frist zur Ausübung des klägerischen Vorkaufsrechts betrug vorliegend gem. § 7 I 2 des Kaufvertrages 1995 drei Monate, weil die gesetzliche Frist des § 469 II 1 BGB, auf den § 1098 I 1 BGB verweist, nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 469 II 2 BGB abgeändert werden kann. Zwar ist die Vereinbarung einer längeren Frist nicht zwischen K und B erfolgt, da Letztere nicht Vertragspartnerin des Kaufvertrages 1995 war. Eine Verdinglichung der veränderten Frist tritt aber dann ein, wenn sie - wie hier - im Grundbuch eingetragen wird, wobei die vorliegend erfolgte Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung genügt “ Die nach den §§ 186 ff. BGB zu berechnende Frist beginnt daher gem. § 469 II 1 BGB mit dem Empfang der Mitteilung über das Vorkaufsrecht. „[17] Vorliegend hat die BIM die Mitteilung über den Vorkaufsfall durch das durch SenFin im Original weitergeleitete Schreiben des den Kaufvertrag 2015 beurkundenden Notars vom 14.4.2016, dem eine einfache Abschrift des Kaufvertrages beigefügt war, am 09.05.2016 empfangen.“ Die Frist begann demnach gem. § 187 I BGB am 10.05.2016 um 0:00 Uhr zu laufen und endete nach § 188 II BGB am 09.08.2016 um 24:00 Uhr. Die mit Schreiben der A-GmbH vom 23.08.2016 erklärte Ausübung des Vorkaufsrechts war demnach nicht mehr fristwahrend, ohne dass es auf den genauen Tag des Zugangs bei B ankommt. „[17] Dahinstehen kann folglich auch, ob es zutrifft, dass bereits die an das Bezirksamt Mitte von Berlin und an SenFin gerichteten Schreiben vom 29.10.2015 sowie 14.04.2016 im Zeitpunkt des dortigen Eingangs den Beginn der Frist auslösten, weil sie damit in den Empfangsbereich des K als öffentlich-rechtliche Körperschaft gelangten, wofür allerdings einiges spricht.“ Fraglich ist jedoch, ob sich daran etwas ändern, weil der Mitteilung vom 14.04.2016 nur eine einfache Abschrift des Kaufvertrages 2015 beigefügt war. Grds. bedarf die Mitteilung des Vorkaufsfalls gem. § 469 II 1 BGB keiner Form. Vorliegend wurde in § 7 I 2 des Kaufvertrages 1995 jedoch vereinbart, dass die Frist erst mit Zugang „einer beglaubigten Abschrift des rechtswirksamen Kaufvertrages“ beginnt. Für B war diese Vereinbarung aber nicht bindend. „[18] Nach einhelliger Meinung bedarf die Mitteilung des Vorkaufsfalls i.S.v. § 469 II 1 BGB, die eine Wissenserklärung darstellt, keiner bestimmten Form. [19] Zwar ist in § 7 I 2 des Kaufvertrages 1995 vereinbart worden, dass die dreimonatige Frist mit dem Tag des Zugangs „einer beglaubigten Abschrift des rechtswirksamen Kaufvertrages" beim Verkäufer beginnt. Die Vereinbarung war für die an dem Kaufvertrag nicht beteiligte B aber nicht bindend. Denn die Vorschriften der §§ 463 bis 473 BGB über die Ausübung des Vorkaufsrechts und hier insbesondere der § 469 BGB, der die Pflicht des Vorkaufsverpflichteten beschreibt, dem Berechtigten Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2019 Zivilrecht 127 den Inhalt des mit dem Dritten geschlossenen Vertrages über den Verkauf unverzüglich mitzuteilen, gilt für das rechtsgeschäftlich begründete Vorkaufsrecht. Die Regelungen sind dispositiv und weitgehend der privatautonomen Gestaltung der Vertragsparteien unterworfen. Das zwischen den Parteien anwendbare dingliche Vorkaufsrecht nach den §§ 1094 ff. BGB stellt hingegen ein eigenständiges (Sachen-) Recht dar und ist vom schuldrechtlichen Vorkaufsrecht streng zu unterscheiden. Beides sind eigenständige Rechtsinstitute, die sich in ihrer Existenz nicht gegenseitig bedingen. Zwar findet über § 1098 I 1 BGB die Vorschrift des § 469 BGB auch auf das dingliche, gegen jeden Eigentümer geltende Vorkaufsrecht Anwendung. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal zum obligatorischen Vorkaufsrecht bleibt jedoch die weitgehend zwingende inhaltliche Ausgestaltung des dinglichen Vorkaufsrechts. Deshalb sind die §§ 463 bis 473 BGB, auf die § 1098 I 1 BGB verweist, anders als beim schuldrechtlich vereinbarten Vorkaufsrecht beim dinglichen Vorkaufsrecht grds. zwingend. Wegen des sachenrechtlichen Typenzwangs darf von den gesetzlichen Vorgaben grds. nicht abgewichen werden, es sei denn dies ist in den §§ 1094 ff., 463 ff. BGB ausdrücklich vorgesehen. [20] Die §§ 463 bis 473 BGB und insbesondere der § 469 BGB, der für die Wissenserklärung des Vorkaufsfalles keine besondere Form bestimmt, sehen eine ausdrückliche Möglichkeit der Abweichung in Bezug auf die Form der Mitteilung jedoch nicht vor. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass (auch mit dinglicher Wirkung) eine strengere Form vereinbart werden kann, hätte er dies in dem von § 1098 I BGB in Bezug genommenen § 469 I BGB - so wie in Hinblick auf die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts in Abs. 2 geschehen - aufnehmen können. Weil dies nicht erfolgt ist, ist davon auszugehen, dass eine Vereinbarung zur Einhaltung einer bestimmten Form der Mitteilung nicht Inhalt des dinglichen Vorkaufsrechts sein kann. Gerechtfertigt wird diese strenge Anwendung der in das Sachenrecht übertragenen Normen des schuldrechtlichen Vorkaufsrechts durch den sachenrechtlichen Typenzwang, der aus Gründen der Rechtsklarheit die Gestaltung der Rechte an Sachen der Privatautonomie weitgehend entzieht. In Bezug auf das Vorkaufsrecht bedeutet dies, dass der jeweilige Eigentümer des Grundstücks sich in Hinblick auf die Ausübung des Vorkaufsrechts nur auf die gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Abweichungsmöglichkeiten einstellen muss, nicht aber auf solche, die er womöglich gar nicht kennt oder kennen kann, weil er nicht Partei der hierzu getroffenen Vereinbarung war. [21] In dem Zusammenhang vertritt der K zwar die Ansicht, das Erfordernis der Übermittlung einer beglaubigten Abschrift des Kaufvertrages gehöre nach der Regelung in § 7 I des Kaufvertrages 1995 zur Bestimmung der dreimonatigen Frist, weil es deren Beginn festlege; mit der Dauer der Frist müssten aber auch Bestimmungen mit dinglicher Wirkung frei vereinbar sein, die Näheres zum Fristlauf regelten, auch wenn die Form der Mitteilung über den Vorkaufsfall selbst davon unberührt bliebe. Dies überzeugt jedoch nicht. Nach dem Wortlaut des § 469 II 1 BGB kann das Vorkaufsrecht bei Grundstücken grds. nur bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Empfang der Mitteilung über den Vorkaufsfall ausgeübt werden. Das Gesetz bestimmt damit die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts auf zwei Monate, während der Beginn der Frist auf den Empfang der Mitteilung i.S.v. § 469 I BGB festgelegt wird. Typisches Klausurproblem: Anders als beim ausschließlich schuldrechtlich vereinbarten Vorkaufsrecht sind die das gem. § 1094 BGB dingliche Vorkaufsrecht betreffenden Vorschriften zwingendes Recht. Es kann daher für die Wissenserklärung des Vorkaufsfalles keine besondere Form bestimmt werden. Entscheidendes Argument Typenzwang des Sachenrechts Das Gericht folgte daher auch nicht der klägerischen Auffassung, dass das Erfordernis der Übermittlung einer beglaubigten Abschrift des Kaufvertrages nach § 7 I des Kaufvertrages 1995 zur Bestimmung der dreimonatigen Frist gehöre. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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