Aufrufe
vor 5 Jahren

RA Digital - 03/2019

  • Text
  • Intensiv
  • Jura
  • Inhaltsverzeichnis
  • Recht
  • Verlags
  • Stgb
  • Strafrecht
  • Urteil
  • Deutschland
  • Beklagte
Die Ausbildungszeitschrift von Jura Intensiv.

142 Öffentliches Recht

142 Öffentliches Recht RA 03/2019 Selbstverwaltungsgarantie (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.9.2017, 10 C 6.16, RA 2018, 29, 29 – „Lichter aus! – Entscheidung“) Definition „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“, Art. 28 II 1 GG Zum Aufbau: Alternativ könnten diese Ausführungen auch schon im Prüfungspunkt „Rechtsgrundlage“ oder aber erst i.R.d. materiellen Rechtmäßigkeit erfolgen. Entscheidend: Ortsbezug des Artikels „[25] Äußerungs- und Informationsrechte der Gemeinden finden ihre Legitimation […] in der staatlichen Kompetenzordnung, namentlich der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG […]. Diese gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen. […] [29] Kommunale Pressearbeit ist begrenzt durch das Erfordernis eines spezifischen Orts- und Aufgabenbezugs; die Gemeinde erlangt aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur ein kommunalpolitisches, kein allgemeines politisches Mandat.“ Demnach müssen die im Amtsblatt vom 11.6.2015 veröffentlichten Artikel einen Ortsbezug aufweisen. Subsumtion: Teilweise fehlender Ortsbezug Die einzelnen Artikel sind separat auf ihren Ortsbezug zu untersuchen. „[50] Auf Seite 5 wird unter den Überschriften "Antrag ist genehmigt", "Crailsheim beim Kirchentag" und "Welcome Center berät" über Aktivitäten berichtet, die nicht im Aufgabenkreis der Beklagten liegen. Der Bericht "Antrag ist genehmigt" betrifft Informationen zum Genehmigungsstand einer von einer privaten Gesellschaft geplanten Windparkanlage auf dem Gebiet einer Nachbargemeinde. […] es sich dabei nicht um eine originäre Aufgabe der Beklagten handelt; die Information darüber oblag dem Landkreis. Der Artikel über "Crailsheim beim Kirchentag" berichtet inhaltlich über den Stand des Evangelischen Kirchenbezirks und der Familienbildungsstätte beim Kirchentag. […] ist ein über den im Bericht erwähnten Crailsheimer Reformator Adam Weiss hinausgehender Bezug zur Beklagten, geschweige denn einer städtischen Aktivität, aus dem Beitrag nicht ersichtlich. Die Terminsmitteilung "Welcome Center berät" berichtet über eine Institution zur Gewinnung und Unterstützung von Fachkräften in der Region Heilbronn-Franken. […] Informationspflichten der Beklagten [werden] damit nicht abgedeckt; es handelt sich vielmehr um die Terminsankündi-gung für eine gemeindefremde Institution.“ Demnach ist die Veröffentlichung dieser Artikel nicht von der Selbstverwaltungsgarantie der Stadt gedeckt und somit formell rechtswidrig. Die anderen im Amtsblatt publizierten Beiträge begegnen hingegen unter dem Gesichtspunkt des notwendigen Ortsbezugs keinen rechtlichen Bedenken. 2. Verfahren und Form Verstöße gegen Verfahrens- und Formvorschriften sind nicht ersichtlich. Demnach ist die Verteilung des Amtsblatts im aufgezeigten Umfang formell rechtswidrig. Da Art. 28 II 1 GG kein detaillierter Prüfungsaufbau zu entnehmen ist, kann direkt die Begrenzung der Öffentlichkeitsarbeit durch die Pressefreiheit untersucht werden. III. Materielle Rechtmäßigkeit der Verteilung Fraglich ist, ob die Verteilung des Amtsblatts materiell rechtmäßig ist. Als Begrenzung der grundsätzlich bestehenden Befugnis der Stadt zur Öffentlichkeitsarbeit kommt hier die grundrechtlich verankerte Pressefreiheit (Art. 5 I 2 1. Fall GG) in Betracht. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2019 Öffentliches Recht 143 1. Begrenzung durch Pressefreiheit „[31] Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthält nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in die Pressefreiheit, sondern garantiert als objektive Grundsatznorm die Freiheitlichkeit des Pressewesens insgesamt. Der Staat muss in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung tragen. Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates und für die Meinungsbildung in einer Demokratie unentbehrlich. Die Presse steht als Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seiner gewählten Vertretung. Diese der Presse zufallende "öffentliche Aufgabe" kann von der organisierten staatlichen Gewalt, zu der auch die Kommune als mittelbare Staatsverwaltung zählt, nicht erfüllt werden. Presseunternehmen müssen sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können. Sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf. Eine ausufernde hoheitliche Öffentlichkeitsarbeit birgt Gefahren für die Neutralität der Kommunikationsprozesse; die öffentliche Hand muss sich in Art, Frequenz und Umfang in Zurückhaltung üben, zumal staatlichen Druckschriften eine erhöhte Glaubwürdigkeit und damit ein besonderes Beeinflussungspotential zukommt. [32] Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG schränkt die Garantie des Instituts der freien Presse des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ein. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ist eine staatsorganisationsrechtliche Kompetenznorm, die den Gemeinden in Abgrenzung zu Bund und Ländern einen eigenen Aufgabenbereich zuweist. Die Regelung hat ausschließlich staatsgerichtete Funktion und begründet keine grundrechtlich geschützte Position der Gemeinde, die gegen die Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuwägen wäre; die Beklagte kann als Teil des Staates nicht Trägerin von Grundrechten sein. Auch eine vermeintlich unzureichende Versorgung mit Informationen über das örtliche Geschehen durch die private Presse gibt staatlichen Stellen nicht die Befugnis, eine solche angeblich vorhandene Informationslücke durch eigene, von amtlichen Bezügen losgelöste Pressetätigkeit zu schließen, und zwar auch nicht unter Berufung auf die Allzuständigkeit der Gemeinde im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. […]“ Objektive Wirkung der Pressefreiheit • Garantie einer freien, staatlich nicht gelenkten Presse • Staat muss sich bei seiner Öffentlichkeitsarbeit zurückhalten 1. Kernaussage: Selbstverwaltungsgarantie kann Pressefreiheit nicht beschränken, da Art. 28 II 1 GG nur eine Kompetenznorm ist. Gemeinde darf auch nicht „Lücken“ in der privaten Presse durch eigene Pressearbeit „stopfen“. 2. Rechtsfolgen der Begrenzung durch die Pressefreiheit Fraglich ist, welche Rechtsfolgen sich aus der Begrenzung durch die Pressefreiheit für die gemeindliche Öffentlichkeitsarbeit ergeben. „[36] Die Staatsferne der Presse verlangt unter Berücksichtigung des Grundsatzes einer vom Volk ausgehenden Meinungsbildung sowie des staatlichen Sachlichkeitsgebots, dass sich die Gemeinde in ihren Publikationen wertender oder meinungsbildender Elemente enthält und sich auf Sachinformationen beschränkt. Dazu gehört auch, dass sich gemeindliche Publikationen keiner (boulevard)pressemäßigen Illustration bedienen und das Layout nicht nach Art einer Tages- oder Wochenzeitung gestalten dürfen, um schon den Eindruck eines freien, von einem privaten Unternehmen stammenden Presseerzeugnisses zu vermeiden. Staatliche Publikationen müssen eindeutig als solche erkennbar sein; andernfalls wird die Unabhängigkeit der Informationsfunktion der Presse gefährdet.“ 2. Kernaussage: Zulässig sind nur Sachinformationen, Außenauftritt darf nicht demjenigen einer privaten Zeitung oder Zeitschrift gleichen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

RA - Digital

Rspr. des Monats