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RA Digital - 03/2020

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122 Zivilrecht

122 Zivilrecht RA 03/2020 LÖSUNG A. Anspruch der K gegen B auf Unterlassung der Benutzung des Namens und des Bildnisses analog § 1004 I 2 BGB i.V.m. § 823 I BGB i.V.m. Art. 2 I, 1 I GG K könnte gegen B einen Anspruch auf Unterlassung aus § 1004 I 2 BGB analog, § 823 I BGB i.V.m. Art. 2 I, 1 I GG wegen einer rechtswidrigen Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts haben. I. Analoge Anwendung des § 1004 I 2 BGB Dann muss der Unterlassungsanspruch aus § 1004 I 2 BGB analoge Anwendung auf Verletzungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts finden. Hierzu müsste es ein anerkanntes Allgemeines Persönlichkeitsrecht geben. Ständige Rspr. seit BGH, Urteil vom 25.05.1954, I ZR 211/53 Grundlegend: BGH, Urteil vom 01.12.1999, I ZR 49/97 (Marlene Dietrich) Diese Herleitung, wie man sie etwa bei Erman/Ebbing, BGB, § 1004 Rn 8 ff. findet, ist in dieser Ausführlichkeit in einer Klausur nicht unbedingt nötig, weil die Analogie des § 1004 I BGB anerkannt ist. Gleichwohl stößt die Entwicklung zum allgemeinen negatorischen Abwehranspruch im neueren Schrifttum auf Kritik, etwa bei Münch.Komm./Raff, BGB, § 1004 Rn 39. Die Ausführungen des LG überraschen an dieser Stelle zunächst. Tina Turner lebt noch. Hier liegt der Unterschied zur Marlene- Dietrich-Entscheidung. In letzterer musste sich deren Alleinerbin, die ja anders als Marlene Dietrich selbst nicht Trägerin der ideellen Rechte war, auf die mit dem Bild und dem Namen verbundenen vermögenswerten Interessen stützen. Tina Turner könnte als lebende Berühmtheit sich eigentlich auf ihre ideellen Rechte stützen, allerdings sind Personen der Zeitgeschichte ohnehin der Öffentlichkeit bekannt. Deshalb stützt das LG seine Entscheidung darauf, dass hier jemand die Lebensleistung eines Künstlers ausnutzt, um sich als Trittbrettfahrer zu bereichern. [18] Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als ein durch Art. 1 Abs. 1 GG und Artikel 2 Abs. 1 GG verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht und zugleich zivilrechtlich nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes „sonstiges Recht“ anerkannt. Es gewährleistet gegenüber jedermann den Schutz der Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Besondere Erscheinungsformen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind das Recht am eigenen Bild (§§ 22 ff. KUG) und das Namensrecht (§ 12 BGB). Sie gewähren Persönlichkeitsschutz für ihren Regelungsbereich. Folglich handelt es sich beim Allgemeinen Persönlichkeitsrecht um ein absolutes, sonstiges Recht im Sinne des § 823 I BGB, welches dem Eigentum gleichsteht. Hieraus ergibt sich die für eine Analogie erforderliche Vergleichbarkeit der Interessenlagen. Ferner muss es nötig sein, eine planwidrige Regelungslücke, die aus dem Fehlen eines allgemeinen Anspruchs auf Unterlassung von Störungen eigentumsähnlicher Rechtsgüter stammt, durch Rechtsfortbildung zu schließen. Aus den Verweisungen in den §§ 1027, 1065, 1090 II, 1227 BGB, § 11 I ErbbauRG, § 34 WEG ist zu schließen, dass § 1004 I BGB einen allgemeinen negatorischen Abwehranspruch zum Schutz aller absoluten Rechte enthält. Also ist § 1004 I 2 BGB analog auf Verletzungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzuwenden. Jura Intensiv II. Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts B muss das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der K verletzt haben. In Betracht kommt eine Verletzung durch die Verwendung auf den Werbemitteln sowohl des Namens „Tina Turner“ und die Verwendung eines Fotos der Sängerin G, welches K zum Verwechseln ähnlich sieht. Fest steht, dass K keine Einwilligung erteilt hat, problematisch erscheint hingegen, dass es sich bei dem verwendeten Foto eindeutig um ein Foto der G handelt. Fraglich ist ferner, ob eine Verwendung des Namens und des Bildnisses zu Werbezwecken eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen. [19] Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Ausprägungen schützen auch vermögenswerte Interessen der Person. Der Abbildung, dem Namen sowie sonstigen Merkmalen der Persönlichkeit wie etwa der Stimme, kann ein beträchtlicher wirtschaftlicher Wert zukommen, der im allgemeinen auf der Bekanntheit und dem Ansehen der Person in der Öffentlichkeit - meist durch besondere Leistungen etwa auf sportlichem oder künstlerischem Gebiet erworben - beruht. Die bekannte Persönlichkeit kann diese Popularität und ein damit verbundenes Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2020 Zivilrecht 123 Image dadurch wirtschaftlich verwerten, dass sie Dritten gegen Entgelt gestattet, ihr Bildnis oder ihren Namen, aber auch andere Merkmale der Persönlichkeit, die ein Wiedererkennen ermöglichen, in der Werbung für Waren oder Dienstleistungen einzusetzen. Durch eine unerlaubte Verwertung ihrer Persönlichkeitsmerkmale etwa für Werbezwecke werden daher häufig weniger ideelle als kommerzielle Interessen der Betroffenen beeinträchtigt, weil diese sich weniger in ihrer Ehre und ihrem Ansehen verletzt fühlen, als vielmehr finanziell benachteiligt sehen. [20] Die Persönlichkeitsrechte sollen die allein dem Berechtigten zustehende freie Entscheidung darüber schützen, ob und unter welchen Voraussetzungen sein Bildnis oder sein Name - entsprechendes gilt für andere kennzeichnende Persönlichkeitsmerkmale - den Geschäftsinteressen Dritter dienstbar gemacht wird. Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Interessen an der Persönlichkeit ist anerkannt, dass das Persönlichkeitsrecht auch vermögenswerte Bestandteile aufweist. [21] Durch die Nennung des Namens der Klägerin in der streitgegenständlichen Werbung ist ferner das der Klägerin zustehende Recht verletzt worden, darüber zu bestimmen, ob der eigene Name zu Werbezwecken benutzt werden darf. Diese Befugnis stellt, soweit sie dem Schutz kommerzieller Interessen des Namensträgers dient, ebenfalls einen vermögenswerten Bestandteil des Persönlichkeitsrechts dar. Auf die Verletzung namensrechtlicher Befugnisse (§ 12 BGB), die möglicherweise auch bei einer nicht namensmäßigen Benutzung in Betracht kommen kann, wenn im Verkehr der Eindruck entsteht, der Namensträger habe dem Benutzer ein Recht zu entsprechender Verwendung des Namens erteilt, kommt es dabei nicht an. Damit steht fest, dass die streitgegenständliche Verwendung des Namens zu kommerziellen Zwecken eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist. Zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehört das Recht am eigenen Bild. Hier könnte das Recht der K am eigenen Bild gem. § 22 KUG dadurch verletzt worden sein, dass ihr Bildnis ohne erforderliche Einwilligung für die streitgegenständliche Werbung verwendet wurde. Jura Intensiv [23] Bei der verwendeten Fotografie handelt es sich um ein Bildnis der Klägerin im Sinne von § 22 S. 1 KUG, obwohl es - unstreitig - ein Foto der Frau G ist. [24] Ein Bildnis im Sinne dieser Bestimmung ist die Darstellung einer Person, die deren äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt. Hierbei reicht es aus, wenn die Erkennbarkeit für einen mehr oder minder großen Personenkreis gegeben ist, den der Betroffene nicht mehr ohne weiteres selbst unterrichten kann. Sofern eine Identifizierung über die abgebildeten Gesichtszüge nicht möglich ist, kann es auch ausreichend sein, wenn die Person durch andere in dem Bild enthaltene Merkmale, durch den begleitenden Text oder im Zusammenhang mit früheren Veröffentlichungen erkennbar ist. Ein Bildnis eines Prominenten kann auch dann vorliegen, wenn durch einen „Doppelgänger“ der Eindruck erweckt wird, es handele sich um die Person des Prominenten selbst Es werden sowohl kommerzielle als auch ideelle Interessen der K (Tina Turner) beeinträchtigt. Der Träger der Persönlichkeitsrechte soll bestimmen, wer den Schnabel in seinem Glas befeuchten darf. Bei Prominenten haben Bildnis und Name einen lizenzfähigen Marktwert. Name als kommerzialisierbarer Wert Verwendung des Namens verletzte das Allgemeine Persönlichkeitsrecht BVerfG, 14.07.2004,1 BvR 263/03 Zu den ikonisierenden Merkmalen: „Fußballtorwart“: BGH, Urteil vom 26.06.1979, VI ZR, 108/78 Zur Doppelgängerproblematik: „Blauer Engel“: BGH, Urteil vom 01.12.1999, I ZR 226/97 © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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