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RA Digital - 03/2020

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148 Öffentliches Recht

148 Öffentliches Recht RA 03/2020 Ein Bürgerbegehren als vorübergehendes Konstrukt institutioneller Einbindung in die gemeindliche Willensbildung anstelle des Rates ist nicht auf eine dauerhafte vertrauensvolle Zusammenarbeit gerichtet und nimmt keine ihm im Interesse der Gemeinde übertragenen Organrechte war, sondern ermöglicht Teilhabe der einzelnen Bürger der Gemeinde durch Formung eines Bürgerwillens an der gemeindlichen Willensbildung der Gemeinde. Zu diesem Zweck wird es vorübergehend Teil der institutionellen Einbindung in die gemeindliche Willensbildung. […] Richtiger Klagegegner ist folgerichtig nicht die Stadt, sondern (wie beim „klassischen“ KVS) der Rat. Kritisch zur Entscheidung des BVerfG: Heusch/Dickten, NVwZ 2019, 1238, 1244; Muckel, JA 2019, 633, 635 OVG Koblenz, NVwZ-RR 1995, 411, 412; NVwZ-RR 1997, 241, 241 f. Den Anspruch auf Zulässigkeitserklärung eines Bürgerbegehrens durch den Beklagten können die Kläger als Vertreter des Konstruktes Bürgerbegehren als „Organ“ im Wege der allgemeinen Leistungsklage verfolgen.“ Demnach ist die Leistungsklage die statthafte Klageart. FAZIT Restlos überzeugend sind die Ausführungen des VG Gelsenkirchen (und auch diejenigen des BVerfG) nicht. Wieso eine plebiszitäre Teilhabe wie das Bürgerbegehren mit seiner Konstituierung Teil der (staatlichen) Gemeindeverwaltung werden soll, muss sich einem nicht unbedingt erschließen. Auch wirkt es befremdlich, wenn das VG das Bürgerbegehren zwar als „Organ“ der Gemeinde qualifiziert, einen Kommunalverfassungsstreit „im herkömmlichen Sinne“ aber ablehnt. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich die Sichtweise des VG obergerichtlich durchzusetzen vermag. Zumindest in Rheinland-Pfalz ist sie bereits seit Jahren vom dortigen OVG Koblenz akzeptiert, das das Bürgerbegehren als „Quasi-Organ“ einer Gemeinde qualifiziert. Unabhängig von der rechtlichen Überzeugungskraft der Argumentation des VG Gelsenkirchen ist das Problem der statthaften Klageart beim Streit über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens momentan hoch aktuell und sollte daher allen Examenskandidatinnen / Examenskandidaten bekannt sein. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2020 Referendarteil: Öffentliches Recht 149 Speziell für Referendare Problem: Baugenehmigung für die Änderung einer Werbeanlage Einordnung: Baurecht VG Berlin, Urteil vom 12.12.2019 13 K 296.17 EINLEITUNG Der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin liegt ein Streit über eine bauaufsichtliche Genehmigung für die Änderung einer Werbeanlage zugrunde. Hierbei hat sich das Gericht insbesondere mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich die Werbeanlage in die nähere Umgebung einfügt und gegen das Verunstaltungsverbot oder Aspekte der Verkehrssicherheit verstößt. TATBESTAND „Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Änderung einer hinterleuchteten Mega-Light-Werbeanlage in eine Digital-Board-Werbeanlage. Die Klägerin betreibt auf dem Grundstück [...] eine Mega-Light-Anlage, wofür sie am 21. September 1995 eine Baugenehmigung erhalten hatte. Die Kreuzung Storkower Straße 90/Kniprodestraße ist eine Kreuzung zweier vierspuriger Berliner Hauptverkehrsstraßen. Die zu ändernde Werbeanlage befindet sich auf dem besagten Privatgrundstück an der südwestlichen Ecke der Kreuzung und ist diagonal auf die Kreuzung ausgerichtet. [...] Auf der dem Standort der zu ändernden Werbeanlage gegenüberliegenden Seite der Storkower Straße befinden sich 4-geschossige Wohnanlagen. [...] An der nordwestlichen Ecke der Kreuzung befindet sich auf öffentlichem Straßenland eine rotierende Werbeanlage in der Form einer Litfaßsäule. Etwa 30 m weiter nördlich befindet sich eine weitere derartige Anlage auf öffentlichem Straßenland. [...] Direkt davor – etwa 50 m von der Kreuzung entfernt - befindet sich auf dem öffentlichen Gehweg in 2,50 m Höhe eine aufgeständerte Mega-Light-Anlage der Firma Wall mit wechselnden Werbebotschaften. Diese Werbeanlage wirkt in beide Richtungen der Storkower Straße auf den Betrachter ein. [...] Jura Intensiv Mit Antrag vom 17. Oktober 2016 beantragte die Klägerin den Austausch der vorhandenen Mega-Light-Werbeanlage gegen ein Digital-Board. Der Screen des Digital-Board hat ungefähr die Ausmaße des Euroformats (Außenmaße ca. 3,90 m x 2,80 m); die aktive Werbefläche weist eine Größe von 8,6 m² auf und ist auch im Übrigen wie die bisherige Anlage auf einem 2,50 m hohen Fuß aufgestellt. Mit Bescheid vom 17. Februar 2017 und mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2017, zugestellt am 18. April 2017, lehnte das Bezirksamt Pankow von Berlin den Antrag mit der Begründung ab, die Werbeanlage füge sich als gewerbliche Hauptnutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung, die einem reinen Wohngebiet entspreche, ein. LEITSÄTZE 1. Bei einer Werbetafel handelt es sich nicht um eine für die Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung maßgebliche Anlage, weil sie ungeachtet ihrer Qualifizierung als selbstständige gewerbliche Hauptnutzung nicht zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt ist und damit nicht geeignet ist, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. [...] 2. Die Beurteilung einer störenden Häufung im Sinne von § 10 Abs. 2 S. 3 BauO Berlin darf weder mit einem „Tunnelblick“ noch mit einem „Panoramablick“ vorgenommen werden. Ein Einleitungssatz ist zwar in der Praxis üblich, jedoch nicht erforderlich, wenn im Rubrum unter „wegen“ der Streitgegenstand schlagwortartig wiedergegeben wird. Zustände und Beschreibungen, die die Gegenwart betreffen werden im Indikativ Präsens dargestellt (insbesondere Ortsbeschreibungen). Verwaltungsverfahren als Teil der Geschichtserzählung: Indikativ Imperfekt Das Zustellungsdatum war hier im Hinblick auf die Verdeutlichung der Einhaltung der Klagefrist zu nennen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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