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RA Digital - 03/2021

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118 Zivilrecht

118 Zivilrecht RA 03/2021 Rechtsbindungswille ist fraglich Auslegungskriterien zur Annahme eines Rechtsbindungswillens in Abgrenzung zur Alltagsgefälligkeit. Der BGH sieht hier keine nennenswerten wirtschaftlichen Interessen, weder solche des B, noch solche des K. Zum Rangieren ist auch keine nennenswerte Qualifikation des Gefälligen erforderlich. um eine bloße Gefälligkeit des täglichen Lebens, die keinen Aufwendungsersatzanspruch des Klägers für den dabei erlittenen Schaden begründet. [14] Im Bereich der rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse wird zwischen einem Auftrags- und einem Gefälligkeitsverhältnis unterschieden. Ob jemand für einen anderen ein Geschäft im Sinne des § 662 BGB besorgt oder jemandem nur eine (außerrechtliche) Gefälligkeit erweist, hängt vom Rechtsbindungswillen ab. Maßgeblich ist insoweit, wie sich dem objektiven Beobachter - nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte - das Handeln des Leistenden darstellt. Eine vertragliche Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Leistungszusage verlässt oder wenn der Leistende an der Angelegenheit ein eigenes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat. Ist dies hingegen nicht der Fall, kann dem Handeln der Beteiligten nur unter besonderen Umständen ein rechtlicher Bindungswillen zugrunde gelegt werden. Ein Bindungswille wird deshalb in der Regel beim sogenannten Gefälligkeitshandeln des täglichen Lebens, bei Zusagen im gesellschaftlichen Bereich oder bei Vorgängen, die diesen ähnlich sind, zu verneinen sein (…). [16] Das Angebot des Klägers, das Fahrzeug des Beklagten zu 2 für diesen aus der Parklücke zu fahren, erfolgte zwar im Interesse des Beklagten, um ihm ohne weiteres Zuwarten den Einstieg auf der Fahrerseite zu ermöglichen, die für ihn als Rollstuhlfahrer aufgrund eines daneben geparkten Fahrzeugs gerade nicht zugänglich war. Wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art waren auf Seiten des Beklagten zu 2 jedoch nicht betroffen. Zwar überließ er dem Kläger die tatsächliche Gewalt über einen Gegenstand von nicht unerheblichem Wert. Dies sollte jedoch nur kurzfristig, unter Anleitung und im Beisein des Beklagten sowie in einer überschaubaren, nicht besonders gefahrgeneigten Verkehrssituation erfolgen. Die Revision zeigt auch keinen Vortrag des Klägers auf, wonach es sich um eine dringende Notsituation gehandelt hätte. Der Kläger selbst hatte an der von ihm angebotenen Hilfeleistung ersichtlich auch kein eigenes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse. [17] Bei dieser Sachlage ist das Handeln des Klägers als reine Gefälligkeit ohne rechtliche Verbindlichkeit anzusehen. Damit scheiden Aufwendungsersatzansprüche nach § 670 BGB aus (..). Vortrag des Klägers zu konkreten Anhaltspunkten für eine - grundsätzlich denkbare (…) - abweichende Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2 zeigt die Revision nicht auf. Soweit die Revision meint, bei Hilfeleistung im Verkehr sei regelmäßig eine stillschweigende Abmachung anzunehmen, dem aus Gefälligkeit Tätigen anfallende Aufwendungen und Schäden zu ersetzen (…), folgt der Senat dem nicht. Eine solche Annahme würde die anhand des Rechtsbindungswillens vorgenommene Abgrenzung zwischen Auftrag und bloßer Gefälligkeit wieder verwischen. Jura Intensiv Folglich liegt eine Alltagsgefälligkeit vor. Es fehlt an einem Rechtsbindungswillen für den Abschluss eines Auftragsvertrages. K hat gegen B keinen Anspruch aus §§ 662, 670 BGB. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2021 Zivilrecht 119 B. Anspruch des K gegen B auf Zahlung von Schadensersatz aus § 7 I StVG K könnte gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 7 I StVG haben. I. Rechtsgutsverletzung Es muss eins der in § 7 I StVG aufgeführten Rechtsgüter verletzt sein. Hier wurde eine fremde Sache beschädigt, mithin liegt eine Rechtsgutsverletzung vor. II. Halter eines Kraftfahrzeuges B, auf den das Auto zugelassen ist, hat die Verfügungsgewalt über sein Fahrzeug. Folglich ist er Halter. III. Kausalität Aus dem Merkmal „bei Betrieb“ folgt, dass sich die Betriebsgefahr im Kausalverlauf realisiert haben muss. Der Parkplatz vor der Arztpraxis ist für jedermann zugänglich und gehört damit zum öffentlichen Straßenverkehr. Der Unfall ereignete sich im Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung. Folglich hat sich die Betriebsgefahr realisiert. IV. Kein Ausschluss Der Anspruch kann durch Einwendungen ausgeschlossen sein. 1. Höhere Gewalt gem. § 7 II StVG Höhere Gewalt liegt vor, wenn der Unfall durch ein von außen auf den Straßenverkehr einwirkendes Ereignis verursacht wurde, welches nicht allein aufgrund seiner Häufigkeit hinzunehmen ist und selbst von einem Idealfahrer bei Anwendung äußerster Sorgfalt nicht hätte abgewendet werden können. Hier fehlt es am Merkmal der Verkehrsfremdheit. Der Unfall ereignete sich gerade durch die Teilnahme am Straßenverkehr. 2. Ausschluss gem. § 8 Nr. 2 StVG Fraglich ist, ob sich B auf den Ausschlussgrund des § 8 Nr. 2 StVG berufen kann. Danach ist § 7 I StVG ausgeschlossen, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des PKW tätig war. Erstens ist fraglich, ob der Ausschluss auch Sachschäden erfasst, zweitens ist fraglich, ob der Ausschluss auch Sachen erfasst, die nicht freiwillig in den Bereich des Kraftfahrzeugs eingebracht wurden. Jura Intensiv [8] Der Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG erfasst auch den vom Kläger geltend gemachten Schaden aufgrund der Beschädigung seines Pkw. [9] Nach ihrem Wortlaut gilt die Vorschrift nicht nur für Personenschäden. Verletzter im Sinne des § 8 Nr. 2 StVG kann auch der Eigentümer oder Besitzer einer beschädigten Sache sein (…). Der Sinn und Zweck des gesetzlichen Haftungsausschlusses, den erhöhten Schutz der Gefährdungshaftung nicht demjenigen zuteilwerden zu lassen, der sich durch seine Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs freiwillig aussetzt (…), steht im Streitfall - anders als die Revision meint - der Anwendung der Vorschrift ebenfalls nicht entgegen. [10] Allerdings soll nach einer in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansicht der Haftungsausschluss des § 8 Nr. 2 StVG gemäß seinem Gesetzessinn nicht eingreifen, wenn der Kraftfahrzeugführer mit einem fremden Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall seinen eigenen Pkw beschädigt. Begründet wird dies vor allem damit, dass in einem solchen Fall die beschädigte eigene Sache des Fahrzeugführers bei dem Betrieb keine § 8 Nr. 2 StVG erfasst auch Sachschäden, BGH, Urteil vom 03.12.1991, VI ZR 378/90. e.A.: § 8 Nr. 2 StVG soll nicht gelten, wenn man ein fremdes Fahrzeug führt und damit das eigene beschädigt, weil das eigene Fahrzeug nur zufällig in den Gefahrenkreis geraten ist. Nur die eigenen Rechtsgüter, die bewusst der Gefahr ausgesetzt wurden, sind vom Schutz des § 7 StVG ausgeschlossen. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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