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RA Digital - 03/2022

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122 Zivilrecht

122 Zivilrecht RA 03/2022 Im vorliegenden Fall wurde seitens K kein Wertersatz gefordert und folglich auch nicht zugesprochen. Die Rückgewährpflicht hat mit der Wertersatzpflicht aus § 357 VIII BGB nichts zu tun. Teile, die ausgebaut werden können, müssen rückübereignet werden. [56] Auch § 357 Abs. 8 BGB steht der Rückgewährpflicht der Beklagten nicht entgegen. [57] Diese Vorschrift regelt die Wertersatzpflicht bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen sowie über die Lieferung von Wasser, Gas, Strom in unbestimmten Mengen oder Volumen oder die Lieferung von Fernwärme; § 357 Abs. 8 S. 1 BGB stellt hierbei eine Anspruchsgrundlage dar, der Verbraucher schuldet Wertersatz für alle bis zum Zeitpunkt des Widerrufs empfangenen Leistungen (...). Der Begriff der „Dienstleistung“ ist entsprechend dem europäischen Hintergrund der Norm weit auszulegen und erfasst damit auch Werkleistungen (...). Der sachliche Anwendungsbereich des Abs. 8 S. 1 erfasst sämtliche Leistungen nicht gegenständlicher Art (...). Die Vorschrift trägt damit der Tatsache Rechnung, dass Dienstleistungen bereits auf der Primärebene nicht in Natur zurückgeben werden können (...). [58] Vorliegend hat das Landgericht dem Kläger jedoch keinen Wertersatz zugesprochen, wogegen sich die Beklagten wehren könnten. Hier geht es lediglich um die Rückgewähr derjenigen Gegenstände, die der Kläger geliefert bzw. verbaut hat. Diese können zurückgewährt werden. Sie fallen daher nicht in den Anwendungsbereich des § 357 Abs. 8 BGB. (...) [61] Ob die Wärmepumpe und der Speicher und/oder etwaige andere Teile gemäß § 94 Abs. 2 BGB wesentliche Bestandteile des Gebäudes der Beklagten geworden sind, ist ebenfalls ohne Belang und steht der Rückgewährverpflichtung nicht entgegen. Zum einen ist zu bedenken, dass jedenfalls die Wärmepumpe und der Speicher sowie auch diverses Zubehörmaterial physisch vom Gebäude wieder getrennt werden können und, wie bereits ausgeführt, der Umstand, dass es zu Beschädigungen oder gar Zerstörungen von auszubauenden Teilen kommen kann, der Rückgewährpflicht nicht entgegenstehen. Zum anderen dient § 94 der Schaffung klarer Rechtsverhältnisse (...) und regelt daher das Eigentum an bestimmten Gegenständen. Der Widerruf wirkt jedoch ohnehin nur schuldrechtlich, nicht dinglich, er hebt weder den Vertrag noch etwaige Verfügungen auf, sondern beendet lediglich die beiderseitigen Leistungspflichten und gewährt einen obligatorischen Anspruch auf Rückgewähr des Geleisteten (...). Unabhängig davon, ob der Verbraucher Eigentümer der erlangten Gegenstände durch Verfügung (§ 929 BGB) geworden ist oder wie hier womöglich durch Einbau in das Gebäude gemäß § 94 BGB, ändert dies daher nichts an der Rückgewährverpflichtung, die dementsprechend allerdings auch die Verpflichtung zur Rückübereignung mitumfasst. Jura Intensiv Folglich greifen die von den B erhobenen Einwände gegen ihre Rückgewährverpflichtung nicht durch. Folglich kann K die Rückzahlung verweigern, bis die B ihm die Wärmepumpe zurückgewähren. C. Ergebnis K hat keinen Anspruch auf Werklohn. Die B haben gegen K gem. §§ 355 III, 357 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Teilzahlung Zug um Zug gegen Ausbau und Rücksendung der Wärmepumpe. FAZIT Das Widerrufsrecht des §§ 312b, 312g I BGB besteht unabhängig, davon, ob es im Haus des Verbrauchers zu einer Überrumpelungssituation gekommen ist. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2022 Zivilrecht 123 Problem: Keine Anwendung des § 861 BGB wegen Entzug des Administratorenrechts Einordnung: Sachenrecht, ZPO LG Essen, Urteil vom 06.01.2022 6 O 314/21 (abgewandelt) EINLEITUNG Kuriose Analogiebegründungen bringen Rechtsanwälten im von Prinzipien durchzogenen Gebiet des Sachenrechts selten Erfolg. SACHVERHALT B produziert und vertreibt Spielgeräte mit Anbindung an das Internet und der Möglichkeit der Videoübertragung. Mit diesen Geräten können Dartspiele und -turniere veranstaltet werden, ohne dass die Teilnehmer im selben Raum anwesend sein müssen. K veranstaltet Turniere und Ligaveranstaltungen im elektronischen Dartsport in Deutschland. Die nationalen Wettkämpfe werden über Facebook-Seiten organisiert. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 01.10.2020 erwarb K sämtliche für den Betrieb notwendigen Software-Programme, Kommunikationsmittel, Webdienste oder sonstigen Kommunikationsmittel und Plattformen (wie z.B. die Internetseite www....de, Facebook-Seite, ... Account). Im Frühjahr 2021 wurde K als Administrator für die Facebook- Seiten hinzugefügt, wobei B seine bestehenden Administratorenrechte behielt. Am 18.10.2021 bemerkte der K, dass ihm die Administratorenrechte für die genannten Facebook-Seiten wieder entzogen worden waren. K meint, dass sich der Entzug der Administratorenrechte als verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 I BGB darstelle, so dass ihm ein Anspruch auf Wiedereinräumung aus § 861 I BGB zustehe. K beantragt vor dem zuständigen Gericht, ihm im Wege einer einstweiligen Verfügung sofort die Administratorenrechte wieder einzuräumen, macht allerdings keine besondere Dringlichkeit gem. §§ 936, 920 II, 294 ZPO glaubhaft. B beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Zu Recht? LÖSUNG A. Zulässigkeit und Begründetheit eines Anspruchs auf einstweilige Leistungsverfügung analog § 940 ZPO K könnte mit seinem Antrag eine sofortige Wiedereinsetzung in den Administratorenstatus erwirken, wenn die Voraussetzungen einer Leistungsverfügung analog § 940 ZPO vorlägen. I. Zulässigkeit analog § 940 ZPO Dann muss der Antrag statthaft sein. Jura Intensiv [25] Zudem ist der Antrag statthaft im Sinne des § 940 ZPO. Danach sind einstweilige Verfügungen – neben § 935 ZPO – zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. LEITSATZ DER REDAKTION Der Entzug des Administratorenrechts einer Facebook-Seite ist keine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 I BGB. Die possessorischen Besitzschutzansprüche aus §§ 861, 862 BGB sind weder direkt noch entsprechend anwendbar. Der Sachverhalt wurde aus didaktischen Gründen stark verkürzt. Im Originalfall standen drei Verfügungsklägern vier Verfügungsbeklagte gegenüber. Den eigentlichen Kern des Falles kann man auch ohne die gesellschaftsrechtlichen Strukturen darstellen. Hätte K gegen den B eine Leistungsklage erhoben, hätte er vor Gericht Ansprüche gegen B aus dem Vertrag mit diesem, sowie deliktische Ansprüche gegen ihn darlegen und beweisen müssen. Der Nachteil: Bis zu einer gerichtlichen Entscheidung durch Urteil hätte K mit einer Zeitspanne von ca. einem Jahr rechnen müssen – eine lange Zeit, wenn man die Administratorenrechte dringend benötigt. Über Anträge auf einstweilige Verfügungen wird schnell entschieden, nach § 935 ZPO bewirken sie eine vorläufige Sicherung von Ansprüchen, nach § 940 ZPO eine vorläufige Regelung eines Rechtsverhältnisses. Es gilt jedoch das Verbot der Wegnahme der Hauptsache. Nur die Leistungsverfügung analog §940 ZPO durchbricht dieses Verbot und schafft sofortige Abhilfe. Ihre Voraussetzungen sind allerdings sehr hoch! Es besteht nur dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn K einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund behauptet hat. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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