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RA Digital - 03/2022

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136 Referendarteil:

136 Referendarteil: Zivilrecht RA 03/2022 EuGH, Urteil vom 26.03.2020, C 66/19; BGH, Urteil vom 27.10.2020, XI ZR 498/19; BGH, Urteil vom 27.10.2020, XI ZR 525/19 Hierfür spräche allerdings aufgrund der positiven Kenntnis der K von der finanziellen Überforderung der B viel. Hinzu kommt, dass die B aufgrund der ebenfalls bekannten fehlenden Liquidität des Z unmittelbar haften sollte und nicht „nur“ nachrangig als Bürgin. In einer Examensklausur könnte daher der Komplex hinsichtlich der Widerrufbarkeit der Erklärung so gestaltet werden, dass ein Widerruf ausgeschlossen ist. Sinnvolle Prüfungsreihenfolge: • Widerruf, §§ 495 I, 355 I 1 BGB • Anfechtung gem. § 123 BGB • Anfechtung gem. §§ 119 f. BGB • Rücktritt, gesetzl., § 323 ff. BGB oder vertraglich auslegungsfähig, sodass bei einer richtlinienkonformen Auslegung eine Verweisung auf weitere Rechtsvorschriften den Anforderungen an Klarheit und Verständlichkeit nicht genügt (EuGH (…)). [28] Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F. (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Juli 2020 - XI ZR 288/19 - Rn. 17ff. (…)) berufen, denn die Widerrufsinformation der Klägerin entspricht nicht in vollem Umfang dem Muster in Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB a.F, denn sie gibt statt der 14-tägigen Widerrufsfrist des Mustertextes die Widerrufsfrist mit einem Monat an. Daher bedarf es keiner Entscheidung, ob die B auch zur Anfechtung ihrer Willenserklärung berechtigt war bzw. ob die Mitverpflichtung der Beklagten gemäß § 138 I BGB sittenwidrig ist. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 709 ZPO. FAZIT Im Rahmen einer Beweiswürdigung bezüglich Zeugenaussagen trennen Sie bitte scharf zwischen der Glaubwürdigkeit des Zeugen (personenbezogen) und der Glaubhaftigkeit von dessen Aussage (inhaltsbezogen). In einer Klausur können Sie nur die Glaubhaftigkeit der Aussage bewerten, da Sie die Vernehmung nicht durchgeführt haben und somit keinen Eindruck vom Zeugen gewinnen konnten. Inhaltlich dient diese Entscheidung neben dem in der RA 12/2021, 627 behandelten Urteil zur weiteren Abgrenzung zwischen Mitdarlehensnehmer, Bürgschaft und Schuldbeitritt. Die Einordnung als Mitdarlehensnehmer kommt in Betracht, wenn der originäre und der Mitunterschreibende völlig identische Leistungsinteressen und auch Verpflichtungen haben sollen. Die Bürgschaft ist von der Haftungshierarchie geprägt. Grundsätzlich haftet der Schuldner, der Bürge haftet – aufgrund der (dispositiven) Einrede der Vorausklage – nachrangig, § 771 Satz 1 BGB. Bei gleichrangigen Verpflichtungen und unterschiedlichen Leistungsinteressen spricht viel für den Schuldbeitritt, entweder, weil die Leistungsinteressen zumindest ähnlich sind oder der Vertragspartner – hier die Bank – zumindest im Gespräch das Mitunterschreiben als Mithaftung und somit als Schuldbeitritt wollte. Klarstellend hätte das Gericht – neben der Abgrenzung zur Mitdarlehensnehmerschaft – in diesem Fall noch ausführen können, dass die Bank aufgrund des bekannten Solvenzrisikos des Darlehensnehmers Z keinen lediglich nachrangigen Sicherungsgeber im Sinne eines Bürgen als Vertragsbedingung wollte, sondern einen direkten zweiten Schuldner. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2022 NEBENGEBIETE Nebengebiete 137 Arbeitsrecht Problem: Bruttolohnklage ist kein Sic-non-Fall Einordnung: Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten LAG Köln, Beschluss vom 03.09.2021 11 U 60/21 EINLEITUNG Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG sind gem. § 5 I 1 ArbGG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Damit stellt sich zunächst die Frage, ob für die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten die Arbeitnehmereigenschaft tatsächlich vorliegen muss. Das BAG unterscheidet für die Beantwortung dieser Frage danach, ob ein reines Arbeitnehmerrecht geltend gemacht wird, oder ob Ansprüche geltend gemacht werden, die auch einem Nicht-Arbeitnehmer zustehen können. Kann ein Anspruch nur einem Arbeitnehmer zustehen (sog. reines Arbeitnehmerrecht), so wird der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten durch die bloße Behauptung der Arbeitnehmereigenschaft eröffnet. Die Behauptung kann auch konkludent durch die Geltendmachung des Anspruchs erfolgen. Dabei reicht die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus. Die Behauptung der Arbeitnehmereigenschaft muss nicht schlüssig sein. Dieser Fall wird „sic-non-Fall“ („wenn-nicht-Fall“) genannt. Wenn der Kläger nicht Arbeitnehmer ist, kann er den Prozess nicht gewinnen, weil er ein reines Arbeitnehmerrecht geltend macht. Die sich auf die Arbeitnehmereigenschaft beziehenden Tatsachenbehauptungen des Klägers sind in derartigen Fällen „doppelrelevant“„, nämlich sowohl für die Rechtswegzuständigkeit, als auch für die Begründetheit der Klage maßgebend. Kann der geltend gemachte Anspruch hingegen auch einem Nicht- Arbeitnehmer zustehen, so ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nur eröffnet, wenn die Arbeitnehmereigenschaft gegeben ist. Jura Intensiv Durch diese Rechtsprechung soll gewährleistet werden, dass z.B. Lohnansprüche, die sowohl einem Arbeitnehmer (vgl. § 611a II BGB) als auch einem freien Mitarbeiter (vgl. § 611 I BGB) zustehen können, vor dem jeweils „richtigen“ Rechtsweg geltend gemacht werden. LEITSATZ Eine Sic-non-Fallgestaltung, bei der die bloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet, liegt nicht vor, wenn eine Entgeltklage dem Grunde nach auf einen vertraglichen Vergütungsanspruch gestützt und hinsichtlich der Höhe auf den Mindestlohn als zumindest angemessene und übliche Vergütung beschränkt wird. Ist jemand hingegen gar kein Arbeitnehmer, macht aber dennoch einen Anspruch geltend, der bloß einem Arbeitnehmer zustehen kann, so ist es prozessual sinnlos, die Klage von den Arbeitsgerichten an die ordentliche Gerichtsbarkeit zu verweisen. Nunmehr muss sich nämlich ein zweites Gericht mit der Frage beschäftigen, ob der Kläger Arbeitnehmer ist. Da dies nicht der Fall ist, würde die Klage dann bei den ordentlichen Gerichten als unbegründet abgewiesen werden. Dann ist es auch verfahrensökonomisch sinnvoller, wenn das Arbeitsgericht im „Sic-non-Fall“ die Klage bei fehlender Arbeitnehmerstellung gleich selbst als unbegründet zurückweisen kann. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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