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RA Digital - 03/2022

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154 Referendarteil:

154 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 03/2022 Auch hier sollte in einer Klausur die Subsumtion der verschiedenen Tatbestandsmerkmale deutlicher formuliert werden. Würdigung des klägerischen Vortrags Ermessen In der Klausur empfiehlt sich eine etwas ausführlichere Einleitung der Ermessensprüfung unter Nennung von § 114 S. 1 VwGO. OVG Koblenz, Beschluss vom 29.04.2004, 12 B 10545/04.OVG Prüfung eines Anspruchs auf Herausgabe der Masken und des Kabels Ähnliche Anspruchsgrundlagen finden sich in den Polizeigesetzen der anderen Bundesländer. Anspruchsvoraussetzung nicht gegeben, da die Voraussetzungen für die Sicherstellung weiterhin vorliegen. Hinsichtlich des Kabels lag nicht nur eine gegenwärtige Gefahr, sondern sogar eine gegenwärtige Störung vor. Die Gefahr hatte sich bereits realisiert, weil es sich bei dem umfunktionierten Kabel um eine Waffe handelt, die der Kläger nicht besitzen durfte. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) WaffG sind Waffen tragbare Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen. Nach § 42a Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist es verboten Hieb- und Stoßwaffen nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 1.1 zu führen, die Hieb- und Stoßwaffen definiert als Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, unter unmittelbarer Ausnutzung der Muskelkraft durch Hieb, Stoß, Stich, Schlag oder Wurf Verletzungen beizubringen. Das trifft auf das dicke Kabel mit der Verstärkung durch Klebeband unzweifelhaft zu. Eine andere, sinnvolle Verwendungsmöglichkeit hat der Kläger auch nicht dargelegt. Die Angabe, er nutze es zum Reifenwechseln, ist als Schutzbehauptung zu werten, denn es ist völlig ausgeschlossen, dass er ein biegsames Kabel als Hebel beim Reifenwechsel einsetzen kann. Die Sicherstellung erfolgte ermessensfehlerfrei. Es liegt insbesondere keine Ermessensüberschreitung durch Setzen einer unverhältnismäßigen Rechtsfolge vor. Es ist zwar richtig, dass der Besitz der Masken nicht verboten ist und es sich um Alltagsgegenstände handelt, die ersetzt werden können. Gleichwohl konnte die akute Gefahr durch die Sicherstellung zunächst effizient beseitigt werden. Zudem führt die grundsätzliche Ersetzbarkeit nicht automatisch dazu, dass eine Sicherstellung ausscheidet, sondern ist - im Gegenteil - eventuell angezeigt, neu beschaffte Gegenstände, die die sichergestellten ersetzen, ebenfalls sicherzustellen. Ein milderes Mittel ist auch nicht ersichtlich, denn es gibt letztlich nur die Möglichkeit, die Gegenstände entweder sicherzustellen oder sie beim Kläger zu belassen. Die Sicherstellung war auch angemessen, denn der Kläger war - und ist - weder auf die Masken, noch auf das Kabel nach seinem eigenen Vortrag angewiesen, da er sie ja leicht ersetzen kann. Das Interesse des Klägers, gerade auf die sichergestellten Gegenstände zurückgreifen zu können, muss hinter dem Interesse der Allgemeinheit am Schutz von Leib und Leben zurücktreten, denn für diese Rechtsgüter besteht eine erhebliche Gefahr sowohl durch das Kabel, das als Waffe eingesetzt werden kann, als auch durch die Masken, die ungeahndete Fahrten mit erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen ermöglichen und daher dazu verleiten. Jura Intensiv Auch die Leistungsklage ist unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Herausgabe der Masken und des Kabels. Anspruchsgrundlage für den Herausgabeanspruch ist § 25 Abs. 1 Satz 1 POG, der bestimmt, dass, sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind, die Sachen an denjenigen herauszugeben sind, bei dem sie sichergestellt wurden. Anspruchsvoraussetzung ist demnach der Wegfall der Voraussetzungen für die Sicherstellung. Hier besteht die gegenwärtige Gefahr, aufgrund derer die Gegenstände sichergestellt wurden, aber fort. Das Kabel bleibt eine Waffe i.S.d. WaffG, die der Kläger nicht besitzen darf und es besteht auch weiterhin aus den o.g. Gründen die Gefahr, dass der Kläger die Masken erneut einsetzt, um Geschwindigkeitsverstöße unerkannt begehen zu können bzw. zu ermöglichen. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2022 Referendarteil: Öffentliches Recht 155 Letztlich ist auch die Anfechtungsklage hinsichtlich der Verwertungsanordnung im Widerspruchsbescheid unbegründet, denn auch diese Anordnung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zunächst ist klarzustellen, dass der Beklagte die Verwertungsanordnung zulässigerweise im Widerspruchsbescheid treffen konnte. Zwar gilt grundsätzlich, dass die Entscheidungsbefugnis der Widerspruchsbehörde nach § 73 VwGO auf den durch den Widerspruch gezogenen Rahmen begrenzt ist. Sie darf deshalb den Widerspruch nicht zum Anlass nehmen, weitere rechtlich selbstständige Regelungen zu treffen, die über den Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts hinausgehen und insbesondere der angefochtenen Ausgangsentscheidung keine „neue“ Entscheidung hinzufügen. Verfährt sie dennoch so, so liegt an sich ein Fall des unzulässigen Selbsteintritts vor. Zulässig ist der Erlass eines neuen Verwaltungsakts durch die Widerspruchsbehörde allerdings dann, wenn sie hierfür auch allgemein zuständig ist, also entweder mit der Ausgangsbehörde identisch ist oder als Aufsichtsbehörde ein spezialgesetzlich geregeltes Selbsteintrittsrecht besitzt. Das ist hier der Fall. Das Polizeipräsidium ist sowohl Widerspruchs- als auch Ausgangsbehörde. Es ist als „Polizei“ gem. §§ 94 Abs. 1, 95, 96 Abs. 1 POG originär zuständig für den Erlass von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr gem. §§ 22 ff. POG. Es ist überdies Widerspruchsbehörde gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, weil das Polizeipräsidium eine obere Landesbehörde ist. Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der Verwertung der Masken ist § 24 Abs. 1 Nr. 2 POG, wonach die Verwertung einer sichergestellten beweglichen Sache zulässig ist, wenn ihre Verwahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist. Das ist hier der Fall. Unverhältnismäßig hoch sind Kosten insbesondere - aber nicht ausschließlich - dann, wenn sie den Wert der Sache übersteigen. Die Unverhältnismäßigkeit der Verwahrungskosten ergibt sich vorliegend schon aus einem Vergleich des Restwertes der sichergestellten Masken von wenigen Euro mit den anfallenden Verwahrungskosten. Die Masken sind seit dem 25. September 2020 verwahrt. Gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4, 24 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 des Landesgebührengesetzes - LGebG - i.V.m. § 1 der Landesverordnung über die Gebühren der allgemeinen und inneren Verwaltung einschließlich der Polizeiverwaltung (Besonderes Gebührenverzeichnis) und der lfd. Nr. 14.4 der Anlage hierzu fallen für die Verwahrung sichergestellter Gegenstände Kosten i.H.v. 7,00 - 21,50 € pro Tag an. Jura Intensiv Ferner hat der Beklagte die ihm eingeräumte Befugnis bei der Anordnung der Verwertung der Masken ermessensfehlerfrei und ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgeübt. Der Verlust des Eigentums an den Masken und der damit verbundene finanzielle Schaden für den Kläger stehen nicht außer Verhältnis zum Schutz von Leib, Leben und Gesundheit anderer Straßenverkehrsteilnehmer. Prüfung der Verwertungsanordnung, hier mit der Besonderheit der erstmaligen Anordnung im Widerspruchsbescheid. Zulässigkeit der reformatio in peius / Verböserung im Widerspruchsverfahren Diese Ausführungen des VG sind nicht restlos überzeugend. Zwar berechtigt ein Selbsteintrittsrecht die Widerspruchsbehörde zum Erlass einer „neuen“ Entscheidung, die über den Ausgangs-VA hinausgeht. Dann handelt es sich richtigerweise aber auch nicht um einen Widerspruchsbescheid, sondern um einen neuen Ausgangs-VA, der wiederum mit einem Widerspruch angreifbar ist (vgl. Jaroschek, JA 1997, 668, 669; Meister, JA 2002, 567, 567). EGL für Verwertungsanordnung bzgl. der Masken Die Voraussetzungen sind in den Bundesländern ähnlich formuliert. Subsumtion OVG Magdeburg, Beschluss vom 13.12.2006, 2 M 325/06, juris Rn 9 Ermessen © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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