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RA Digital - 03/2022

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160 Strafrecht

160 Strafrecht RA 03/2022 Auch nach der Verfügungs- oder Exklusivitätstheorie wäre dies eine tatbestandliche Opferreaktion, da die Übergabe eine Verfügung des G über Gewahrsam und Eigentum an den Sachen wäre. Da diese Meinung aber oben bereits abgelehnt wurde, ist auf deren Anforderungen im Gutachten nicht mehr einzugehen. 2. Bzgl. Opferreaktion A stellte sich vor, dass G ihm Fahrzeugschlüssel und –papiere herausgeben würde. Er wollte also eine Handlung des Opfers herbeiführen und hatte somit Tatentschluss bzgl. einer tatbestandlichen Opferreaktion. 3. Bzgl. Vermögensnachteil A hat sich auch vorgestellt, G durch den Verlust des Schlüssels und der Papiere einen Vermögensnachteil zuzufügen. 4. Bzgl. Kausalität 1. – 2. und 2. – 3. A hatte auch Tatentschluss bzgl. der erforderlichen durchgehenden Kausalität. BGH, Urteil vom 28.10.2010, 4 StR 402/10, NStZ 2011, 519 BGH, Beschluss vom 21.12.1998, 3 StR 434/98 BGH, Beschluss vom 15.05.2001, 3 StR 153/01 5. Bereicherungsabsicht A hatte die Absicht, sich Besitz und Eigentum an Schlüssel und Papieren zu verschaffen und sich so zu bereichern. 6. Bzgl. Rechtswidrigkeit und Stoffgleichheit der beabsichtigten Bereicherung A müsste sich auch vorgestellt haben, dass die von ihm beabsichtigte Bereicherung rechtswidrig und stoffgleich sei. „[15] a) Eine Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schweren Raubes mit Todesfolge (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2, § 251 StGB) oder wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung mit Todesfolge (§ 253 Abs. 1, § 250 Abs. 2, § 251 StGB) kam nicht in Betracht. [16] Bei der [räuberischen] Erpressung ist die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der zumindest bedingte Vorsatz des Täters erstrecken muss. Der Täter will sich dann zu Unrecht bereichern, wenn er einen Vermögensvorteil erstrebt, auf den er keinen rechtlich begründeten Anspruch hat; allein der Umstand, dass ein fälliger Anspruch mit Nötigungsmitteln durchgesetzt werden soll, macht den begehrten Vorteil nicht rechtswidrig. Entsprechendes gilt für das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit der Zueignung beim Tatbestand des Raubes im Sinne des § 249 StGB. [17] Der Generalbundesanwalt weist in seiner Antragsschrift zutreffend darauf hin, dass der Angeklagte aus dem nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB infolge Eigentumsumschreibung im Grundbuch wirksamen Grundstückskaufvertrag einen Anspruch auf Zahlung des Restkaufpreises von 30.000 € gegen den Geschädigten hatte, mit dem er gegen den Kaufpreisanspruch für das Fahrzeug die Aufrechnung erklärt hat (§§ 387, 388 BGB). Die Forderung war einredefrei und fällig. Denn der Angeklagte hatte dem Geschädigten den Kaufpreisteil von 30.000 € nicht im Sinne eines befristeten Einforderungsverzichts gestundet, sondern bei verständiger Würdigung (§§ 133, 157 BGB) aus Nachsicht mit Blick auf die noch ausstehende Baugenehmigung lediglich einen Zahlungsaufschub gewährt. Es liegt fern, dass der Angeklagte dauerhaft das Risiko der Versagung der Bau- oder Nutzungsgenehmigung oder auch nur einer erheblich verzögerten Erteilung vertraglich übernehmen wollte. Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2022 Strafrecht 161 Da der Anspruch des Geschädigten auf Zahlung des Kaufpreises für das Fahrzeug infolge der Aufrechnung nach § 389 BGB erloschen ist, war er nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, dem Angeklagten das Fahrzeug nebst Schlüssel zu übereignen (§ 433 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 311c, 97 Abs. 1 Satz 1 BGB) und die Fahrzeugpapiere zu übergeben (§ 985 i.V.m. § 952 Abs. 2 BGB entsprechend).“ BGH, Urteil vom 18.09.2020, V ZR 8/19, NJW 2020, 3711 A wusste, dass er einen durchsetzbaren Anspruch gegen G auf Übergabe und Übereignung der Schlüssel und Papiere hatte und hatte somit keinen Tatentschluss bzgl. der Rechtswidrigkeit der von ihm beabsichtigten Bereicherung. III. Ergebnis A ist nicht strafbar gem. §§ 253 I, 255, 250 II Nr. 1, 22, 23 I StGB. C. Strafbarkeit gem. §§ 240 I, 22, 23 I StGB Durch sein Verhalten gegenüber G könnte A sich jedoch wegen versuchter Nötigung gem. §§ 240 I, 22, 23 I StGB zum Nachteil des G strafbar gemacht haben. I. Vorprüfung Da es nicht zu der von A beabsichtigten Reaktion des G – der Herausgabe von Schlüssel und Papieren – gekommen ist, ist die Nötigung nicht vollendet. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus § 240 III StGB. II. Tatentschluss 1. Bzgl. Nötigungsmittel A wollte G damit drohen, diesen zu erschießen, er hatte also Tatentschluss bzgl. einer Drohung mit einem empfindlichen Übel. 2. Bzgl. Opferreaktion A hatte sich vorgestellt, G zur Herausgabe des Schlüssels und der Papiere zu bewegen, hatte also Tatentschluss bzgl. einer Handlung des Opfers als Opferreaktion. 3. Bzgl. Kausalität 1. – 2. A hatte sich vorgestellt, dass seine Drohung den G zu der begehrten Handlung bewegen würde und dass dieser die Herausgabe auch gerade wegen des ausgeübten Drucks und nicht z.B. als Folge einer Einsicht in das Bestehen einer eigenen Leistungspflicht vornehmen würde. Somit hatte A Tatentschluss bzgl. der i.R.v. § 240 I StGB erforderlichen Kausalität. III. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB A hatte die Drohung bereits ausgesprochen und ging nicht davon aus, dass noch weitere wesentliche Zwischenschritte eintreten müssten, bis G die beabsichtigte Herausgabe vornehmen würde. Er hat somit unmittelbar angesetzt. IV. Rechtswidrigkeit Jura Intensiv In der Literatur wird das Bestehen eines durchsetzbaren Anspruchs des Täters oft auch schon bei der Prüfung des Vermögensnachteils berücksichtigt. Wenn das Vermögen des Opfers zwar gemindert wird, dafür aber ein durchsetzbarer Anspruch des Täters gegen das Opfer erlischt, stellt dies Erlöschen die Erlangung eines Äquivalentes durch das Opfer dar, die einen Vermögensnachteil ausschließt. Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Täter Einfluss zu haben vorgibt. Empfindlich ist das angedrohte Übel, wenn es bei objektiver Beurteilung dazu geeignet ist, einen besonnenen Menschen zu dem mit der Drohung erstrebten Verhalten zu bestimmen. Unmittelbares Ansetzen ist gegeben, wenn der Täter die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet, was der Fall ist, wenn er Handlungen vornimmt, die in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmünden sollen und deshalb das geschützte Rechtsgut aus Sicht des Täters bereits konkret gefährdet ist. 1. Keine Rechtfertigung A hatte einen durchsetzbaren Anspruch gegen G auf Herausgabe und Übereignung von Schlüssel und Papieren (s.o.). Eine Rechtfertigung des A aus Selbsthilfe, § 229 BGB, wäre somit denkbar. Allerdings hätte A hier noch rechtzeitig obrigkeitliche Hilfe zur Durchsetzung seines Anspruchs erlangen © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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