162 Strafrecht RA 03/2022 können, sodass § 229 BGB als Rechtfertigungsgrund ausscheidet. A ist somit nicht gerechtfertigt. 2. Verwerflichkeit, § 240 II StGB BGH; Beschluss vom 14.06.1982, 4 StR 255/82, NJW 1982, 2265 „[2] […] Das Drohen mit der geladenen Schusswaffe, um von dem Geschädigten im Wege der Selbsthilfe ohne Zahlung des Kaufpreises den Fahrzeugschlüssel und die Fahrzeugpapiere zu erlangen, erweist sich auch vor dem Hintergrund eines entsprechenden Anspruchs des Angeklagten […] als verwerflich im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB.“ V. Schuld A handelte schuldhaft. Heimtücke ist die bewusste Ausnutzung der auf Arglosigkeit beruhenden Wehrlosigkeit des Opfers in feindseliger Willensrichtung. Arglos ist das Opfer, wenn es sich im Zeitpunkt des Eintritts in das Versuchsstadium keines Angriffs auf sein Leben oder eines erheblichen Angriffs auf die körperliche Integrität versieht. Wehrlos ist das Opfer, wenn es aufgrund der Arglosigkeit nicht in der Lage ist sich zu verteidigen oder in seinen Verteidigungsmöglichkeiten stark eingeschränkt ist. BGH, Urteil vom 11.12.2012, 5 STR 438/12, NStZ 2013, 232 BGH, Beschluss vom 09.09.2020, 2 StR 116/20, NStZ 2021, 162 BGH, Urteil vom 16.02.2012, 3 StR 346/12 VI. Kein Rücktritt gem. § 24 StGB Anhaltspunkte für einen strafbefreienden Rücktritt des A gem. § 24 StGB sind nicht ersichtlich. VII. Ergebnis A ist strafbar gem. §§ 240 I, 22, 23 I StGB. D. Strafbarkeit gem. § 211 StGB Durch den Schuss auf G könnte A sich wegen Mordes gem. § 211 StGB zum Nachteil des G strafbar gemacht haben. I. Tatbestand 1. Tötung eines anderen Menschen A hat durch den Schuss mit der Flinte den G, also einen anderen Menschen, getötet. 2. Mordmerkmale der 2. Gruppe des § 211 II StGB: Heimtücke A könnte G heimtückisch getötet haben. Jura Intensiv „[7] […] stößt es auf keine rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht den Angeklagten nicht wegen heimtückisch begangenen Mordes verurteilt hat. [8] Es kann offenbleiben, ob der Geschädigte im Augenblick der mit Tötungsvorsatz erfolgten Abgabe des zweiten Schusses entsprechend der Auffassung des Generalbundesanwalts noch arg- und wehrlos war. Jedenfalls ist das Landgericht aufgrund tragfähiger Feststellungen rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte hierbei ohne Ausnutzungsbewusstsein handelte. [9] aa) Für das Ausnutzungsbewusstsein genügt es, wenn der Täter die die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen. Dabei kann die Spontanität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte. Allerdings hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 03/2022 Strafrecht 163 die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen; dies ist vielmehr eine vom Tatgericht zu bewertende Tatfrage. [10] bb) Daran gemessen ist die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte eine etwaige Arg- und Wehrlosigkeit des Geschädigten jedenfalls nicht bewusst ausgenutzt habe, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hatte sich nur deshalb bewaffnet, um den [von] ihm als überlegen angesehenen und erfahrungsgemäß in Geldangelegenheiten aggressiv Reagierenden bei der Durchsetzung seiner Forderung einzuschüchtern und dessen Überlegenheit etwas entgegensetzen zu können. Er schoss nach Abgabe eines Warnschusses spontan und impulsiv, weil er aufgrund der offensiven Reaktion des Geschädigten sein Vorhaben als gescheitert ansah und fürchtete, erneut zu unterliegen.“ Aufgrund des fehlenden Ausnutzungsbewusstseins hat A den G nicht heimtückisch getötet. 3. Vorsatz A hat mit Vorsatz zur Tötung des G gehandelt. 4. Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe des § 211 II StGB a) Habgier A könnte G aus Habgier getötet haben. „[19] Der Angeklagte hat den Geschädigten nicht aus einem Streben nach materiellen Gütern oder Vorteilen getötet, das in seiner Hemmungsund Rücksichtslosigkeit das erträgliche Maß weit übersteigt und in der Regel durch eine ungehemmte triebhafte Eigensucht bestimmt ist. Ursprünglich wollte der Angeklagte seine berechtigte Forderung durchsetzen und strebte nicht in der erforderlichen gesteigerten Weise nach Gewinn oder Vorteilen; vielmehr zielte sein Vorgehen auf die Herstellung eines rechtskonformen Zustands ab. Im Zeitpunkt der Abgabe des tödlichen Schusses ging es ihm ohnehin allenfalls noch am Rande um die Durchsetzung seines Anspruchs, weil ihm der Tod des Angeklagten hierzu nicht nützlich sein konnte.“ A hat also nicht aus Habgier gehandelt. Jura Intensiv b) Niedrige Beweggründe A könnte G jedoch aus niedrigen Beweggründen getötet haben. „[20] bb) Das Vorliegen niedriger Beweggründe hat das Landgericht unter Hinweis auf die durch den Geschädigten im Vorfeld erlittene Demütigung und die diesem vom Angeklagten bislang entgegengebrachte Wertschätzung tragfähig verneint. Denn mit Blick hierauf und auf die Gefälligkeiten zu Gunsten des Geschädigten, demgegenüber der Angeklagte zuvor stets nachgegeben und dem er sich gefügt hatte, beruhten die Antriebsregungen ihrerseits nicht auf einer niedrigen Gesinnung.“ Habgier ist das ungezügelte, rücksichtslose Streben nach Gewinn um jeden Preis. BGH, Beschluss vom 19.05.2020, 4 StR 140/20, NStZ 2020, 733 Niedrige Beweggründe sind alle sittlich auf tiefster Stufe stehende und daher besonders verachtenswerte Tatantriebe. BGH, Beschluss vom 12.09.2019, 5 StR 399/19, NStZ 2019, 724 Niedrige Beweggründe sind bei A also auch nicht gegeben. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
WISSEN was geprüft wird Für Studi
RA 03/2022 Editorial EDITORIAL Darf
RA 03/2022 ZIVILRECHT Zivilrecht 11
Laden...
Laden...
Laden...
Follow Us
Facebook
Twitter