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RA Digital - 03/2022

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164 Strafrecht

164 Strafrecht RA 03/2022 II. Ergebnis A ist nicht strafbar gem. § 211 StGB. E. Strafbarkeit gem. § 212 I StGB Durch den Schuss auf G könnte A sich aber wegen Totschlags gem. § 212 I StGB zum Nachteil des G strafbar gemacht haben. I. Tatbestand 1. Tötung eines anderen Menschen A hat G, also einen anderen Menschen, durch den Schuss mit der Flinte getötet. 2. Vorsatz A hat auch mit Vorsatz zur Tötung des G gehandelt. II. Rechtswidrigkeit A könnte aus Notwehr, § 32 StGB, gerechtfertigt sein. Dann müsste der Versuch des G, dem A die Flinte abzunehmen, einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff darstellen. Zwar kann man den Versuch des G, nach der Flinte des A zu greifen, als gegenwärtigen Angriff auf dessen Besitz an der Waffe sehen. Der Angriff des G müsste jedoch auch rechtswidrig sein, d.h. G dürfte nicht seinerseits gerechtfertigt sein. A hatte unmittelbar zuvor eine strafbare versuchte Nötigung zum Nachteil des G begangen (s.o.). Dieser rechtswidrige Angriff auf die Willensfreiheit des G war in dem Moment, in dem der G dem A die Waffe entreißen wollte, immer noch gegenwärtig. Da die Handlung des G auch geeignet, erforderlich und geboten war, um diesen Angriff des A abzuwenden, und G mit Verteidigungswillen handelte, war G seinerseits aus Notwehr gerechtfertigt. Das Verhalten des G stellt somit keinen rechtswidrigen Angriff auf A dar. Somit ist A nicht aus § 32 StGB gerechtfertigt und handelte rechtswidrig. III. Schuld A handelte auch schuldhaft. Jura Intensiv IV. Ergebnis A ist strafbar gem. § 212 I StGB. F. Konkurrenzen und Gesamtergebnis Die Tatsache, dass A den Vorsatz zur Tötung des G erst nachträglich fasst, lässt das ansonsten einheitliche Geschehen in zwei verschiedene Handlungsabschnitte zerfallen. Die versuchte Nötigung, §§ 240 I, 22, 23 I StGB, und der Totschlag, § 212 I StGB, wurden also durch zwei verschiedene Handlungen begangen und stehen deshalb im Verhältnis der Tatmehrheit, § 53 StGB, zueinander. A ist strafbar gem. §§ 212 I; 240 I, 22, 23 I; 53 StGB. FAZIT Klassische Probleme in einem kompakten Sachverhalt: Die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung, der Ausschluss der Strafbarkeit von §§ 249 I; 253 I, 255 StGB beim Bestehen von Ansprüchen des Täters und die Prüfung verschiedener Mordmerkmale. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2022 Referendarteil: Strafrecht 165 Speziell für Referendare Problem: Berufungsbeschränkung als Teilrücknahme? Einordnung: Verfahrenshindernis BayObLG, Beschluss vom 04.10.2021 206 StRR 69/21 EINLEITUNG Die vorliegende Entscheidung des BayObLG betrifft mit der aufgeworfenen Frage der Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung eine gängige von Amts wegen zu beachtende Prozessvoraussetzung im Rahmen der Überprüfung eines landgerichtlichen Berufungsurteils. Das BayObLG vertritt dabei, im Gegensatz zu anderen Oberlandesgerichten, die Auffassung, dass in einer Berufungsbeschränkung eine teilweise Rücknahme des Rechtsmittels i.S.d. § 302 I S. 1 StPO liegt. SACHVERHALT Das AG hat mit Urteil vom 27.08.2020 die A wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen das Urteil hat der vom Gericht bestellte Verteidiger mit am 27.08.2020 eingegangenem Schreiben ohne weitere Ausführungen Berufung eingelegt. Nach Zustellung des Urteils an den Verteidiger am 07.09.2020 und an die A am 08.09.2020 wurde durch Verteidigerschriftsatz, eingegangen am 14.09.2020, die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch erklärt. Das LG geht davon aus, dass eine wirksame Beschränkung der Berufung erfolgt ist. Zu Recht? LÖSUNG Das LG geht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung aus. Fraglich ist, ob das LG vorliegend die Wirksamkeit einer gemäß § 318 StPO erklärten Beschränkung der Berufung rechtlich zutreffend beurteilt. „[10] Der Verteidiger der A hat das Urteil des AG mit Schreiben vom 27.08.2020 zunächst unbeschränkt angefochten und erst mit weiterem Schreiben vom 14.09.2020 erklärt, dass das Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden könne. Jura Intensiv [11] Zur Zurücknahme eines Rechtsmittels bedarf der Verteidiger nach § 302 II StPO einer ausdrücklichen Ermächtigung. In der nachträglichen Beschränkung eines zunächst unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels liegt dessen - teilweise - Zurücknahme), auf welche § 302 StPO Anwendung findet. [12] Im Ergebnis zutreffend hat die Kammer die Äußerung des Verteidigers als Erklärung der Beschränkung ausgelegt. Die Rücknahme eines Rechtsmittels ist die Erklärung, dass dieses nicht weitergeführt bzw. beendet werden soll, was inhaltlich deutlich zum Ausdruck kommen muss […]. Vor diesem Hintergrund ergibt sich zweifelsfrei, dass eine Überprüfung des Schuldspruchs nach dem Willen des Erklärenden nicht mehr erfolgen sollte. [13] Die A hatte keine Ermächtigung für die Teilrücknahme gemäß § 302 II StPO, die bereits bei Abgabe der Zurücknahmeerklärung vorliegen muss, erteilt. Ihr Fehlen macht die Erklärung unwirksam. LEITSÄTZE 1. Für die Beschränkung einer bereits ohne weitere Ausführungen eingelegten Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch bedarf der Verteidiger auch dann einer ausdrücklichen Ermächtigung durch den Angeklagten gemäß § 302 II StPO, wenn die Beschränkung noch innerhalb der Frist für die Anbringung einer Berufungsbegründung gemäß § 317 StPO erfolgt. Das Fehlen der Ermächtigung macht die Beschränkung unwirksam. 2. Wird in der Berufungshauptverhandlung vom Gericht lediglich festgestellt, dass eine Beschränkung durch eingereichten Schriftsatz des Verteidigers erfolgt sei, kann das bloße Schweigen des Verteidigers und des Angeklagten hierauf weder als stillschweigende Erklärung, die Ermächtigung habe vorgelegen, noch als Erklärung einer Beschränkung ausgelegt werden. Bei wirksamer Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ist der Schuldspruch bereits in Rechtskraft erwachsen; einer neuen Entscheidung des Berufungsgerichts steht dann insoweit bereits ein Verfahrenshindernis entgegen. Vgl. dazu BGH, Urt. v. 05.11.1984 - AnwSt (R)11/84 Grds. kann im Schweigen eines Angeklagten auf eine Rechtsmittelbeschränkung des Verteidigers in der Hauptverhandlung eine eigene Zustimmung zur Rechtsmittelrücknahme liegen. Gibt der Verteidiger in der Hauptverhandlung jedoch gar keine Erklärung ab, sondern wird eine vorangegangene Erklärung festgestellt, so genügt das Schweigen nicht als Nachweis dafür, dass dem Verteidiger hierfür eine Ermächtigung erteilt worden sei. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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