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RA Digital - 03/2023

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118 Zivilrecht

118 Zivilrecht RA 03/2023 Zutreffend folgt der BGH der in [26] als Gegenmeinung dargestellten Auffassung nicht. Man muss nur § 1922 BGB lesen, um zu erkennen, dass die Eigentümerstellung jederzeit außerhalb des Grundbuchs übergehen kann. Bejaht man nach ausführlicher Darstellung des Meinungsstreits die Möglichkeit des gutgläubigen Zweiterwerbs einer Vormerkung, steht das Ergebnis fest: Die Vormerkung schützt nicht nur vor im Verhältnis zum Vormerkungsberechtigten unwirksamen eingetragenen Rechten, sondern auch vor Rangverschlechterungen. § 883 II 1 BGB stellt ausdrücklich klar, dass Rechtsvereitelungen (bspw. Eigentumsübertragung) und Rechtsbeeinträchtigung (bspw. Rangverschlechterung), gleichgestellt sind. Seien Sie nicht beunruhigt, falls Sie die Ausführungen zu § 185 BGB als unverständlich empfinden. Sie sind es! Die in Bezug genommene Entscheidung behandelt den klassischen Kettenerwerb (A1 verkauft an A2, A2 verkauft vor Eintragung an A3). In diesen Fällen ist es aus der Rechtsprechung zur notariellen Praxis anerkannt, das im Falle einer bindend gewordenen Auflassung (§ 873 II BGB) der Ersterwerber (im Beispiel der A2) im Sinne des § 185 BGB eine Einwilligung des Erstveräußerers (im Beispiel A1) erhalten hat, um als zurzeit Nichtberechtigter, weil er (A2) nicht im Grundbuch eingetragen ist, das Grundstück an A3 wirksam übereignen zu können. Dieses Vorgehen ist aber auch in der Praxis unüblich. Liegt ein Kettengeschäft vor, spiegelt sich dies im Grundbuch wieder (A1 eingetragen, gelöscht, A2 eingetragen, gelöscht, A3 eingetragen). Der Grund ist simpel. Ohne Voreintragung des A2, könnte A3 nicht gutgläubig erwerben, § 892 I BGB, und würde somit das Risiko, dass A1 nicht verfügungsbefugt war, tragen. Diesen Fall nimmt der BGH hier als Bezugspunkt, denn S ist ebenfalls vor K im Grundbuch „zwischeneingetragen“. Fortsetzung nächste Seite. [26] Nach der Gegenansicht scheidet ein gutgläubiger Erwerb der Vormerkung bei der Zession des gesicherten Anspruchs aus. Dabei nimmt die Diskussion in erster Linie die zunächst unwirksam bestellte Vormerkung in den Blick und nicht die hier vorliegende Konstellation des Rangverhältnisses. Wegen des Übergangs der Vormerkung kraft Gesetzes analog § 401 BGB fehle es sowohl an dem für einen gutgläubigen Erwerb notwendigen rechtsgeschäftlichen Erwerb als auch an der für den Schutz des guten Glaubens nach §§ 892 f. BGB vorausgesetzten sachenrechtlichen Übertragungsform. Da die Vormerkung jederzeit außerhalb des Grundbuchs übergehen könne, begründe ihre Eintragung keine Vermutung dafür, dass der eingetragene Berechtigte auch Inhaber der Vormerkung sei. Zudem bestehe kein Bedürfnis für einen derartigen Schutz des Rechtsverkehrs (...). [27] Es besteht keine Veranlassung, von der Rechtsprechung des Senats zum gutgläubigen Zweiterwerb der Vormerkung, auf die sich der Rechtsverkehr eingestellt hat, abzurücken. Bei der Abtretung einer durch Vormerkung gesicherten Forderung gilt der Inhalt des Grundbuchs analog § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB zugunsten des Zessionars im Hinblick auf den Grundbuchstand unter Einschluss des Rangs der Vormerkung sowie das Vorliegen ihrer sachenrechtlichen Entstehungsvoraussetzungen unter Einschluss der wirksamen Bewilligung als richtig; der Schutz des öffentlichen Glaubens erstreckt sich hingegen nicht auf den Bestand der gesicherten Forderung. Die derartige analoge Anwendung auf den Zweiterwerb der Vormerkung ist geboten, weil die Vormerkung sowohl in ihrer Wirkung als auch im Hinblick auf die Grundbuchlage in gewissen Beziehungen einem dinglichen Recht angenähert ist und eine mit dem Erwerb eines dinglichen Rechts vergleichbare Interessenlage besteht. [30] Bei einem Zweiterwerb der Vormerkung liegt auch eine mit dem Erwerb eines dinglichen Rechts vergleichbare Interessenlage vor. Ebenso wie bei der Übertragung eines dinglichen Rechts besteht im Interesse des Rechtsverkehrs auch bei dem gesetzlichen Übergang der Vormerkung infolge der Abtretung des gesicherten Anspruchs ein Bedürfnis, sich auf das Grundbuch verlassen zu können. Die Vormerkung soll dem Berechtigten das zu dem Zeitpunkt des Erwerbs der Vormerkung nach der Grundbuchlage bestehende Erfüllungsvermögen des Schuldners sichern. [35] Hat die Klägerin ihre Vormerkung im Hinblick auf die vorrangige Vormerkung des Beklagten gutgläubig „lastenfrei“ erworben, wäre ihr es - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - möglich gewesen, auch das Eigentum ohne die vorrangige Vormerkung des Beklagten zu erwerben (...). Diese Wirkung der Vormerkung kann hier auch der Streithelferin bei ihrem Zwischenerwerb zugutegekommen sein. [36] Anders als das Berufungsgericht meint, erfordert der Eigentumserwerb aufgrund des vormerkungsgesicherten Anspruchs nicht zwingend, dass der Vormerkungsschuldner (hier: Erstverkäuferin) unmittelbar an den Anspruchsinhaber und Vormerkungsberechtigten (hier: Klägerin) leistet. Der Senat hat für eine vergleichbare Fallkonstellation entschieden, dass die Wirkungen einer dem Käufer eingeräumten Auflassungsvormerkung dem Dritten (hier: Streithelferin) zugutekommen, an den der Verkäufer mit Zustimmung des Käufers (§ 362 Abs. 2, § 185 Abs. 1 BGB) übereignet. Tritt der Zedent seinen durch Vormerkung gesicherten, gegen den Erstverkäufer gerichteten Auflassungsanspruch an einen in Ansehung eines nicht eingetragenen vorrangigen Rechts gutgläubigen Zessionar ab und übereignet der Erstverkäufer das Grundstück sodann mit Zustimmung des Zessionars an den Zedenten als Zwischenerwerber, so kommen die Wirkungen der Vormerkung dieser Entscheidung zufolge dem Jura Intensiv Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2023 Zivilrecht 119 Zedenten zugute. Aufgrund der dem Zedenten vom Anspruchsinhaber gemäß § 362 Abs. 2, § 185 Abs. 1 BGB erteilten Ermächtigung, die geschuldete Leistung in Empfang zu nehmen, stellt sich der Zwischenerwerb nämlich als Erfüllung des vormerkungsgesicherten Anspruchs dar (...). [37] Daran gemessen kann die Streithelferin das Eigentum frei von der vorrangigen Vormerkung des Beklagten erworben haben. [38] Dass die Klägerin die Streithelferin ermächtigt hat, die geschuldete Leistung nach § 362 Abs. 2, § 185 Abs. 1 BGB in Empfang zu nehmen, stellen die Parteien nicht in Abrede. Eine solche Ermächtigung liegt - wie die Revision zu Recht geltend macht - aufgrund der vereinbarten Sicherungsabtretung auch nahe (...). [41] Stellt sich die Übertragung des Eigentums als Erfüllung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs dar, ist allein entscheidend, welche Wirkung die Auflassungsvormerkung zugunsten des Gläubigers des Anspruchs im Zeitpunkt der Erfüllung hatte. Denn die Auflassungsvormerkung besteht nur mit dem Inhalt, den sie für den Gläubiger hatte. Ist ein gutgläubiger Erwerb einer Rechtsposition erfolgt, ist diese im Rechtsverkehr genauso wirksam, als wäre der Erwerb vom Berechtigten erfolgt. Ebenso wie sich der Inhalt der gutgläubig erworbenen Auflassungsvormerkung nicht mehr ändert, wenn der Berechtigte nach dem gutgläubigen Erwerb bösgläubig oder ein Widerspruch eingetragen wird (....), kann die Übereignung an einen Dritten mit Zustimmung des Gläubigers in Erfüllung des gesicherten Anspruchs nichts an der Sicherungswirkung der Auflassungsvormerkung ändern. Ein gutgläubig erworbenes Recht ist gleichwertig mit einem vom Berechtigten erworbenen Recht (...). [42] Dieses Ergebnis wird auch durch die Überlegung gestützt, dass es demjenigen, der gutgläubig eine Vormerkung erworben hat, nicht zur Last fallen kann, wenn er entscheidet, dass die Erfüllung des vormerkungsgesicherten Anspruchs an einen Dritten erfolgen soll. Andernfalls hinge der Wert des von ihm erworbenen Rechts nämlich davon ab, ob die Erfüllung an ihn selbst, einen gutgläubigen Dritten oder einen bösgläubigen Dritten erfolgt. Dies würde zu einer deutlichen Schmälerung der Rechtsstellung des Vormerkungsinhabers führen, was gerade in der hier vorliegenden Konstellation deutlich wird: Hätte die Erstverkäuferin direkt an die Klägerin übereignet, beständen an einem im Hinblick auf die Vormerkung des Beklagten „lastenfreien“ Eigentumserwerb der Klägerin keine Zweifel. Ein Zwischenerwerb der Streithelferin, die selbst nicht mehr Inhaberin des gesicherten Auflassungsanspruchs war, kann daran nichts ändern. Jura Intensiv Fortsetzung der Marginalie von der Vorderseite: Nun zur Aussage des BGH: [36] (…). Aufgrund der dem Zedenten vom Anspruchsinhaber gemäß § 362 Abs. 2, § 185 Abs. 1 BGB erteilten Ermächtigung, die geschuldete Leistung in Empfang zu nehmen, stellt sich der Zwischenerwerb nämlich als Erfüllung des vormerkungsgesicherten Anspruchs dar (...)“. Inwiefern hier K die S ermächtigt haben soll, Eigentümerin des Grundstücks zu werden, führt der Senat nicht aus. Wir schließen die Lücke: S hat einen originären Anspruch auf Übereignung des Grundstücks auf sich selbst, und zwar aus dem Kaufvertrag mit E aus dem Jahr 2014. Der Weiterverkauf an K ändert hieran grundsätzlich nichts, sodass S völlig unabhängig von K einen Eigentumsverschaffungsanspruch gegen E hat (Kettengeschäft s.o.). Das Problem ist aber laut Sachverhalt, dass S alle Ansprüche gegen E an K abgetreten hat, denn andernfalls hätte K nie die Vormerkung der S gegen E erhalten können. Also hilft sich der BGH mit seiner Hilfskonstruktion der Ermächtigung aus § 185 I BGB, um zu erklären, wieso S rechtmäßig das Eigentum zwischenerwirbt. Auf diesen Rechtsgedanken stützt der BGH die ganze Entscheidung. Folglich hat K das Grundstück frei von einer Vormerkung des B (Vormerkung I) erworben. Folglich stehen die Widersprüche, soweit sie von einer Erklärung des B abhängen, zu Unrecht im Grundbuch. D. Ergebnis K hat gegen B einen Anspruch auf die zur Grundbuchberichtigung nötigen Bewilligungen analog § 894 BGB. FAZIT Ein gutgläubiger Zweiterwerb der Vormerkung umfasst auch den „vormerkungsfreien“ Erwerb kraft guten Glaubens. Daran kann auch der Zwischenerwerb eines Bösgläubigen nichts ändern, wenn dieser im Rahmen eines Kettengeschäfts zwischenzeitlich aufgrund einer Ermächtigung des Letzterwerbenden zeitweilen Eigentümer wird. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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