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RA Digital - 03/2023

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136 Referendarteil:

136 Referendarteil: Zivilrecht RA 03/2023 Schätzung durch das Gericht, § 287 I 1 ZPO Die folgenden Ausführungen müssen vor dem Hintergrund gelesen werden, dass es sich hier um eine zitierte Berufungsentscheidung handelt. Es soll ein Bewusstsein für eine Klausursituation geschaffen werden, nämlich, dass es sich schmerzensgelderhöhend auswirken kann, wenn der Schädiger trotz offensichtlicher überwiegender Verantwortlichkeit über einen langen Zeitraum hinweg keine Kompensation leistet. Ob dieses Argument einer Revision standhalten würde, darf hinterfragt werden, denn positiv ausgedrückt handelt es sich um einen Schmerzensgeldanspruch wegen der Nutzung des Rechtsweges und damit des Art. 19 IV 1 GG, welcher neben der Verzinsung des Anspruches hinzukommt. Kurzes Abarbeiten der inhaltlich unproblematischen Folgeanträge Nebenentscheidungen Unter Berücksichtigung der schweren und schmerzhaften unfallbedingten Verletzungen und Beeinträchtigungen hält das Gericht ein Schmerzensgeld von insgesamt mindestens 60.000,- € für angemessen, § 287 I 1 ZPO. [91] Hinzu kommt vorliegend (…) das absolut nicht nachvollziehbare Regulierungsverhalten der Beklagten (…) die trotz der ersichtlichen jedenfalls eindeutigen überwiegenden Verantwortlichkeit der Beklagtenseite aufgrund des nicht erkennbaren Ausfalls der BÜSA bis heute kein Schmerzensgeld an die Klägerin gezahlt hat und eine vollständige Klagabweisung auch noch in der Berufungsinstanz beantragt hat, obwohl eine alleinige Haftung der Klägerin ersichtlich nicht in Betracht kommt. Negatives Regulierungsverhalten des Schädigers oder seiner Haftpflichtversicherung wirkt sich schmerzensgelderhöhend aus, wenn es sich um ein vorwerfbares oder jedenfalls nicht nachvollziehbares Verhalten handelt. Liegt ein solches vor, ist entgegen einer gelegentlich vertretenen Ansicht regelmäßig davon auszugehen, dass es die Interessen des Geschädigten negativ berührt, indem es die Linderung durch Verwendung des Schadensersatzes verhindert oder gar weiteres Leid verursacht (Doukoff in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 253 BGB (Stand: 11.04.2022) Rn. 90 mwN). Hier kommt schwerwiegend hinzu, dass die Beklagte (…) auch noch umfassend Rechtsmittel gegen das landgerichtliche Urteil eingelegt hat (vgl. Doukoff, aaO., Rn. 91 mwN) und die eigene Verantwortlichkeit an dem Unfall offenbar ganz in Abrede nehmen will. [92] Auch der geringe Abschlag in Höhe von 4.000,00 €, den die Beklagte zu 1) vorgerichtlich auf das Schmerzensgeld an die Klägerin gezahlt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung, denn es handelt sich angesichts der unstreitigen Schwere der Verletzungen um eine unangemessen niedrige vorprozessuale Leistung (vgl. Doukoff, aaO., Rn. 91 mwN). Ein angemessener Abschlag ist erst am 16. Dezember 2022, eingegangen beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20. Dezember in Höhe von 22.666,67 € durch Zahlung der Beklagten zu 1), erfolgt, also mehr als drei Jahre nach dem streitgegenständlichen Unfall. Jura Intensiv Aus diesen Erwägungen heraus ist ebenfalls der Feststellungsantrag sowie der Antrag hinsichtlich der Erstattung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten begründet. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 709 ZPO. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2023 NEBENGEBIETE Nebengebiete 137 Arbeitsrecht Problem: Ausschlussfristen sollen nicht zu detailiert sein Einordnung: Wann werden Ausschlussfristen intransparent? BAG, Urteil vom 24.05.2022 9 AZR 461/21 EINLEITUNG Die vorliegende Entscheidung des BAG, welche im Oktober in der NZA veröffentlicht wurde, gibt nochmals die lehrreiche Gelegenheit, sich mit Ausschlussfristen im Arbeitsrecht zu beschäftigen. SACHVERHALT Die Parteien streiten über die Abgeltung von 24 Urlaubstagen. Die Kl. war bei der beklagten Rechtsanwältin ab dem 07.01.2019 als Rechtsanwaltsfachangestellte an fünf Tagen in der Woche tätig. Der Arbeitsvertrag enthielt insbesondere folgende Regelungen: „§ 5. Urlaub. Der Urlaubsanspruch beträgt 24 Arbeitstage (...) Urlaub ist grundsätzlich im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen. (...) Nicht genommener Urlaub kann nur dann auf das folgende Kalenderjahr übertragen werden, wenn dringende betriebliche oder persönliche Gründe dies rechtfertigen. In diesem Fall ist der Urlaub bis zum 31.3. des Folgejahres zu nehmen. Bis zum 31.3. des Folgejahres nicht genommener Urlaub verfällt. (...) § 15. Verfallfristen-/Ausschlussfristen. (1) Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber dem Vertragspartner in Textform geltend gemacht werden und im Falle der Ablehnung durch den Vertragspartner innerhalb von weiteren drei Monaten eingeklagt werden. Hiervon unberührt bleiben Ansprüche, die auf Handlungen wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen. Die Ausschlussfrist gilt nicht für den Anspruch eines Arbeitnehmers/in auf den gesetzlichen Mindestlohn. Über den Mindestlohn hinausgehende Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unterliegen hingegen der vereinbarten Ausschlussfrist. Jura Intensiv (2) Bleibt die Geltendmachung erfolglos, erlöschen sie, wenn der Anspruch nicht innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung gerichtlich anhängig gemacht wird.“ LEITSATZ 1. Als reiner Geldanspruch kann der Anspruch auf Urlaubsabgeltung aus § 7 IV BUrlG einer Ausschlussfrist unterliegen und daher verfallen. 2. Aufgrund angemessener Berücksichtigung der §§ 104 ff. SGB VII ist eine vorformulierte Ausschlussklausel nicht unwirksam, wenn sie nur die Haftung wegen Vorsatzes und grober Fahrlässigkeit ausnimmt, entgegen § 309 Nr. 7 a) BGB aber nicht die fahrlässige Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit. Die vom Arbeitgeber verwendete Klausel setzt bzgl. der Vorsatzhaftung die Entscheidung BAG, 8 AZR 58/20, RA 2021, 361, 363, und bzgl. des gesetzlichen Mindestlohns die Entscheidung BAG, 9 AZR 162/18, RA 2019, 25, um. Jedoch sollte in einer Klausur auffallen, dass der Arbeitgeber in der 1. Stufe der Frist – bei der Geltendmachung – gem. § 309 Nr. 13 b) BGB zutreffend nur Textform verlangt, aber bei der 2. Stufe – der gerichtlichen Geltendmachung – von „Schriftform“ spricht. Vom 1. bis zum 19.07.2019 war die Kl. arbeitsunfähig erkrankt. Die Bekl. kündigte das Arbeitsverhältnis zum 19.07.2019. Mit ihrer, der Bekl. am 23.01.2020 zugestellten Klage hat die Kl. die Abgeltung von insgesamt 24 Urlaubstagen verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Anspruch sei nicht erloschen. Die Ausschlussfrist sei intransparent und damit unwirksam. LÖSUNG Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht gem. § 7 IV BUrlG dem Grunde nach. Fraglich ist, ob er gem. § 15 des AV erloschen ist. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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