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RA Digital - 03/2023

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116 Zivilrecht

116 Zivilrecht RA 03/2023 erworben haben. Dies setzt voraus, dass S gegen E einen Anspruch auf Einräumung eines Rechts am Grundstück hatte und die Vormerkung aufgrund einer Eintragungsbewilligung des E in das Grundbuch eingetragen worden ist. Der Anspruch auf Einräumung des Rechts ergibt sich aus dem Grundstückskaufvertrag gem. §§ 433 I, 311b I 1 BGB. Problematisch könnte hier sein, dass der Kaufvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Schaffung eines Bebauungsplanes stand. Die aufschiebende Bedingung ist kein Hinderungsgrund, was § 883 I 2 BGB klarstellt. [44] Dass der gesicherte Anspruch unter einer aufschiebenden Bedingung stand, führt nicht dazu, dass er nicht vormerkungsfähig war. Nach § 883 Abs. 1 Satz 2 BGB können auch bedingte Ansprüche durch Auflassungsvormerkung gesichert werden (...). Folglich liegt ein Vormerkungserwerb der S vor. Begründung, warum § 401 BGB analog angewendet wird „Rückbeziehungslehre“ Kernproblem des Falles: Die Vormerkung: Die Vormerkung I ist älter und geht der Vormerkung II im Range vor. Deshalb hat K eigentlich eine Vormerkung (Vormerkung II) erworben, die mit der Vormerkung (Vormerkung I) behaftet war. Folglich hätte er eigentlich auch das Eigentum nicht vormerkungsfrei erworben. b) Erwerb des K von S gem. § 398 BGB i.V.m. § 401 BGB analog Von S könnte K die Vormerkung durch derivativen Erwerb am 15.05.2017 infolge einer Abtretung des Rechts aus dem Kaufvertrag gem. § 398 BGB i.V.m. § 401 BGB analog erworben haben. Die Abtretung der Kaufpreisforderung erfolgte am 15.05.2017. [20] (...) Allerdings ist die rechtsgeschäftliche Übertragung einer Vormerkung als solcher rechtlich nicht möglich, und zwar weder isoliert noch gemeinsam mit dem gesicherten Anspruch. Nach § 398 Satz 1 BGB kann eine Forderung von dem Gläubiger durch den Vertrag mit einem anderen übertragen, also abgetreten werden. Soweit die Forderung durch eine Vormerkung gesichert wird, geht die Vormerkung mit der Abtretung des gesicherten Anspruchs wegen der strengen Akzessorietät zum gesicherten Anspruch entsprechend § 401 BGB außerhalb des Grundbuchs kraft Gesetzes über (...). Auf die Eintragung eines Vermerks über den Übergang in das Grundbuch kommt es dabei nicht an; wird der Übergang vermerkt, geschieht dies nur deklaratorisch im Wege der Berichtigung (...) Jura Intensiv § 401 BGB, der den Erwerb akzessorischer Sicherungsrechte betrifft, findet somit auf die streng akzessorische Vormerkung analoge Anwendung. Folglich hat K die Vormerkung erworben. 2. Wirkung des Vormerkungserwerbs analog § 883 II BGB Die Vormerkung soll den Vormerkungsberechtigten umfassend schützen. Dies ist nur durch eine analoge Anwendung des § 883 II BGB möglich, indem man den guten Glauben zur Zeit des Erwerbs der Vormerkung auf den Zeitpunkt des späteren Erwerbs des vorgemerkten Rechts erstreckt. Im Grundstücksrecht kennt das BGB nur die Auflassungsvormerkung als Sicherungsmittel. Folglich muss diese auch praxisgerecht ausgelegt werden, andernfalls würde sie vom Rechtsverkehr nicht mehr akzeptiert. § 883 II BGB ist deshalb so zu lesen, dass alle Umstände, die nach der Eintragung der Vormerkung über das Grundstück eintreten, insoweit nicht gelten, als sie den Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würden. Problematisch ist hier jedoch, dass B seine Vormerkung (Vormerkung I) bereits im Jahr 1991 erworben hatte und diese deshalb gem. § 879 BGB im Rang der von S im Jahr 2014 erworbenen und 2017 auf K übertragenen Vormerkung (Vormerkung II) vorgehen würde. Dies hätte zur Folge, dass K auch unter Zugrundelegung des Rechtsgedankens analog § 883 II BGB ein mit einer Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG

RA 03/2023 Zivilrecht 117 Vormerkung des B belastetes Grundstück erworben hätte, weil seine Vormerkung im Range der Vormerkung des B nachginge. 3. Vormerkungsfreier Erwerb kraft guten Glaubens Zu einem anderen Ergebnis käme man entweder, wenn bereits S ihre Vormerkung kraft guten Glaubens an die Vormerkungsfreiheit des Grundstücks von E erworben hätte, oder wenn K beim Erwerb ihrer Vormerkung kraft guten Glaubens eine Vormerkung an einem scheinbar vormerkungsfreien Grundstück erworben hätte. a) Gutgläubiger vormerkungsfreier Erwerb der S [21] Der gesetzliche Übergang der Vormerkung auf die Klägerin als Zessionarin kann ihr den im Hinblick auf die Vormerkung des Beklagten „lastenfreien“ Eigentumserwerb ermöglicht haben. Zwar war die Streithelferin bei der Begründung der Vormerkung im Jahr 2014 im Hinblick auf die zugunsten des Beklagten eingetragene Vormerkung im Sinne des § 892 BGB bösgläubig, weil die Vormerkung zu diesem Zeitpunkt noch nicht gelöscht worden war. Ein gutgläubiger (Erst-)Erwerb der Vormerkung „unbelastet“ von der vorrangigen Vormerkung des Beklagten durch die Streithelferin selbst war damit nicht möglich. (...) Damit hat S nicht gutgläubig vormerkungsfrei erworben. b) Vormerkungsfreier Zweiterwerb kraft guten Glaubens seitens K analog § 892 f. BGB [21] (...) Die Klägerin kann aber am 15. Mai 2017 durch einen im Hinblick auf deren Rangstellung „gutgläubigen Zweiterwerb“ eine Vormerkung erworben haben, die ihr einen bezüglich der Vormerkung des Beklagten „lastenfreien“ Eigentumserwerb ermöglichte. Dann müsste ein solcher gutgläubiger Zweiterwerb einer „lastenfreien“ Vormerkung möglich sein. Dies ist umstritten. Jura Intensiv [24] In der Rechtsprechung des Senats ist der gutgläubige Zweiterwerb der Vormerkung in gewissem Umfang anerkannt. Zwar kommt auch insoweit ein gutgläubiger Erwerb bei Nichtbestehen des Anspruchs nicht in Betracht. Für den Fall, dass für einen wirksamen Auflassungsanspruch von einem Nichtberechtigten eine Vormerkung zugunsten eines Bösgläubigen bestellt worden ist, kann die Vormerkung aber in der Person eines gutgläubigen Rechtsnachfolgers des Bösgläubigen wirksam werden (...). Kann der Zweiterwerber trotz Bösgläubigkeit des Ersterwerbers eine nichtbestehende Vormerkung gutgläubig erwerben, folgt daraus erst recht, dass ein Zweiterwerber auch eine bestehende Vormerkung gutgläubig lastenfrei bzw. - wie hier - gutgläubig „vormerkungsfrei“ von dem bösgläubigen Ersterwerber erwerben kann. [25] Auch Teile der Literatur vertreten die Meinung, dass ein gutgläubiger Zweiterwerb der Vormerkung möglich ist, wobei insbesondere auf die Schutzbedürftigkeit des Erwerbers abgestellt wird, der auf den durch die Eintragung des Zedenten hervorgerufenen Rechtsschein vertraue. Entscheidend sei nicht die Publizitätsform der jeweiligen Verfügung, sondern die Rechtsscheinstellung des Verfügenden (...). Zum besseren Verständnis dieser wichtigen Passage eine Hilfestellung: Klägerin = K Beklagter = B Streithelfer = S Das wahre Kernproblem des Falles und auch das einer möglichen Klausur: Kann ein abgetretenes Recht, hier die Vormerkung II, die kein Recht ist, aber so behandelt wird, überhaupt gem. § 892 I BGB gutgläubig erworben werden? Das Problem: Es fehlt streng genommen am im Gesetz vorausgesetzten Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts zum Erwerb eines Rechts am Grundstück, weil die Vormerkung hier kraft Gesetzes als Nebenrecht des abgetretenen Übereignungsanspruches gem. §§ 398, 433. 311b I 1 BGB i. V. m. § 401 BGB analog übergeht. © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis

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