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RA Digital - 04/2016

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210 Referendarteil:

210 Referendarteil: Öffentliches Recht RA 04/2016 Abgabe von „Reisebedarf“ – anders als bei Kiosk – nur Zubehörhandel, d.h. Nebenleistung zur Abgabe des Betriebsstoffs als Hauptleistung. Hilfserwägung, die nicht mehr tragend ist: Ungleichbehandlung wäre gerechtfertigt. Ermessen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Geeignetheit Erforderlichkeit Soweit der Antragsteller einwendet, dass zum „Reisebedarf“ auch Zeitungen, Zeitschriften, Tabakwaren, Lebens- und Genussmittel gehören, die das zentrale Sortiment des Verkaufsangebots seines Kiosks darstellten, so verkennt er, dass die den Tankstellen gestattete Abgabe von „Reisebedarf“ für diese einen Zubehörhandel darstellt, während dies - wie er selbst ausgeführt hat - bei einem Kiosk das zentrale Sortiment und damit eine Hauptleistung darstellt. Hauptleistung einer Tankstelle ist dagegen die Abgabe von Betriebsstoffen, die die Fortbewegung mit dem Kraftfahrzeug ermöglichen soll. Ein Zubehörhandel liegt vor, wenn der Verkauf der Waren einer Hauptleistung als Nebenleistung - so wie hier die als Reisebedarf abzugebenden Waren (Nebenleistung) der Abgabe von Betriebsstoffen (Hauptleistung) - zugerechnet werden kann, die nach den beim Publikum herrschenden Gewohnheiten und nach der Verkehrsanschauung zur Befriedigung von Bedürfnissen der Empfänger der Hauptleistung dient. Der erforderliche innere Zusammenhang zwischen der Abgabe von Betriebsstoffen und der Abgabe von Reisebedarf besteht hier darin, dass die Abgabe von Reisebedarf als Nebenleistung die durch die Hauptleistung ermöglichte Fortbewegung mit dem Kraftfahrzeug dem Kraftfahrer und etwaigen Mitfahrern erleichtern soll. Doch selbst dann, wenn man eine Ungleichbehandlung annehmen sollte, wäre diese jedenfalls durch den mit der Regelung des § 8 LÖG NRW verfolgten Zweck, einem während der allgemeinen Ladenschlusszeiten bestehenden besonderen Versorgungsbedürfnis des Kraftverkehrs Rechnung zu tragen, gerechtfertigt. Die Ausnahmeregelung für Tankstellen schränkt weder den mit dem Ladenöffnungsgesetz bezweckten Arbeitnehmerschutz weitergehend ein, da der Arbeitnehmer, der zusätzlich Reisebedarf als Zubehör verkauft, ohnehin während der allgemeinen Ladenschlusszeiten tätig ist, noch beeinträchtigt sie - allenfalls nur unwesentlich - die ebenfalls bezweckte Wettbewerbsneutralität, weil bei Beachtung der Einschränkung auf bestimmte Waren des Reisebedarfs Kunden im allgemeinen nur einen spontanen und zudem geringfügigen Bedarf decken. Jura Intensiv Die Antragsgegnerin hat auch das ihr in § 14 Abs. 1 OBG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Anhaltspunkte, dass sich die Antragsgegnerin von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, sind nicht ersichtlich. Sie ist vielmehr zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die gegenüber dem Antragsteller getroffene Anordnung, seine Verkaufsstelle samstags ab 22 Uhr geschlossen zu halten, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit […] entspricht. Die streitgegenständliche Anordnung ist geeignet, die in der Verletzung der Vorschriften des Ladenöffnungsgesetzes NRW begründete Störung der öffentlichen Sicherheit zu beseitigen. Die getroffene Maßnahme ist auch erforderlich, weil andere, den Antragsteller weniger beeinträchtigende, gleichermaßen effektive Mittel zur Gefahrenabwehr nicht zur Verfügung stehen. Inhaltsverzeichnis

RA 04/2016 Referendarteil: Öffentliches Recht 211 Dass andere umliegende Gemeinden und Städte in NRW ggf. eine längere Öffnung von Kiosken auch an Samstagen dulden, ist irrelevant, da der Antragsteller entsprechend des Grundsatzes „keine Gleichheit im Unrecht“ keinen Anspruch auf ein Einschreiten der anderen Gemeinden und Städte bzw. auf ein Unterlassen des Einschreitens der Antragsgegnerin hat. Die streitgegenständliche Ordnungsverfügung ist schließlich auch angemessen, da sie keine Nachteile zur Folge hat, die zu dem angestrebten Erfolg außer Verhältnis stehen. Soweit der Antragsteller einwendet, es bestehe ein öffentliches Interesse an einer längeren Öffnung der Kioske, was eine Ausnahmegenehmigung nach § 10 LÖG NRW rechtfertige, weshalb er bereits mit Schreiben vom 13. Juni 2014 einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 10 LÖG NRW gestellt habe, über den bislang aber noch nicht entschieden worden sei, so dringt er hiermit nicht durch. Einerseits liegt eine derartige Ausnahmegenehmigung aktuell nicht vor und andererseits ist die Gewährung einer solchen Gegenstand eines anderen Verwaltungsverfahrens und kann daher im vorliegenden Verfahren gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 1. April 2015 nur berücksichtigt werden, wenn es sich bei der Gewährung der Ausnahmegenehmigung um eine gebundene Entscheidung handelt oder aber - wenn wie im vorliegendem Fall die Entscheidung im Ermessen der zuständigen Behörde steht - ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Anhaltspunkte dafür sind vorliegend aber nicht ersichtlich. Dem Antragsteller bleibt es dagegen unbenommen weitere Maßnahmen hinsichtlich einer Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 10 LÖG NRW bzw. hinsichtlich der bislang von der Antragsgegnerin noch nicht getroffenen Entscheidung über den Antrag des Antragstellers zu ergreifen. Ebenso kann der Vortrag, die streitgegenständliche Ordnungsverfügung habe für ihn existenzvernichtende Folgen, da er ca. 25 % seines Gesamtumsatzes sonntags und samstags ab 22 Uhr tätige, eine Unangemessenheit der getroffenen Anordnung der Antragsgegnerin nicht begründen. Es gehört grundsätzlich zum Risikobereich des Gewerbetreibenden, seine beruflichen, wirtschaftlichen und finanziellen Dispositionen so zu treffen, dass sie den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Auch wenn der Sonntag gemäß der gerichtlichen Auslegung von der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung nicht erfasst ist, weist die Kammer in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die vorangegangenen Ausführungen auf einen für Sonntage angeordneten Ladenschluss übertragbar wären. Jura Intensiv Anhaltspunkte dafür, dass für den „Night-Kiosk“ die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 LÖG NRW eingreift, wonach Verkaufsstellen, deren Kernsortiment aus einer oder mehrerer der Warengruppen Blumen und Pflanzen, Zeitungen und Zeitschriften oder Back- und Konditorwaren besteht, an Sonn- und Feiertagen für die Abgabe dieser Waren und eines begrenzten Randsortiments für die Dauer von fünf Stunden geöffnet sein dürfen, eingreift, sind nach aktueller Aktenlage angesichts der sich in dem Verwaltungsvorgang befindlichen Fotos der Verkaufsstelle des Antragstellers, auf denen erkennbar ist, dass zu dessen Kernsortiment vor allem auch diverse alkoholische und alkoholfreie Getränke gehören, nicht ersichtlich. Das ist eigentlich keine Frage der Erforderlichkeit, sondern sollte als eigener Punkt im Rahmen des Ermessens geprüft werden. Der Betroffene kann eine Ungleichbehandlung nur durch denselben Hoheitsträger rügen. Das Verhalten anderer Gemeinden ist daher irrelevant. Angemessenheit Das ist ein Argument, das von Abrissverfügungen im Baurecht bekannt ist: die Behörde dürfe nicht einschreiten, weil sie das umstrittene Verhalten ohnehin genehmigen müsse. Argument greift hier nicht, weil Antragsteller keinen gebundenen Anspruch auf die Genehmigung hat. Ebenfalls typisches Argument im Bereich des Gewerberechts: Gefahr der Existenzvernichtung. Kann nicht überzeugen, da es der Gewerbetreibende von Anfang an in der Hand hat, sich rechtskonform zu verhalten und damit ein behördliches Einschreiten zu verhindern. Gerichtlicher „Fingerzeig“ an die Behörde, dass dem Antragsteller auch für Sonntage ein Verkaufsverbot auferlegt werden kann. Inhaltsverzeichnis

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