198 Öffentliches Recht RA 04/2017 V. Beschwerdebefugnis Gem. Art. 93 I Nr. 4a GG muss B beschwerdebefugt sein. Das bedeutet, nach seinem substanziierten Vorbringen muss die Möglichkeit bestehen, dass er durch den angegriffenen Beschwerdegegenstand in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt ist. Darüber hinaus muss er selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein. Möglicherweise ist B durch das angegriffene Verhalten der Bundesregierung in seinem Grundrecht aus Art. 2 I GG verletzt. Kernaussage der Entscheidung Ausländische Hoheitsträger: Kein staats- oder völkerrechtlicher Anspruch auf Einreise und amtliche Betätigung Vgl. BVerfGE 104, 151, 207; 131, 152, 195; OVG Münster, Beschluss vom 29.7.2016, 15 B 876/16, juris Rn 15 ff., RA 2016, 538 Auch kein Grundrechtsschutz, da es gar nicht um Grundrechte, sondern um Staatsorganisationsrecht geht. Geltendmachung des Demokratieprinzips per Verfassungsbeschwerde Vgl. BVerfGE 89, 155, 172; 123, 267, 330. „Trickreiche“ Konstruktion des BVerfG, die umstritten ist (vgl. Sachs, GG, Art. 93 Rn 89) „[3] Zwar haben Staatsoberhäupter und Mitglieder ausländischer Regierungen weder von Verfassungs wegen noch nach einer allgemeinen Regel des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 GG einen Anspruch auf Einreise in das Bundesgebiet und die Ausübung amtlicher Funktionen in Deutschland. Hierzu bedarf es der - ausdrücklichen oder konkludenten - Zustimmung der Bundesregierung, in deren Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten eine solche Entscheidung gemäß Art. 32 Abs. 1 GG fällt. Soweit ausländische Staatsoberhäupter oder Mitglieder ausländischer Regierungen in amtlicher Eigenschaft und unter Inanspruchnahme ihrer Amtsautorität in Deutschland auftreten, können sie sich nicht auf Grundrechte berufen. Denn bei einer Versagung der Zustimmung würde es sich nicht um eine Entscheidung eines deutschen Hoheitsträgers gegenüber einem ausländischen Bürger handeln, sondern um eine Entscheidung im Bereich der Außenpolitik, bei der sich die deutsche und die türkische Regierung auf der Grundlage des Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten (Art. 2 Nr. 1 der Charta der Vereinten Nationen) begegnen. [4] Der Beschwerdeführer hat jedoch nicht substantiiert dargelegt, dass er durch die angegriffenen Maßnahmen beziehungsweise Unterlassungen der Bundesregierung selbst nachteilig betroffen ist. Dies aber wäre Voraussetzung für eine Verletzung des Beschwerdeführers in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit vor gesetzlosem und gesetzwidrigem Zwang.“ Jura Intensiv Eventuell kann sich B unter Verweis auf seine Rechte als deutscher Staatsbürger aber auf sein grundrechtsgleiches Recht aus Art. 38 I 1 GG berufen. „[6] Zwar schützt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davor, dass der Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung, das heißt seine Mitwirkung an der durch Wahl bewirkten Legitimation von Staatsgewalt und seine Möglichkeit zur Einflussnahme auf deren Ausübung, entleert wird. Eine solche Fallkonstellation liegt hier aber nicht vor. Darüber hinaus gewährt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG keinen Anspruch auf eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle in Bezug auf Maßnahmen der Regierung oder des Parlaments. Er dient nicht der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse, sondern ist auf deren Ermöglichung gerichtet.“ Demnach kann sich B weder auf eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 I GG noch auf einen Verstoß gegen sein grundrechtsgleiches Recht aus Art. 38 I 1 GG berufen, sodass er nicht beschwerdebefugt ist. Inhaltsverzeichnis © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG
RA 04/2017 Öffentliches Recht 199 B. Ergebnis Da B nicht beschwerdebefugt ist, ist seine Verfassungsbeschwerde unzulässig. FAZIT Das BVerfG zeigt die oftmals zitierte „klare Kante“: ausländischen Hoheitsträgern steht nach dem GG nicht das Recht zu, sich in Deutschland amtlich betätigen zu dürfen, insbesondere genießen sie keinen Grundrechtsschutz. Es steht allein im außenpolitischen Ermessen der Bundesregierung, solche Auftritte zu gestatten. Das BVerfG knüpft damit an die „Erdogan-Entscheidung“ des OVG Münster an, die bereits in der RA 2016, 538 publiziert wurde. Jede andere Rechtsauffassung kann im Ergebnis auch nicht überzeugen, könnte ansonsten doch z.B. ein ausländischer Diktator verlangen, in Deutschland für die Todesstrafe werben zu dürfen. Zwingend geboten waren diese rechtlichen Ausführungen des BVerfG im Übrigen nicht, da die Verfassungsbeschwerde evident unzulässig war. Denn natürlich kann ein Bürger von der Bundesregierung nicht ein bestimmtes außenpolitisches Verhalten fordern. Zu betonen ist, dass das BVerfG ausländischen Regierungsmitgliedern den Grundrechtsschutz nur für den Fall aberkennt, dass sie in amtlicher Eigenschaft in Deutschland auftreten wollen. Als Privatpersonen steht ihnen hingegen - wie deutschen Politikern - der grundrechtliche Schutz zu. Die Abgrenzung zwischen privaten und amtlichen Auftritten dürfte anhand ähnlicher Kriterien erfolgen wie bei deutschen Regierungsmitgliedern (ausdrückliche Bezugnahme auf das Regierungsamt; Verwendung von Staatssymbolen und Hoheitszeichen oder Nutzung von Amtsräumen; Äußerung im Rahmen einer Veranstaltung, die von der ausländischen Regierung ausschließlich oder teilweise verantwortet wird; Teilnahme an einer Veranstaltung ausschließlich aufgrund des Regierungsamtes). Jura Intensiv © Jura Intensiv Verlags UG & Co. KG Inhaltsverzeichnis
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